Gericht will klären, ob schwangere Freundin in Gerstetten getreten und geschlagen wurde
Auch der zweite Verhandlungstag am Heidenheimer Amtsgericht brachte nur wenig Erkenntnisse darüber, was an diesem Tag im Juli 2022 in Gerstetten wirklich passiert ist. Der 29-jährige Angeklagte blieb bei seiner Version, dass sich seine damalige Lebenspartnerin die Verletzungen selbst zugefügt habe und er unschuldig sei. Die 33-Jährige berichtete dagegen von Schlägen auf den Kopf, würgen und Tritten – auch gegen den Bauch der damals Schwangeren. Von Tritten stehe allerdings nichts in der polizeilichen Vernehmung, beanstandete Staatsanwältin Koller.
Allen Beteiligten offenbarten erneut Einblicke in die jahrelange toxische On- und Off-Beziehung des Paares, unter der vor allem auch die drei Kinder leiden. Die älteste Tochter, die sich derzeit in einer psychiatrischen Klinik befindet, sollte wohl nach Meinung der Ärzte nicht zurück in dieses Umfeld, wie Anwältin Deniz Kocakaplan als Nebenklagevertreterin berichtete.
Eigentlich war die Aussage einer Familienhelferin, die über Jahre zweimal wöchentlich die Familie betreut hatte, für diesen zweiten Verhandlungstag vorgesehen. Gegenüber der Polizei hatte die Frau bei ihrer Vernehmung zu dem Vorfall im Juli angegeben, dass die Kinder auf sie einen normalen Eindruck gemacht hätten. Die Polizeibeamtin, die die Aussage aufgenommen hatte, hatte als Zeugin vor Gericht berichtet, dass sie den Eindruck hatte, dass die Familienhelferin eher auf der Seite des Mannes stehe. Der Angeklagte selbst sprach von einem guten Verhältnis und auch privaten Treffen.
Opfer durfte keinen Kontakt zur eigenen Familie haben
An besagtem Tag, hatten Schwester und Mutter des Opfers auch die Familienhelferin alarmiert, die dann wohl auch in Gerstetten das Opfer und eine Tochter aus dem Haus geholt hatte. Eine Aussage der 63-Jährigen, die für einen privaten Träger im Auftrag der Stadt Ulm tätig ist, gab es aber nicht. Wie Richter Dr. Christoph Edler mitteilte, habe er vergeblich versucht, bei der Stadt Ulm eine Verschwiegenheitsentbindung für die Zeugin zu erhalten. Diese sei zugesagt gewesen, aber nicht erfolgt. „Das geht gar nicht“, kritisierte Staatsanwältin Koller die mangelnde Unterstützung der Stadt Ulm.
Als weitere Zeugin wurde die Mutter des Opfers gehört. Sie hatte zusammen mit ihrem Mann und der Familienhelferin die Tochter und eine Enkelin abgeholt, allerdings erst am Tag nach dem Vorfall. Nach dem handgreiflichen Streit habe ihre Tochter das Telefon der Freundin des Bruders des Angeklagten benutzen dürfen. Ein eigenes Handy habe ihre Tochter nicht haben dürfen, berichtete die Mutter. Als ihr die Schwester eins geschenkt habe, hätte der Angeklagte es kaputt gemacht. In den Zeiten, in denen das Paar mal wieder zusammen war, habe der Angeklagte der Tochter keinen Kontakt zur Familie erlaubt.
Die Freundin des Bruders sei auch dazugekommen, als ihre Tochter verprügelt worden sei und habe den Bruder des Angeklagten dazugerufen, der dann dazwischen gegangen sei, sagte die 59-jährige Zeugin aus.
Der Bruder des Angeklagten und dessen Lebensgefährtin hatten das vor Gericht anders geschildert. Der Bruder berichtete zwar von einem Streit, Handgreiflichkeiten habe es aber nicht gegeben. Sein Bruder sei mit ihm zusammen gewesen. Seine Partnerin wollte zum fraglichen Zeitpunkt mit dem Hund spazieren gewesen sein. Verletzungen des Opfers, laut Hausarzt unter anderem Schwellungen am Kopf und im Gesicht, sowie Kratzspuren im Gesicht und blaue Flecke an den Armen, wollten sie nicht bemerkt haben. Staatsanwältin Koller hakte in diesem Zusammenhang nach, ob die beiden hinsichtlich einer möglichen Falschaussage "in die Mangel" genommen worden seien. Am ersten Tag der Verhandlung hatte ein anderer Staatsanwalt die Anklagevertretung gehabt.
Töchter des Paares hatten sich an Vertrauenspersonen gewandt
Die Nebenklägerin stellte schließlich den Antrag, die beiden älteren Töchter des Paares anzuhören, „weil die Geschichte immer mit Gewalt abläuft“. Die beiden hätten über die Schläge gegen die Mutter auch gegenüber einer Sozialpsychologin und einer Lehrerin berichtet und auch selbst Gewalt erfahren. Auch die Lehrerin und die Psychologin sollten deshalb gehört werden sowie der bei der Stadt Ulm zuständige Mitarbeiter im Jugendamt.
Aus ihrer Sicht sei das nicht nötig, so die Staatsanwältin, die davon ausging, dass keines der Kinder die Tat an diesem Tag gesehen hatte. Die Nebenklägerin berichtete jedoch, dass eine der Töchter miterlebt habe, wie die Mutter gewürgt worden sei.
„Ich glaube auch nicht, dass es nichts gab an diesem Tag“, sagte Staatsanwältin Koller. Aufgrund einschlägiger Vorverurteilungen werde es bei einer Strafe auch nicht beim Mindestmaß bleiben. Sie legte dem Angeklagten nahe, über ein Geständnis nachzudenken. Verteidiger Matthias von Wedel wies dies zurück. Man tue sich schwer etwas zu gestehen, was nicht stattgefunden habe.
Zur weiteren Wahrheitsfindung sollen nun weitere Zeugen gehört werden.
Falsche Angaben der Zeugen?
Haben der Bruder des Angeklagten und seine Lebenspartnerin falsche Angaben vor Gericht gemacht, um den Angeklagten zu entlasten? Staatsanwältin Koller, die am ersten Verhandlungstag nicht dabei gewesen war, störte sich an deren Schilderungen.
Beim Verdacht, dass wahrheitswidrige Angaben zu einem Sachverhalt als Zeuge vor Gericht gemacht wurden, kann die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren einleiten. Eine Falschaussage kann mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, bis zu fünf Jahren bestraft werden.