Bisous, ungarische Zungenbrecher, „Prost“

Wie sich die Musikschule Gerstetten auf das Konzert des Trina-Orchesters vorbereitet

Drei Nationen, ein Orchester: Am 26. Juli findet das große Konzert des Trina-Orchesters statt. Die Projektteilnehmer aus Gerstetten berichten, wie die traditionelle Probenwoche abläuft – zwischen Bisous, ungarischen Zungenbrechern und „Prost“ in drei Sprachen.

Vor dem berüchtigten Küsschen hatte er ein wenig Bammel. Bisous – die klassische französische Begrüßung, ein Küsschen links, ein Küsschen rechts. Im Alter von 13 Jahren war diese Vorstellung für Jonathan Schied vor allem eines: ein Stressfaktor. „Am Ende war dann aber alles gut“, erzählt Schied heute und lacht. Heute, das ist sieben Jahre später. Jonathan Schied ist einer von rund drei Dutzend Gerstettern, die 2024 am jährlichen Konzert des Trina-Orchesters teilnehmen. Neben Gerstetten geben sich Vertreter des französischen Cébazat sowie junge Menschen aus Pilisvörösvár in Ungarn die Ehre. Es geht dabei um die Musik, na klar. Aber eigentlich um noch viel mehr.

Drei Nationen, drei Kulturen: Seit nunmehr zwölf Jahren existiert das Trina-Orchester. Von den Partnerschaftsvereinen und Musikschulen der drei Partnerstädte wurde das Projekt ins Leben gerufen. Alternierend treffen sich junge Menschen dieser drei Länder, um gemeinsam zu musizieren. Am 26. Juli ist einmal mehr Gerstetten Anlaufpunkt und Austragungsort des Trina-Konzerts. Mit dabei sind neue Gesichter und Rückkehrer, neben dem 20-jährigen Jonathan Schied an der Posaune sind das unter anderem Miriam Berger (19, ebenfalls Posaune), Katja Wöhrle (20, Geige) und Marla Laidler (20, Fotografie).

Trina-Orchester: Knapp 100 Teilnehmer aus drei Ländern

Eine Woche lang bereitet sich das knapp 100-köpfige Trina-Orchester auf sein Konzert vor. Sprachbarrieren? Gibt es freilich. Kulturelle Unterschiede? Absolut, siehe Bisous. Doch diese anzuerkennen und bisweilen sogar zu überwinden, gehört ebenso zum Trina-Projekt wie die Musik an sich. Kommuniziert wird primär auf Englisch, „aber unsere erste Sprache ist im Grunde die Musik“, findet Jonathan Schied. Wenngleich gewisse Fachbegriffe gelegentlich durch Gestikulieren oder einfach durch Vorspielen vermittelt werden.

Die Musik verstummt abends nach Ende der Proben keinesfalls, wie Marla Laidler erzählt. „Es gibt keinen Abend ohne Musik.“ An drei designierten Tagen präsentieren die drei Nationen Einblicke in ihre Kultur – ein deutscher Abend steht beispielsweise im Zeichen der Polka. Das ungarische Ensemble bringt den anderen Zungenbrecher in seiner Landessprache bei, und überhaupt weiß am Ende der Probenwoche eine Jede und ein Jeder, wie man auf Deutsch, Französisch und Ungarisch „Prost“ sagt.

Gerstetten mit seiner Musikschule ist eine der drei Partnergemeinden des Trina-Orchesters. Foto: Rudi Penk

Unterschiede gibt es nicht nur zwischen den Ländern, auch das musikalische Können der Ensembles variiert. „Manche der jungen Menschen spielen ihr Instrument schon doppelt so lange wie andere“, weiß Thomas Neumann, Gerstettens Musikschulleiter. Dennoch gebe es bei der Auswahl für das Orchester kein „Casting“. Jeder ist gewissermaßen dabei, wenngleich nicht alle alles können oder spielen müssen.

Für Anfänger ist das mitunter eine Herausforderung, doch sicherlich eine, an der sie wachsen können. „Wenn man schon einige Male dabei gewesen ist, wird man irgendwann vielleicht selbst jemand, zu dem andere aufblicken und den sie bewundern“, berichtet Katja Wöhrle. Und Miriam Berger ergänzt: „Beim ersten Mal hatte ich noch Schwierigkeiten, mich zu öffnen. Auch ständig auf Englisch zu kommunizieren, war nicht ganz einfach. Doch man lernt mit der Zeit, auf Leute zuzugehen.“

Manche der jungen Menschen spielen ihr Instrument schon doppelt so lange wie andere.

Thomas Neumann, Leiter der Musikschule Gerstetten

Diese persönlichen Fortschritte, auf jeden Fall aber die musikalischen, die hält unter anderem Marla Laidler fest. Zwei französische Mitglieder drehen eine Art Tour-Tagebuch, Laidler dokumentiert den Weg zum Konzert mit ihrem Fotoapparat. Sie lässt Externe und die Familienmitglieder der Teilnehmer über Social Media an dem Projekt teilhaben, dessen Abschlusskonzert per Livestream im Netz zu erleben sein wird.

Geprobt wird dieses Jahr im baden-württembergischen Weikersheim. Das Konzert, das gemeinsam vom Streicher- sowie vom Bläserorchester des Trina-Projekts gestemmt wird, dient als einer Art Best of der vergangenen drei Jahre. Zwei Stücke spielen die beiden Orchester, die an sich ja trotzdem ein einzelnes Trina-Orchester sind, dabei gemeinsam.

Kein Nachwuchsmangel in der Gerstetter Musikschule

Übrigens: Nachwuchsmangel scheint es – zumindest dieses Jahr und zumindest aus Gerstetter Sicht – nicht zu geben. Waren 2023 noch 24 Vertreterinnen und Vertreter aus Gerstetten dabei, sind es dieses Jahr gleich zehn mehr. „So viele Rufe danach, mitzumachen, gab es noch nie“, freut sich da nicht nur Thomas Neumann.

Eintritt frei beim Konzert des Trina-Orchesters

Das Konzert des Trina-Orchesters findet am Freitag, 26. Juli, ab 20 Uhr in der Kliffhalle in Heldenfingen statt. Der Eintritt ist frei. Das Best-of-Konzert zeigt die Highlights der Auftritte aus den Jahren 2019, 2022 und 2023.

Das Projekt Trina-Orchester in Zahlen

3 Länder bilden gemeinsam das Trina-Orchester: Deutschland, Frankreich und Ungarn.

12 Jahre lang besteht das Projekt bereits. Alle drei Jahre findet ein Best-of-Konzert statt.

232 junge Europäerinnen und Europäer haben bislang an dem Projekt teilgenommen.

65.480 Kilometer haben die Trinatianer insgesamt zurückgelegt.

89.632.085 Noten wurden bei den Konzerten und Auftritten des Trina-Orchesters gespielt.