Es ist recht ruhig in der großen Halle, als die Gruppe hereinkommt. Einige Angestellte räumen Regale ein, andere stehen am surrenden Band und bekleben Pakete, die an ihnen vorbeifahren und wieder andere laufen die Gänge entlang, auf dem Weg zur nächsten Aufgabe. Das Klima ist mild und aus Lautsprechern ist gedämpft Pop-Musik zu hören. Es ist etwa 8.30 Uhr und die Frühschicht im Giengener Amazon-Standort neigt sich dem Ende zu. Um 2 Uhr hat der Arbeitstag für die Männer und Frauen begonnen, um 22.30 Uhr dürfen die Angestellten der dritten Schicht nach Hause gehen. Die tägliche Mission erklärt Steffen Adler, PR-Manager für Logistik bei Amazon: „Die Sendungen pünktlich auf Tour bringen.“
Im Rahmen einer Führung für HZ-Leser gaben Adler und Standortleiter Ilir Ramizi Einblicke in die Arbeit von Amazon in Giengen. Die über 6000 Quadratmeter große Halle im Gewerbegebiet an der A7 ging im Juni 2022 in den Betrieb. 145 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden beschäftigt, zu Weihnachten steigt deren Zahl durch kurzfristige Beschäftigung auf 180 bis 190. Einstiegsgehalt: mindestens 15 Euro je Stunde. „Wir fühlen uns wohl hier“, sagt Adler, der sich über das positive Miteinander mit den benachbarten Betrieben freut. Im ersten Jahr sei es hauptsächlich darum gegangen, anzukommen, inzwischen würden sich die Prozesse aber immer besser einschleifen. „Alle Erwartungen für den Standort laufen stabil“, so der PR-Manager.
Vom Klick bis zum Kunden
Bevor die Pakete in Giengen auf die sogenannte letzte Meile zum Kunden geschickt werden, durchlaufen sie mehrere Stationen. Wie Adler berichtet, landet die Online-Bestellung zunächst in einem Logistikzentrum. Das nächstgelegene liegt in Graben bei Augsburg, hat rund 1900 Mitarbeiter und lagert über 20 Millionen Artikel – unsortiert. „Ohne Computer finden Sie da nichts“, berichtet Adler lachend. Sind die Pakete gepackt, werden sie mit dem Lkw in ein Sortierzentrum (zum Beispiel in Erding bei München) gebracht, das die Bestellungen sammelt und nach Regionen aufteilt. Kommt bereits im Logistikzentrum ein voller Lkw für die Region zusammen, geht es direkt nach Giengen. Die letzte Meile reicht laut Standortleiter Ramizi im Süden bis zur A8, im Norden bis Crailsheim, im Westen bis Esslingen und im Osten bis Dillingen.
Im Laufe der Nacht kommen zwischen acht und zwölf Lkw in Giengen an. Kurz darauf beginnt die werksinterne Reise der Bestellung. Mitarbeiter am Anfang des Bands scannen die Pakete und versehen sie mit einem Aufkleber, der zeigt, wo es einsortiert werden soll. Ein lernendes System berechnet dafür den Hallenbereich, das Regal und das passende Fach. „Ein wenig Tetris ist das schon“, sagt Adler. Wenn die ersten Fahrer ab 10 Uhr in die Halle kommen, wurden „ihre“ Pakete bereits in Rollbehältern zum Einladen vorbereitet. Eine Art Navi zeigt, wo welches Paket ausgeliefert werden muss.
Rund 140 Routen starten täglich von Giengen aus, insgesamt liefern etwa 200 Fahrer Pakete aus Giengen für Amazon aus. Die Firma least dafür Fahrzeuge von Lieferpartnern, deren Angestellte die Bestellungen auch ausfahren.
Diese besonderen Regeln gelten bei Amazon
Bei Amazon soll alles nach einer exakten Ordnung laufen, das wird bei der gut zweieinhalbstündigen Führung klar. Ein Beispiel: Erst wenn alle Lieferwagen in der zweiten Fahrzeugreihe stehen, dürfen die Fahrer in der ersten Reihe aussteigen. Auf die Sicherheit wird großer Wert gelegt. An der Ausfahrt aus dem Gelände weist ein Schild die Fahrer an, nur rechts abzubiegen – niedrigeres Unfallrisiko. PR-Manager Adler macht klar: „Wir geben ein Zustellversprechen und benötigen dafür eine klare Taktung.“ Um die Angestellten täglich an ihre Verantwortung zu erinnern, sind die Mottos des Weltkonzerns auf bunten Schildern in der Kantine zu lesen. Etwa „deliver results“ („liefert Ergebnisse“). 90 Prozent der Bestellungen werden ihm zufolge pünktlich oder früher beim Kunden abgeliefert.
In jedem Meetingraum liegt ein Kissen, das den Kunden symbolisiert.
Steffen Adler, PR-Manager Logistik bei Amazon
Kunde soll das entscheidende Stichwort bei Amazon sein. „In jedem Meetingraum liegt ein Kissen, das den Kunden symbolisiert“, sagt Adler, der für Deutschland, Österreich und die Niederlande zuständig ist.
So will Amazon die Mitarbeiter bei Entscheidungen einbinden
Trotz klarer Vorgaben und dem täglichen Druck, alle Bestellungen auf Tour zu bringen, betonen Adler und Ramizi: „Wir setzen auf offene Kultur und direkten Austausch.“ An der Kantinenwand steht dazu: „Have backbone, disagree and commit“. Rückgrat haben, widersprechen und sich engagieren. So würden immer wieder Verbesserungsvorschläge der Angestellten zunächst in einem der über 60 Verteilzentren in Deutschland getestet und später gegebenenfalls an allen Standorten etabliert.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zeigten sich bei der Führung interessiert und stellten einige Fragen. Unter anderem wollte ein HZ-Leser wissen, ob es einen Betriebsrat im Verteilzentrum gebe. Wie Adler berichtete, werden an immer mehr Standorten Betriebsräte gebildet, in Giengen gebe es jedoch keinen. Eine Leserin wollte wissen, warum das Hallendach nicht mit Solar- oder Photovoltaikanlagen bebaut wurde. „Wir sind hier Mieter, deshalb ist das schwierig“, antwortete der PR-Manager.
Zwei Teilnehmerinnen zeigten sich beeindruckt. „Das ist schon faszinierend“, staunte eine Frau beim Gang durch die Halle. Eine andere bedankte sich bei Adler und Ramizi: „Bei mir haben Sie mit Vorurteilen aufgeräumt.“
Transparenzhinweis: Der Besuch von HZ-Lesern im Verteilzentrum hätte auch ohne Berichterstattung dazu stattgefunden.
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