Geboren und aufgewachsen bin ich in Giengen und habe später meine Ausbildung zur Reiseverkehrsassistentin in Heidenheim absolviert. Da ich bereits von Kindheit an ein Reisevogel war, wunderte es auch niemanden, dass ich 1998 zu einem längeren Auslandsaufenthalt ins ferne Minnesota (USA) aufbrach, um dort eine High School zu besuchen.
Nachdem ich anschließend immer wieder mit dem Rucksack durch Afrika unterwegs war, ging ich 2015 auf meine erste Kreuzfahrt. Ich war eine Woche in Nordeuropa unterwegs, als mich das Kreuzfahrt-Virus erwischt hat. Auf den folgenden Reisen wurde das Herz bei der Abreise immer schwerer und somit entstand die Idee, irgendwann einmal etwas länger an Bord eines Schiffes verbringen zu wollen. Plötzlich reichte mir der Urlaub nicht mehr. Ich wollte auf einem Schiff wohnen, arbeiten und leben.
Nachdem die Idee immer weiter in mir herangewachsen war, bewarb ich mich einfach im Rahmen einer Initiativbewerbung bei AIDA Cruises. Innerhalb von sieben Tagen erhielt ich die Zusage und auch bereits meinen ersten Einsatztermin auf einem der bunten „Kussmund-Schiffe“.
Nun ging es an die Planung und ich absolvierte in Hamburg mein „Basic Safety-Training“. Dort mussten wir vom einfachen Feuerlöschen über Rettungsboot fahren, in einen brennenden Container steigen und in voller Ausstattung inkl. Gasmaske und allem Drum und Dran einen Brand löschen bis zum freien Fall im Boot aus 10 Metern Höhe alle möglichen Notfälle durchleben. Erst nachdem dies alles erfolgreich absolviert und alle drei Prüfungsteile auf Englisch bestanden waren, erhielten wir das Seeleute-Zertifikat.
Fremde Menschen, neue Länder & Kulturen: Unterwegs auf einem Kreuzfahrtschiff
Kurz darauf ging es los zu meinem ersten Einsatz auf dem größten und neuesten Schiff – der AIDAcosma. Vom ersten Tag an habe ich mich dort wohlgefühlt. Es ist eine tolle Chance, fremde Menschen, Länder und Kulturen kennenzulernen. Jeder Kulturkreis verhält sich anders und kommuniziert anders, das merkt man bei der Zusammenarbeit. Man muss sich an Bord immer wieder auf andere Menschen und Situationen einstellen und entwickelt sich dadurch selbst enorm weiter.
Bei uns an Bord arbeiten und leben teilweise über 1000 Crewmitglieder aus bis zu 50 Nationen, aus mehreren Religionen, friedlich und freundschaftlich, 24 Stunden am Tag, zusammen. Wäre die Welt ein Kreuzfahrtschiff, so wäre sie friedlich.
Ich leite an Bord das Reisebüro und bin jeden Tag im Einsatz, sieben Tage die Woche. Feiertage, Wochenenden oder Urlaub gibt es nicht. Ich weiß auch teilweise gar nicht, welchen Tag wir gerade haben. Ich bringe Tausenden von Passagieren die Welt näher, darf sie aber auch für mich selbst entdecken.
Dass es an Bord weder Freizeit noch Privatsphäre gibt, stimmt jedoch absolut nicht. Ob abends mit den Kollegen in der Crewbar bei einem Getränk oder beim Spielen zusammensitzen, an den offiziellen Partys auf dem Pooldeck teilnehmen oder sich für einige Stunden im Spa-Bereich zu erholen: dies sind die Momente, aus denen wir als Crew unsere Energie für die Monate an Bord ziehen.
Fast jeden Tag ein neues Land: 84 Häfen in 46 Ländern
Hier an Bord lebe ich als Offizier in meiner Einzelkabine und kann mich daher auch einfach mal zurückziehen, wenn ich Ruhe auf einem Schiff mit Tausenden von Menschen möchte. Da ich im Dienst meine Uniform (die zwei Streifen zieren, zwei weniger als der Kapitän sie hat) trage, musste ich es mir erstmal angewöhnen, dass nicht der ganze Kleiderschrank auf Reisen mitgenommen werden muss. Man lernt mit der Zeit, mit weniger Gepäck zu reisen.
Doch das Schönste ist, jeden Tag an einem neuen Ort und meistens auch in einem neuen Land aufzuwachen. Dadurch habe ich in meinen bisherigen Einsätzen bereits 84 Häfen in 46 Ländern besucht sowie Land und Leute erlebt.
Wenn mich jemand nach dem bisherigen Highlight meiner Reisen fragt, muss ich schon etwas länger überlegen und kann kein einzelnes Highlight benennen. Ob es die Polarlichter über den Lofoten oder am Nordkap waren. Oder aber, erst vor wenigen Wochen, die atemberaubende und beeindruckende Kulisse der Felsenstadt Petra in Jordanien. Oder der Besuch der Geburtskirche in Bethlehem und diverse Fahrten durch den spektakulären Suezkanal. Richtig schwierig.
Am Polarkreis habe ich Bekanntschaft mit Rentieren und Huskys gemacht, während ich in der Karibik mit Rochen, Walhaien und Schildkröten geschwommen bin. Einen Cappuccino mit Blattgold durfte ich auf dem höchsten Gebäude der Welt – auf dem Burj Khalifa in Dubai – genießen. Ebenso die authentische Küche Italiens, Griechenlands und Israels erleben. Ein Highlight war auch eine Regenwaldwanderung durch Dominica, bei der ich in dieser unberührten Natur Tieren begegnet bin, von deren Existenz ich nicht mal wusste. Während ich wiederum auf Aruba den Mittagsschlaf auf meiner Sonnenliege neben den rosafarbenen Flamingos genießen konnte. Auch wenn ich eines Tages wieder in die „normale“ Berufswelt an Land zurückkehre – dies sind Eindrücke, die mir keiner mehr nehmen kann.
Während meiner Einsätze sind auch sehr enge Freundschaften entstanden. Ob unter uns Crewmitgliedern, die man immer wieder auf einem der nächsten Einsätze trifft. Oder die Freude darüber, Menschen zu begegnen, die an den entferntesten Orten dieser Welt leben. In Norwegen serviert mir der Kellner im Café schon immer unaufgefordert meinen Lieblingskaffee und die beste Zimtschnecke, die es überhaupt gibt.
Wie es ist, auf einem Kreuzfahrtschiff zu arbeiten
Die Arbeit an Bord war anfangs sehr herausfordernd. Doch ich wusste, worauf ich mich einlasse. Wir sind in der Regel vier Monate an Bord und haben anschließend zwei Monate Urlaub. Den Zeitraum können wir uns selbst aussuchen. So sehr ich meinen Job mag – ein Nachteil ist die Entfernung zu meiner Familie. Jedoch stehen wir dauerhaft in Verbindung und ich genieße die Zeit zu Hause viel intensiver als ohnehin schon.
Auch Weihnachten wird in diesem Jahr nicht mit geschmückten Palmen, sondern mit der Familie in der schwäbischen Heimat gefeiert. Und endlich wieder selbst gekocht und gebacken. Denn dies ist – neben neben meinen Lieben – das, was mir am meisten auf dem Schiff fehlt.
In diesem Sinne wünsche ich allen Leserinnen und Lesern friedvolle und schöne Weihnachten, sowie einen guten Start in ein glückliches aber vor allem gesundes Jahr 2024.