Wer die Wahl hat, hat die Qual. Und die im November anstehende Präsidentschaftswahl in den USA stellt vor allem für diejenigen Wähler dort eine Qual dar, die die Spaltung gründlich satthaben und sich mehr Zusammenhalt wünschen, um ihr Land weiter nach vorne zu bringen. Auch die gibt es, wusste Elmar Theveßen am Mittwochabend im Bürgerhaus Schranne in Giengen zu berichten, vor allem junge Leute seien es, die Sehnsucht nach Einigkeit verspürten, und es sei eine wachsende Gruppe.
Tiefe Einblicke in den Zustand der USA und seiner Bevölkerung erhielten die zahlreichen Zuhörer der ausverkauften Veranstaltung. Rund drei Stunden lang gab der langjährige Korrespondent des ZDF in Washington bereitwillig Antworten auf die von Peter Müller, Gemeinderat in Hermaringen, der den hochkarätigen Gast auch für diese Veranstaltung gewinnen konnte, gestellten Fragen. Fundiert, kompetent und wortgewandt, wie er aus seinen Fernsehbeiträgen bekannt ist, fesselte Theveßen mit seiner Wahrnehmung des aktuellen Zustands in den USA genauso wie mit seinen Erkenntnissen und Einschätzungen.
Biden „geistig topfit“
Die Frage Joe Biden oder Donald Trump stellen sich nicht nur die Wähler in den USA, sondern auch der Rest der Welt blickt gespannt darauf. Und fragt sich eben das, was auch Peter Müller fragte: Ist Joe Biden nicht zu alt? Lassen nicht sein Verhaspeln in Reden und seine Vergesslichkeit darauf schließen, dass er dem Amt nicht mehr gewachsen sei? „Dann hören Sie doch mal eine Rede von Donald Trump an“, entgegnete Theveßen: Trump verhasple sich auch, sei auch vergesslich und viele seiner Sätze seien komplett sinnfrei. Und Trump sei immerhin auch bereits 77 Jahre alt. Biden hingegen habe er als „geistig topfit“ erlebt, der seine Ansichten in gestochen scharfen Sätzen herüberbringen könne. Den Erfolg Trumps führt Theveßen darauf zurück, dass er für viele Stärke und Energie ausstrahle.
Bidens Maßnahmen hingegen – die Pakete für Infrastruktur, für Klimawandel, Investitionen in Zukunftstechnologien – seien ordentlicher Antrieb für die Wirtschaft gewesen: 3 Prozent Wachstum, knapp 4 Prozent Arbeitslosigkeit, eine Kriminalitätsrate so niedrig wie in den 1960er Jahren ließen die USA deutlich besser dastehen als vor der Pandemie. „Der größte Windpark der Welt liegt in Texas“, berichtete Theveßen, gerade in strukturschwachen Gegenden seien neue Fabriken und Arbeitsplätze entstanden und jede Menge neuer Schulen seien entstanden. Biden habe sogar verschärfte Maßnahmen gegen illegale Zuwanderung vorgeschlagen, was allerdings ausgerechnet von den Republikanern abgelehnt worden sei, „weil das als Wahlkampfthema so wunderschön ist“.
Dass Bidens Erfolge bei vielen amerikanischen Bürgern nicht wahrgenommen werden, erklärte Theveßen damit, dass die Lebenshaltungskosten, vorrangig die für Lebensmittel, angestiegen seien, was das Gefühl aufkommen lasse, die Verhältnisse hätten sich verschlechtert. Und Kamala Harris, die doch vor vier Jahren als Hoffnungsträgerin gefeiert wurde? „Sie ist unbeliebter als Biden“, berichtete Theveßen. Ungerecht sei das, fand er, denn sie sei in ihrem Engagement unermüdlich.
„Diktatur am ersten Tag“
Auf Peter Müllers Frage, was passiere, wenn Trump gewinne, verwies Theveßen auf Trumps Ausspruch von der „Diktatur am ersten Tag“, und damit: „Zuwanderer rausschmeißen, 50.000 Regierungsbeamte entlassen und ersetzen durch willfährige Gefolgsleute und Verfolgung politisch Andersdenkender mit allen Mitteln“. Die Wahl Trumps sei auch dann möglich, wenn dieser – was bei 91 Anklagepunkten in vier Verfahren nicht unmöglich wäre – im Gefängnis wäre. Dann müsste der Oberste Gerichtshof entscheiden, was höher einzuschätzen sei: der Wählerwille oder die Straftaten. Und die Journalisten seien dann mit Sicherheitswesten und Helmen unterwegs.
Aus den Zuschauerreihen kam die nicht weniger spannende Frage, was denn passiere, wenn Trump nicht gewinne, ob er dann die Wahl akzeptieren werde. Trump selbst habe diese Frage unbeantwortet gelassen. Theveßens Einschätzung nach sei allerdings mit Akzeptanz wohl weniger zu rechnen. „Die Anfechtung könnte dann auf rechtlichem Weg erfolgen, aber auch mit Gewalt.“ In diesem Zusammenhang schilderte er auch die Ereignisse anlässlich des Sturms auf das Capitol, den er selbst miterlebt hat: Ganz wenig Polizei sei vor Ort gewesen, es habe nur halbhohe Absperrungen gegeben, Trump-Anhänger seien mit Beschimpfungen und Bedrohungen aufgetaucht und bei ihrem Gewaltgebaren sei einiges an Equipment anderer Sender von hohem Wert zerstört worden. Ihm sei klar gewesen, „wenn wir bleiben, dann sind wir die nächsten“. Immerhin seien die Trump-Anhänger in ihrem Selbstverständnis so unvorsichtig gewesen, die Bilder ihres Tuns selbst ins Internet zu stellen: „ein Fest für die Staatsanwaltschaft“. Der Sturm sei „schon sehr gut organisiert“ gewesen, und Waffen seien bereits parat gelegt gewesen, „und viele haben sich dann mitreißen lassen“.
Russischer Geheimdienst im USA-Wahlkampf
Wie denn das Verhältnis Donald Trump und Wladimir Putin einzuschätzen sei, auch die Frage tauchte auf. Nach Meinung Theveßens halte sich Trump für den besten „Dealmaker“ überhaupt, und in diesem Glauben gehe Trump wohl davon aus, Putin jederzeit um den Finger wickeln zu können. Putin umgekehrt allerdings werde wohl ähnlich denken. Theveßen verwies auch darauf, dass der russische Geheimdienst seit Jahren erfolgreich Wahlkampf für Trump mache, wobei auch Bots zur Manipulation beitragen.
Elmar Theveßen, dessen nächste Station die Sicherheitskonferenz in München sein wird, ging auch auf die Themen Gaza-Streifen, Ukraine, Medien und deren Macht und Glaubwürdigkeit und Auswahl ein. Die Zuhörer, die dem blitzgescheiten Redner förmlich an den Lippen hingen, erfuhren aber auch, was der aus Viersen stammende Journalist in den USA am meisten vermisse: Wiener Schnitzel.
Und ganz ohne Hoffnung ließ er die Zuhörer auch nicht gehen: Von jener Gruppe berichtete er, die eben von all den Streitereien die Nase voll habe und Konzepte gegen die Spaltung entwickele, und auch von den sogenannten „No Labels“, die überlegen, in einem Gespann aus Demokraten und Republikanern in den Wahlkampf zu ziehen, was massive Auswirkungen haben könne. „Der Keim dafür, dass es besser wird, ist durchaus da“, so Theveßen. Und das sei auch erforderlich: Denn schließlich stehe der 250. Geburtstag der USA im Jahr 2026 an.
Ohne Gage zugunsten Ukraine-Hilfe
Der Vortragsabend wurde veranstaltet vom Verein Heidenheim-für-Ukraine.de, dem Oberbürgermeister Dieter Henle in seiner Begrüßung jederzeitige Unterstützung zusagte. So konnte der Verein die Schranne und die dortige Technik für die Veranstaltung nutzen. Dafür bedankte sich Vereinsvorsitzende Jasmin Glänzel-Seibold, aber auch Peter Müller erhielt ihren Dank und den Henles dafür, dass er den Kontakt zu Elmar Theveßen hergestellt und ihn nach Giengen geholt hatte. Das größte Dankeschön ging an den Redner selbst: Elmar Theveßen hatte für diesen Abend auf Gage zugunsten der Ukraine-Hilfe verzichtet.