Facebook und Co.

Wie sich Brigitte Combosch aus Heuchlingen gegen Hass und Hetze im Internet engagiert

Brigitte Combosch aus Heuchlingen zeigt seit vielen Jahren digitale Zivilcourage und engagiert sich gegen Hass und Hetze im Internet. Zur Geburtstagsfeier des Grundgesetzes war sie vom Innenministerium nach Berlin eingeladen worden.

Sie wurde bedroht, beleidigt, beschimpft. Man solle sie erschießen, aufhängen. Ihre private Adresse wurde auf Facebook veröffentlicht, sie wurde von Wildfremden auf ihrer privaten Telefonnummer angerufen. Alles Versuche, Brigitte Combosch einzuschüchtern und mundtot zu machen. Und warum das alles? Weil Brigitte Combosch eine Menschenfreundin ist. Weil sie es nicht lustig findet, wenn Menschen im Mittelmeer ertrinken und man unter ein Foto von einem Flüchtlingsboot „Absaufen!!!!“ schreibt. Weil sie es nicht in Ordnung findet, wenn Menschen wegen ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft oder sexuellen Orientierung zur Zielscheibe werden. Und weil sie an den menschengemachten Klimawandel glaubt.

Seit 2017 engagiert sich Brigitte Combosch im Verein #ichbinhier und moderiert in der gleichnamigen Facebook-Gruppe. Ziel der Gruppe und des Vereins ist es, gegen Hasskommentare und Hetze im Internet vorzugehen und das Diskussionsklima auf Facebook und anderen sogenannten sozialen Medien zu verbessern. „Wir wollen Facebook nicht den Hatern überlassen und verlorengeben“, sagt die 66-Jährige.

Deshalb war Brigitte Combosch am Wochenende vom Innenministerium zum 75. Geburtstag des Grundgesetzes nach Berlin eingeladen worden – mit rund 20 weiteren ehrenamtlich Engagierten aus ganz Deutschland. „Das Grundgesetz ist die Basis, auf der wir argumentieren“, erklärt sie. „Darin heißt es: Die Würde des Menschen ist unantastbar und nicht die Würde des Deutschen.“ Man schüttelte Nancy Faesers Hand, saß mit der SPD-Politikerin beim Kaffee zusammen und tauschte sich aus. „Ich fand das alles sehr passend und respektvoll.“ Demokratie, davon ist Combosch überzeugt, könne nicht von oben verordnet werden. „Sie muss von uns, von den Bürgern gelebt werden. Und dazu gehört auch die digitale Zivilcourage.“

Die Gruppe #ichbinhier hat rund 40.000 Mitglieder. „Wir unterstützen uns gegenseitig, das ist eine große Hilfe“, sagt Combosch. „Wenn man sich allein gegen Hassrede im Internet positioniert und für jeden Kommentar von 100 Leuten niedergemacht wird, das hält man auf Dauer nicht aus.“

Zielgruppe: die schweigende Mehrheit

Ihre Zielgruppe sind allerdings nicht die Hater. „Es wäre blauäugig zu glauben, dass man die bekehren kann“, sagt Combosch. Ihr und ihren Mitstreitern geht es um die schweigende Mehrheit. „Die ganz große Mehrheit liest mit, ohne sich jemals zu äußern und denen wollen wir zeigen, dass man sich auch auf Facebook vernünftig äußern kann, dass man seine Meinung mit Argumenten vertreten kann, ohne jemanden zu beleidigen.“ Counterspeech nennt man die sachlichen, konstruktiven und respektvoll geschriebenen Beiträge und Kommentare der Gruppenmitglieder, mit denen man den pauschalisierenden, abwertenden und aggressiven Stimmen etwas entgegensetzen will.

Dass es nur eine Minderheit ist, die Hass und Hetze im Internet verbreitet, davon ist die gelernte Erzieherin und Sozialwirtin überzeugt. „Es gibt Studien, die belegen, dass 50 Prozent der Hasskommentare von fünf Prozent der Accounts stammen. Das ist also eine kleine Gruppe, die aber sehr laut ist. Sie arbeiten mit Mehrfachprofilen, Fakeaccounts, dazu kommen von Russland und auch der AfD finanzierte Trollfabriken“, sagt Combosch. Ein Troll bezeichnet im Netzjargon jemanden, der absichtlich und aus reiner Freude provoziert und so Diskussionen zerstört.

„Ich bin kein ängstlicher Mensch“

Brigitte Combosch versteckt sich nicht, ihr Foto und ihr Name sind auf Facebook sichtbar. „Aber ich würde das nicht jedem raten“, sagt Combosch. „Es ist leider so: Wenn man sich gegen Hass einsetzt, wird man Zielscheibe des Hasses.“ Ihre Kinder tragen einen anderen Nachnamen wie sie und wohnen in einer anderen Stadt. „Ich bringe sie nicht in Gefahr, im Zweifelsfall trifft es nur mich. Ich bin kein ängstlicher Mensch und mein Mann steht voll und ganz hinter mir. Deshalb höre ich nicht auf. Ich lasse mir von niemandem den Mund verbieten.“

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