Mit nur 29 Jahren übernahm Thomas Häcker vor zwölf Jahren den Vorsitz der Energiegenossenschaft Gussenstadt. Er ist studierter Landwirt und arbeitet eigentlich als Teamleiter bei einer Agrarversicherung. Nicht mal während des Studiums habe er sich groß mit erneuerbaren Energien beschäftigt, aber: „Die Idee einer Gemeinschaftsbiogasanlage war einfach gut und dann braucht es eben jemanden, der sie umsetzt“, sagt er lachend. Umgesetzt wurde sie dann maßgeblich von ihm und seinem Stellvertreter Hermann Köpf. 2013 wurde die Anlage gebaut und im Jahr darauf folgte das Nahwärmenetz, an das aktuell 160 Haushalte angeschlossen sind, außerdem alle gemeindeeigenen Gebäude. Inklusive Glasfaseranschluss. „Das Glasfaser-Drama in anderen Städten und Gemeinden haben wir uns gespart, weil wir es einfach gleich selber gemacht haben.“
Das Glasfaser-Drama in anderen Städten und Gemeinden haben wir uns gespart
Thomas Häcker, Vorsitzender der Energiegenossenschaft
Aus Gülle und Mist wird in der Anlage Biogas, das dann in Strom umgewandelt wird – rein rechnerisch ausreichend für 12.000 Haushalte. „Der Strom fließt aber ins Netz. Die Gesetzgebung verbietet, dass wir die Gussenstadter Bürger direkt beliefern“, erklärt Häcker. „Aber die von den Motoren zusätzlich produzierte Wärme geht direkt an unsere Kunden. So wird das eingesetzte Substrat optimal genutzt.“
Gussenstadt sorgt für Stabilisation des Stromnetzes
Anders als der aus Solar- und Windkraftanlagen produzierte Strom könne der aus der Biogasanlage gespeichert werden, erläutert Häcker. „Über den Tag liefern Solaranlagen viel günstigeren Strom und deshalb hat er Vorrang im Netz. Aber abends, wenn der Solarstrom wegbricht, dann laufen unsere Motoren an. Wir helfen damit bei der Netzstabilisation und auch bei kurzfristigen Netzengpässen, weil unsere Motoren innerhalb von zwei Minuten auf Volllast laufen können.“
Eigentlich sei nie geplant gewesen, das ganze Dorf mit seinen rund 1400 Einwohnern mit Wärme zu versorgen. „Das wäre auch nicht wirtschaftlich gewesen“, erklärt Thomas Häcker. Ganz einfach, weil Erdgas verfügbar und billig war. „Mit dem russischen Angriffskrieg hat sich das geändert und immer mehr Leute haben uns gefragt, wann wir auch ihre Straße versorgen können.“ Man befragte die Gussenstadter und das Interesse war sehr groß.
Also machte man sich in der Energiegenossenschaft Gedanken, wie man weitere Wärme zur Verfügung stellen kann, denn die Kapazitäten der Biogasanlage sind ausgereizt. Geothermie wurde geprüft, Solarthermie auch. Ersteres fiel aufgrund von Karstgestein und Wasserschutzgebiet aus, und der Wärmepreis aus Solarthermie wäre zu hoch gewesen. „Vielleicht nicht für Tübingen, aber für Gussenstadt“, sagt Häcker.
Hackschnitzelkessel und Wärmepumpen
Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Und das Konzept sieht jetzt so aus: Neben dem alten Wärmenetz wird ein neues gebaut und beide miteinander verbunden. Im Sommer, wenn weniger Wärme verbraucht wird, wird die Biogasanlage für die Versorgung des Dorfes ausreichen. Wenn es kälter wird, werden zwei Hackschnitzelkessel und zwei Wärmepumpen hinzugeschaltet. Und auch hier setzt man auf Effizienz: „Wenn Hackschnitzel verbrannt werden, entstehen heiße Gase und die werden wir über die Wärmepumpen auch nutzen.“
Holz zum Heizen ist nicht unumstritten, aber: „Wir sind eine sehr waldreiche Gemeinde und deshalb haben wir auf Hackschnitzel gesetzt“, sagt Häcker. In Heidenheim und Königsbronn werde über Flusswasserwärmpumpen diskutiert. „Aber wir haben keinen Fluss und eine Wärmepumpe braucht immer eine Wärmequelle, man muss also schauen, was sich in der jeweiligen Gemeinde anbietet.“
Wenn es nach Thomas Häcker geht, könnte das Projekt schon morgen losgehen. „Es gibt ein tolles und gut bestücktes Förderprogramm vom Bund für effiziente Wärmenetze, aber man muss vorher planen und sich alles genehmigen lassen. Das zieht die Sache etwas in die Länge.“ Beim ersten Nahwärmenetz war es noch umgekehrt: Man plante, baute und stellte danach den Förderantrag. „Das ging etwas schneller.“
Die neue Heizzentrale soll bis Sommer 2025 bei der Firma Pfisterer entstehen. „Das wird der größte Verbraucher sein, also sollte dort die Wärme auch erzeugt werden“, so Häcker. Der Netzbau werde etwa zweieinhalb bis drei Jahre dauern. „Die Straßenzüge werden aber schrittweise in Betrieb genommen.“
Preise und Kosten
9,5 Millionen Euro investiert die Energiegenossenschaft in das gesamte Projekt. Kunden müssen sich mit 2500 Euro an der Genossenschaft beteiligen. Dazu kommen 6000 Euro Hausanschlusskosten. Wer sich darauf beschränkt, bekommt die Wärme zum Preis von 12,5 Cent pro Kilowattstunde. Es gibt aber noch einen weiteren Tarif. Wer sich mit einem Baukostenzuschuss in Höhe von bis zu 15.000 Euro beteiligt, bekommt die Wärme um bis zu 2,5 Cent günstiger. „Das hört sich wenig an, aber es läppert sich“, so Thomas Häcker.