Leserbrief

Zu viel wohlwollendes Verständnis für das Ministerium

Leserbrief zu "Datenschutz: Lehrervertreter klagen gegen Schul-Cloud" vom 6. Juli 2023

Zu viel wohlwollendes Verständnis für das Ministerium

Ihr Artikel lässt mehr Fragen offen als er beantwortet. Ihr Leitkommentar ist eine unspezifische Jeremiade, in der Sie Schlagworte aufrufen. Mit einer leichten Recherche hätten Sie herausfinden können, ob und wie weit Datenschutz eine Rolle spielt (wohl kaum, wenn der finnische Konzern Sanoma nicht lügt). Mit wenigen Klicks hätten Sie herausfinden können, dass der Samona-Konzern Microsoft, Google, usw. zu seinen Partnern zählt, also bestimmt nichts mit der Free Software Foundation zu tun hat und sein Bestreben eher Linux-freie Schulen sind.

Personalräte dürfen – ähnlich wie Betriebsräte in der freien Wirtschaft – bei bestimmten Fragen mitwirken. Dabei können sie alle möglichen Argumente ins Feld führen. Klagen können sie aber nur, wenn sie Beschwerdegründe ganz weniger Kategorien anführen, z.B. “Leistungs- und Verhaltenskontrolle” – bei den Lehrern, nicht bei den Schülern! Im Zweifel müssen sie es so darstellen, daß das Verwaltungsgericht genau diesen Aspekt glaubt. Es würde mich nicht wundern, wenn die wirklichen Kritikpunkte der Lehrer andere wären, z.B.: Unhandliche oder gar unlogische Bedienerführung des Systems – vielleicht nur “bei den Gymnasialen”, da aber massiv. Das vielleicht auch im Vergleich mit bisherigen, teilweise selbst entwickelten Systemen freier Software (z.B. BigBlueButton), eine vermutete Abhängigkeit von einem großen – hier finnischen Konzern Samona. Ist dessen tatsächlicher Service so gut, wie besprochen? Was kostet das tolle System denn: Das interessiert uns als Steuerzahler.

Solch anderen Argumente spielen vor den Verwaltungsgericht aber überhaupt keine Rolle, unabhängig von ihrem Gewicht: Es gibt ein Spiel auf der Bühne, von dem Sie berichten – wahrscheinlich noch ein anderes hinter der Bühne.

Sie bringen zu viel wohlwollendes Verständnis für das Ministerium, das eine formelle Finte gefunden hat, den HPR zu umgehen. Ihr Kommentar “engmaschige Regulierungen” usw. bringt kein Licht dahinter: Wer will was von wem weshalb? Haben Sie den HPR überhaupt befragt – oder bequemlichkeitshalber nur das Ministerium? Dessen Telefonnummer ist sicher parat. HPR-Ansprechpartner hätten Sie über irgendwelche Gymnasiallehrer, Lehrer-Verbände oder -Gewerkschaften erfahren können. Haben Sie den LfDI befragt? Ein Anruf bei Digitalcourage in Bielefeld wäre auch erhellend gewesen!

Unseren derzeitigen Ministerpräsidenten stellen die Grünen, weil seine CDU-Konkurrentin unbedingt Microsoft 365 usw. verpflichtend an Schulen einführen wollte – Gegen den Rat des LfDI. Dummheiten an solchen Stellen können die ganze Richtung beeinflussen! Mehr Hintergrund würde die Zeitungsleser schlauer machen.

Adalbert Hanßen, Aalen