Ab Herbst soll die Giengener Stadtkirche renoviert werden: Was genau geplant ist
Pfarrer Dr. Joachim Kummer von der evangelischen Kirchengemeinde weiß die Bedeutung dieser Renovierung auf den Punkt zu bringen: "Es geht um das Wahrzeichen Giengens, das geht uns alle an", sagt er. Die nötigen Bauarbeiten anzugehen, sei für alle Giengener eine wichtige und schöne Sache, nicht nur für diejenigen, die sonntags den Gottesdienst besuchten.
An dieser Stelle sei aber direkt Entwarnung gegeben: Trotz der geplanten Renovierungsarbeiten soll es keine direkten Auswirkungen auf die Gottesdienste geben, sie können laut Kummer weiterhin stattfinden. "Unter Ludwig Kreh wurden bei einer Renovierung die Gottesdienste mal in die Spitalkirche verlegt, das brauchen wir dieses Mal aber nicht", vergleicht er. Alle Pläne für die kommenden Jahre, so erklärt er, beziehen sich lediglich aufs Äußere der Kirche.
Schon seit etlichen Jahren in schlechtem Zustand
Gehen wir zunächst einen Schritt zurück. Oder gleich mehrere: Als Kummer vor bald zwölf Jahren nach Giengen kam, dachte er sich bereits, dass an diesen Türmen etwas gemacht werden müsste. "Sie stachen grau vor dem weißen Gebäude ab", erinnert er sich an seinen Eindruck von damals, der sich über die Jahre natürlich nicht gebessert hat. Dass aus der Angelegenheit eine so große werden würde, hätte Kummer trotzdem nicht gedacht.
In der diesjährigen Stäffelespredigt im Rahmen des Kinderfests ging er auf die Geschichte des Bauwerks ein, das Bauelemente aus einigen Kulturepochen vereint, sei es Romanik, Gotik, Renaissance, Barock oder Jugendstil. Die sechs Pfeiler samt ihrer runden Bögen beispielsweise zeugen noch heute von der Romanik. Die Türme, auch das sei an dieser Stelle noch mal kurz erklärt, haben einen besonderen Hintergrund. Der Bläserturm, einst Teil der staufischen Stadtbefestigung, wurde erst im 14. Jahrhundert als Kirchturm genutzt, gleichzeitig entstand der zweite, ein gotischer Turm, in dem sich die Kirchenglocken befanden. Nach dem verheerenden Stadtbrand in Giengen musste der Bläserturm erst mal repariert werden, der Glockenturm musste sogar abgebrochen und neu gebaut werden, diesmal im Barockstil 1711 und angefertigt von einem katholischen Baumeister aus Ichenhausen.
Risse in der Fassade und graue Stellen
Damit zurück ins Heute. Die Türme haben dringend einen neuen Anstrich nötig, außerdem durchziehen Risse die Fassade - vertikale am Glockenturm, horizontale am Bläserturm. "Unter der unteren Turmhaube geht ein Riss rundherum", beschreibt Kummer. Er erklärt, dass der Glockenturm auf einen Stahlträger gesetzt und eingemauert worden ist. "Früher hat man einige Holzträger durch Stahlträger ersetzt, weil man dachte, dass sie robuster sind." Mittlerweile wisse man, dass das Gegenteil der Fall sei. Die Stahlträger würden irgendwann brechen, außerdem werde in dieser Konstruktion zu viel Schwingung an die Fassade weitergegeben werden. Kurzum: An den Glockenstuhl müssen die Handwerker ebenfalls ran. "Das Wichtigste für uns ist, dass die Glocken schnell wieder läuten können", betont Kummer. Eingerüstet würden die Türme nicht gleichzeitig, sondern erst der eine und dann der andere. Die Kosten für den ersten Bauabschnitt, die vorherigen Gutachten eingerechnet, beziffert Kummer auf 780.000 Euro.
Das Geld für die Renovierung, insgesamt rechnet die Kirchengemeinde mit dreieinhalb Millionen Euro, kommt von allen möglichen Seiten, mitunter ist Kummer zufolge durch alte Verträge auch die Stadt mit im Boot. "Wir sind froh, dass Oberbürgermeister Dieter Henle und der Gemeinderat mitziehen." Es gebe aber noch einige offene Fragen bezüglich der Finanzierung, die es zu klären gilt, etwa die, ob die Stadtkirche aufgrund ihrer Bedeutung nicht nur bei der Denkmalstiftung Baden-Württemberg, sondern gleich auf Bundesebene bei der Deutschen Stiftung Denkmalschutz vorgeschlagen werden soll. Momentan lägen noch Gutachten bei der Unteren Denkmalschutzbehörde, der zuständige Architekt für die Bauarbeiten ist Elmar Weber aus Langenau. Nach den Türmen sollen weitere Bauabschnitte folgen, die das gesamte Gebäude betreffen. "Es geht einmal rundherum und über Jahre. Wir hoffen, dass es jetzt im Herbst losgehen kann", so Kummer.
"Die Kirche, ein Biotop"
"Es kommt, und zwar auf alle Fälle, der Vogelschutz an erster Stelle", so sagte es Pfarrer Dr. Joachim Kummer bei der Stäffelespredigt. Was er damit meinte: Weil an der Stadtkirche der Wanderfalke brütet, weil dort Mauersegler und Fledermäuse leben, werden die Baustellen in den kommenden Jahren rund um die Stadtkirche allesamt Winterbaustellen sein, um die Tiere beim Brüten nicht zu stören.