Dass sie mit ihrer Idee, das seit langem leer stehende Bahnhotel gastronomisch und kulturell wiederzubeleben, auf ein derartiges Interesse in der Gerstetter Bevölkerung treffen, haben sich die Initiatoren Jürgen Bobzin und Franz Nerad wohl kaum erträumt. Auch bei der zweiten Infoveranstaltung am Dienstag im Stucksaal des historischen Gebäudes waren rund 120 Interessierte erschienen, die engagiert an dem Projekt mitarbeiten möchten.
Man kann wohl fast von einer Aufbruchstimmung reden, die inzwischen entstanden ist. „Es gibt unglaublich viele Menschen, die sagen, es ist höchste Eisenbahn, dass sich in Sachen Bahnhotel etwas tut. Für mich ist es eine der tollsten Erfahrungen, die ich in rund 50 Jahren gemeinnütziger Arbeit sammeln durfte. Ich freue mich darüber wie ein kleines Kind“, sagte Franz Nerad.
Schon nach dem ersten Infoabend im vergangenen November haben die Initiatoren stattliche 135 E-Mail-Adressen bekommen von Personen, die sich auf diesem Wege weiterhin auf dem aktuellen Stand halten möchten. Nicht weniger als 56 Angebote zur aktiven Mitarbeit an diesem Projekt seien bereits eingegangen, obwohl sich ja alles noch im Anfangsstadium befinde.
Unterstützung wurde zudem bereits von einigen Organisationen angekündigt. Der Tourismusverband etwa signalisierte, das Bahnhotel in seine Empfehlungsliste aufzunehmen. Die Ulmer Eisenbahnfreunde sind mit an Bord, und der ADFC wäre bereit, im künftigen Biergarten eine Servicestation für E-Bikes einzurichten.
Kulturverein soll am 22. Februar gegründet werden
Als erster großer Meilenstein ist nun die Gründung eines Kulturvereins vorgesehen, die am 22. Februar erfolgen soll. Jürgen Bobzin stellte einen entsprechenden Entwurf für eine Satzung vor. Der Verein soll den Namen „Kultur im Bahnhotel“ erhalten. Als Aufgabe und Zweck wurde formuliert, „das kulturelle und künstlerische Leben in Gerstetten zu fördern“. Dies werde „für alle Generationen“ angestrebt – sowohl Jugendliche als auch Senioren sollen ihre Belange im Bahnhotel wiederfinden.
Dass man grundsätzlich auch allen Interessengruppen gegenüber offen sein möchte, führte zu Diskussionen im Publikum. Politisch extremen Vereinigungen – die Rede war von einer gewissen „blauen Partei“ – sollte man im Bahnhotel kein Forum bieten, befanden einige Redner. Jürgen Bobzin plädierte trotzdem dafür, nicht schon in der Satzung Ausschlusskriterien festzulegen. Letztlich könne der Verein hier im Einzelfall einen Konsens bilden, wo man Grenzen ziehen sollte.
Franz Nerad wies zudem darauf hin, dass die noch zu gründende Genossenschaft als künftige Betreiberin des Bahnhotels im Gegensatz zu einer Kommune nicht verpflichtet sei, alle Veranstaltungen zulassen zu müssen: „Die Genossenschaft kann sagen, mit diesem oder jenem Veranstalter machen wir keinen Vertrag.“
Er regte an, vielleicht den partnerschaftlichen Gedanken – Gerstetten steht in intensiven Beziehungen zu Cébazat in Frankreich und Werischwar in Ungarn – noch mit in die Satzung einfließen zu lassen. Damit würde man auch den Aspekt der Völkerverständigung mit aufnehmen und einen entsprechenden „Geist“ signalisieren.
Kandidaten für den Vorstand gesucht
Bis zum Tag der geplanten Vereinsgründung am 22. Februar sollen sich nun alle Interessierten Gedanken darüber machen, ob sie Mitglied werden wollen und sich eventuell auch vorstellen können, für ein Amt im geplanten fünfköpfigen Vorstand zu kandidieren. Die Höhe des Mitgliedsbeitrages werde dann die Mitgliederversammlung festlegen. „Unser Rat wäre es, den Beitrag so gering wie möglich zu halten. Den besten Beitrag kann man leisten, indem man hier künftig zum Essen geht, die Kulturveranstaltungen unterstützt und bei Open-Air-Veranstaltungen mit anpackt“, sagte Nerad.
Wünsche, wie das künftige kulturelle und gastronomische Leben im Bahnhotel aussehen könnte, wurden schon nach dem ersten Treffen auf Stellwänden zusammengetragen. Sie reichen vom Biergarten mit Open-Air-Konzerten über Workshops, Mostproben, Kino, Kabarett und Tanzabenden bis zu praktischen Dingen wie einem behindertengerechten Zugang. Vor allem aber soll das Bahnhotel eine Begegnungsstätte für Jung und Alt werden.
Das erste kulturelle Angebot im Bahnhotel ist jedenfalls schon zeitnah terminiert: Am 9. Februar kommt der Theologe Jürgen Kaiser in den Stucksaal, um mit humoristischen schwäbischen Geschichten zu unterhalten. Und eines haben die Initiatoren auch schon zugesichert: Beim Herbstmarkt in diesem Jahr soll auch im Bahnhotel nach langer Zeit wieder ein traditionelles Marktessen angeboten werden.
Als Vorbild dient der „Schwanen“ in Nehren
Als Vorbild für die künftige Nutzung des Bahnhotels dient das in Form einer Genossenschaft betriebene Gasthaus Schwanen in Nehren (Kreis Tübingen), das sich als Kulturdenkmal im dörflichen Leben etabliert hat. Wie in Nehren ist auch in Gerstetten geplant, dass die Kommune im Besitz des Gebäudes bleibt, das die künftige Genossenschaft als Pächterin betreibt. Jeder Genosse ist mit Anteilen (gedacht ist an einen Betrag von 500 Euro) am Kapital beteiligt. Dankbar ist man in Gerstetten für alle beratende Unterstützung aus Nehren. Im Vorstand der dortigen Genossenschaft gebe es auch einen gastronomischen Headhunter, der unentgeltlich mithelfen wolle, für Gerstetten das entsprechende Personal für Küche und Service zu rekrutieren.
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