Gründung

Was die neue Genossenschaft „Bahnhotel Gerstetten“ bewirken soll

Eine Genossenschaft soll dafür sorgen, dass die Gerstetter Gastronomie im historischen Bahnhotel wieder in Gang kommt. Die Zahl der Gründungsmitglieder ist stattlich. Einstimmig wurde ein fünfköpfiger Aufsichtsrat gewählt. Wie es nun weitergeht:

Wichtiger Schritt im Bemühen, das historische Gerstetter Bahnhotel gastronomisch wiederzubeleben: Am Dienstag wurde im Stucksaal des prägnanten Gebäudes eine Genossenschaft gegründet und zugleich einstimmig ein fünfköpfiger Aufsichtsrat gewählt. Dieses Gremium hat in nächster Zukunft vor allem zwei Aufgaben zu bewältigen: einen Vorstand zu bestimmen und sich auf Personalsuche zu begeben, damit Küche und Service im Bahnhotel bald wieder unter professioneller Leitung stehen.

Stattliche 70 Bürgerinnen und Bürger aus Gerstetten und dem Umland trugen sich als Gründungsmitglieder der Genossenschaft ein. Geht man davon aus, dass jedes Mitglied mindestens einen Anteil in Höhe von 500 Euro erwirbt, dürfte sich das Startkapital bereits jetzt auf 35.000 Euro belaufen.

Grundstock von 50.000 Euro wird benötigt

Die Zahl der Mitglieder sollte sich in den kommenden Wochen aber noch auf mindestens 100 erhöhen. „Wir brauchen einen Grundstock von 50.000 Euro“, bekräftigte Franz Nerad, der künftige Vorsitzende des Aufsichtsrats.

Nerad, dessen außergewöhnliches ehrenamtliches Engagement von Bürgermeister Roland Polaschek besonders hervorgehoben wurde, stellte auch unmissverständlich klar: „Wären heute Abend nur 17 Personen erschienen, dann hätten wir uns bedankt und wären wieder nach Hause gegangen.“ Das ehrgeizige bürgerschaftliche Projekt wäre dann schon gescheitert, bevor es richtig begonnen hätte.

Reinhard Mallow, Andreas Steinmetz, Dr. Helga Ströhle, Franz Nerad und Erwin Krajewski (von links) bilden den Aufsichtsrat der am Dienstagabend gegründeten Genossenschaft „Bahnhotel Gerstetten“. Sie werden nun einen Vorstand bestimmen und sich auf die Suche nach geeignetem Personal für Küche und Service begeben. Foto: Erika Schiele

So gesehen zeigte sich Nerad ebenso erleichtert über die starke Resonanz aus der Bürgerschaft wie dessen engagierter Mitstreiter Jürgen Bobzin, der die Versammlung leitete. Das Gesamtkonzept zur künftigen Nutzung des Bahnhotels beinhaltet zwei Aspekte: Das Gebäude mit seinen attraktiven Nebenräumen wie dem großen Stucksaal, einem außergewöhnlichen Gewölbekeller und einem idyllischen Biergarten soll „als wichtiger Gastronomiebetrieb und sozialer Treffpunkt in unserer Kommune etabliert werden“, so die offizielle Zielbeschreibung.

Zur Förderung des kulturellen und künstlerischen Lebens im Gebäude, das seit rund vier Jahren leer steht, wurde im Februar der Verein „Kultur im Bahnhotel“ gegründet. Verein und Genossenschaft wollen künftig gemeinsam dafür sorgen, dass das Bahnhotel „zur guten Stube“ im Ort wird, wie es Bürgermeister Polaschek ausdrückte.

Das ganze Projekt, so wurde Franz Nerad unterdessen nicht müde zu betonen, funktioniere allerdings nur im gemeinschaftlichen Miteinander: „Die Gerstetter müssen sagen: Es ist unsere Gaststätte, es ist unser Haus.“

Mit diesem Modell, das sich vor allem an das Gasthaus Schwanen in Nehren bei Tübingen anlehnt, betreten die Gerstetter kein Neuland. Inzwischen gebe es bundesweit 27 gastronomische Betriebe, die nach ähnlichem Prinzip arbeiten, sagte Nerad: „Die gute Nachricht ist: Keiner von ihnen ist im Moment in großen Schwierigkeiten.“

Businessplan ausarbeiten lassen

Die Erfolgsaussichten des Gerstetter Vorhabens nähren sich auch aus einem Businessplan, den man inzwischen von einer Fachfrau ausarbeiten ließ. Auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) sehe das Gerstetter Konzept positiv. Rückenwind gibt es zudem vom Württembergischen Genossenschaftsverband, der keine Hinderungsgründe für eine Aufnahme der künftigen „Bahnhotel Gerstetten e.G.“ in seinen Verband sehe. „Das heißt, sie können sich gut vorstellen, dass das hier funktioniert“, meinte Nerad erfreut.

Der Genossenschaftsverband werde – die vorgesehene Aufnahme vorausgesetzt – künftig auch einmal im Jahr die Rechnungen für den laufenden Betrieb des Bahnhotels prüfen. Erfahrungsgemäß, so verlautete von Verbandsseite, würden die ersten beiden Jahre noch von etwas Kampf geprägt sein, danach aber gehe es in aller Regel aufwärts.

Geringes finanzielles Risiko für Mitglieder der Gerstetter Genossenschaft

Das finanzielle Risiko für die Genossenschafts-Mitglieder ist bewusst gering gehalten. In der Satzung wurde festgelegt, dass es keine sogenannte Nachschusspflicht gibt. Das heißt, Genossenschafts-Mitglieder müssen nicht für entstandene Verluste haften. Im schlimmsten Fall droht der Verlust der 500 Euro, die in einen Anteil investiert wurden.

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Einmal im Jahr werden die Mitglieder der Genossenschaft zu einer Generalversammlung eingeladen. Das Stimmrecht eines Mitglieds ist unabhängig von der Frage, wie viele Anteile es für sich erworben hat. Das heißt: Wer beispielsweise über drei Anteile verfügt, hat ebenso eine Stimme, wie eine Person, die nur in einen Anteil investierte.

Das Prinzip, dass diejenigen am meisten zu bestimmen hätten, die am meisten Geld einbrachten, widerspreche der Idee einer bürgerschaftlich geprägten Genossenschaft, argumentierten Jürgen Bobzin und Franz Nerad. Erste Absicht sei es schließlich nicht, das Kapital sprunghaft zu erhöhen, sondern finanziell gesunde Voraussetzungen zu schaffen, um das Bahnhotel wieder zu einer guten gastronomischen Adresse zu machen.   

So ist der Aufsichtsrat besetzt

Franz Nerad ist Vorsitzender des Aufsichtsrats der Genossenschaft „Bahnhotel Gerstetten“. Sein Stellvertreter ist Reinhard Mallow, der Vorsitzende der Ulmer Eisenbahnfreunde. Als Schriftführer fungiert Erwin Krajewski. Beisitzer sind Dr. Helga Ströhle sowie Andreas Steinmetz, der die Interessen des Vereins „Kultur im Bahnhotel“ vertritt.

Wie lange es dauern wird, bis alle bürokratischen und personellen Hürden so bewältigt sind, dass der gastronomische Betrieb in vollem Umfang starten kann, blieb am Dienstag noch offen. Ein Termin aber ist sicher: Am 9. Oktober wird zum Gerstetter Herbstmarkt ein traditionelles Herbstessen im Bahnhotel angeboten, versprach Franz Nerad.

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