Beitrag zu Energiewende

Warum die Baders aus Sachsenhausen ihre Biogasanlage wieder unter die Lupe nehmen

Eine neue Förderung, die jüngst im Bundestag beschlossen wurde, könnte Biogasanlagen mehr denn je in die Versorgungssicherheit einbinden. Bei der Familie Bader in Sachsenhausen denkt man deshalb über ein Umrüsten der eigenen Anlage nach.

Wer von Hohenmemmingen nach Sachsenhausen fährt, sieht die Biogasanlage der Baders südlich des Dorfs von Weitem. Ein Feldweg führt zickzack auf den Betriebshof. Aus dem Pultdachgebäude dringt das Brummen des Motors, der das Gas zur Stromerzeugung verbrennt. Daneben wölben sich die Kuppeln des Fermenters, in dem das Gas entsteht, und des Lagerbehälters für die Gärreste. Dahinter liegen in haushohen Silos die Silagen, die zusammen mit Gülle die Rohstoffe bilden. Es riecht an diesem nebligen Morgen schwach nach siliertem Gras und Mais. Hier geht es um robuste Technik und ums Anpacken und um nichts, was in Hochglanzpräsentationen zu sehen wäre. Dennoch hat die Bundespolitik Ende Januar unbewusst auch nach Sachsenhausen geschaut.

Am 31. Januar, unmittelbar vor der Ablehnung des umstrittenen Zustrombegrenzungsgesetzes, wurde im Bundestag über Energiewirtschaftsrecht debattiert und das „Biogaspaket“ verabschiedet. Während Branchenverbände noch im Dezember das Aus für viele Betriebe befürchteten, sieht man nach dem Entschluss deutlich mehr als einen Silberstreif am Horizont. Biogasanlagen, so hofft man, sollen nun doch ein wesentlicher Bestandteil der Energiewende bleiben. Auch die der Baders.

Sachsenhauser Biogasanlage soll zukunftsträchtig werden

Jürgen und Jonas Bader aus Sachsenhausen haben die Verhandlungen sehr genau verfolgt. Jürgen Bader hat Ende 2011 seine Biogasanlage in Betrieb genommen. Sein Sohn Jonas ist nach seiner Ausbildung zum Fachagrarwirt für erneuerbare Energien vor zwei Jahren in das Unternehmen eingestiegen und wird so die Landwirtschaft der Familie in zwölfter Generation weiterführen. Für die Baders ist die jüngste Entscheidung aus Berlin der Impuls, mit dem Rechnen zu beginnen. Zwei oder drei Millionen Euro müssten sie investieren, damit ihre Biogasanlage künftig Teil der Reserve für sogenannte Dunkelflauten wird.

Versorgen einen Großteil Sachsenhausens mit Wärme: Jürgen und Jonas Bader. Rudi Penk

„Wir können Strom liefern, wenn er benötigt wird, das wird die Zukunft der Biogasanlagen sein“, glaubt Jürgen Bader. Bedarfsspitzen für Strom gibt es zum Beispiel, wenn frühmorgens alle Welt die Kaffeemaschinen anstellt und sich die Menschen abends bei Licht ihr Abendessen kochen. Photovoltaikanlagen liefern dann vor allem in Herbst und Winter weniger Strom, und wenn dann auch noch Flaute herrscht, erzeugen auch Windräder wenig Energie. Dann springen bisher zeitweise Großkraftwerke ein, die zügig den benötigten Strom liefern können, Wasserkraftanlagen etwa oder Gaskraftwerke.

Nebenprodukt Wärme versorgt das Dorf

Genau das könnte auch eine Vielzahl von Biogasanlagen leisten. Sie könnten den Strom passgenau zu den Bedarfsspitzen produzieren. In der Debatte läuft dieser Gedanke unter dem Stichwort Flexibilisierung. Für die Baders bedeutet das, sie müssten in größere Motoren investieren, würden für ihre flexiblere Dienstleistung aber auch entlohnt.

Dabei liefert das Familienunternehmen schon jetzt weit mehr als den Strom, der aus den aktuell zwei Motoren mit 590 Kilowatt Leistung kommt. „Wir können Energie in drei Formen speichern“, sagt Jürgen Bader. Sie lagern große Mengen an Biomasse, sie können das Gas zwischenspeichern und puffern zusätzlich die entstehende Wärme in Form von heißem Wasser.

Die Wärme, die bei der Stromproduktion entsteht, hat Sachsenhausen gemeinsam mit Gussenstadt eine Sonderstellung im Landkreis verschafft, denn das „Nebenprodukt“ Wärme versorgt im kleinsten Giengener Teilort derzeit 55 Häuser, eine Computerfirma und das Dorfgemeinschaftshaus mit Warmwasser und Heizenergie. Was überall im Land aktuell im Zuge kommunaler Wärmeplanungen Teil von Gedankenspielen ist, wurde in großen Teilen Sachsenhausens längst umgesetzt.

Fast fünf Kilometer unterirdische Leitungen

Vor 15 Jahren betrieb Jürgen Bader noch einen ganz normalen Bauernhof, sie hatten 150 Rinder und 100 Mastschweine im Stall. Sein Vater starb früh, Bader merkte, dass er allein den Viehbetrieb nicht stemmen konnte. Er machte sich Gedanken, brachte die Biogasanlage an den Start und gab die Tierhaltung nach und nach weitgehend auf. 2012 baute er zunächst eine Wärmeleitung zu seinem Elternhaus, dem eigenen Haus und der Firma Extra-Computer. Die anfängliche Skepsis im Dorf wich einem wachsenden Interesse, also entstand bis Ende 2015 ein Nahwärmenetz, an das 70 Prozent der Sachsenhausener Häuser angeschlossen wurden.

Beeindruckend ist aus heutiger Sicht, dass es damals eine kluge Kooperation gab. Die Stadtwerke Giengen verlegten neue Versorgungsleitungen, die EnBW baute die alten Dachständer ab und verlegte die Stromleitungen im Boden, wo auch das Nahwärmenetz der Baders Platz fand. Zudem ist das Dorf längst mit Glasfaserleitungen bis ins Haus versorgt. Aktuell haben die Baders noch eine Handvoll weiterer Anfragen, sie müssen aber in jedem Fall auch rechnen, ob sich der Leitungsbau lohnen würde. Moderne, energiesparende Häuser haben einen so geringen Wärmebedarf, dass sich die Investition für sie als Anbieter nicht rechnet.

Rund drei Millionen Euro haben die Baders in ihre Anlage gesteckt. Dazu gehören fast fünf Kilometer unterirdische Wärmeleitungen. Für eine Erweiterung müssten sie neben stärkeren Motoren auch einen größeren Warmwasserspeicher bauen und das Speichervolumen für Gas erhöhen. Damit stehen Entscheidungen an, die nicht zuletzt Jonas Bader als künftiger Betreiber treffen muss. Er wolle in der Branche bleiben, sagt der 26-Jährige. Es sei ihm wichtig, das Land etwas weniger abhängig vom Ausland zu machen. „Wir sind gerne Landwirte, wir denken in Generationen“, fügt sein Vater hinzu.

Strom und Wärme aus Gülle und Pflanzen

Die Biogasanlage der Baders wird im Schnitt täglich mit 24 Tonnen Gülle und Mist sowie zwölf Tonnen Feststoffen gefüttert. Dazu gehören Mais, Ganzpflanzensilage oder auch Gras. Einen Teil davon bauen die Baders auf eigenen Flächen an, hinzu kommen Braugerste und Dinkel. Seit 2013 liefern auch Landwirte aus einem Umkreis von maximal zehn Kilometern Gülle und Feststoff zu. Zum Teil beziehen diese auch den nährstoffreichen Gärrest, der als Dünger auf Felder ausgebracht wird.

Pro Jahr erzeugt die Biogasanlage rund 4,4 Millionen Kilowattstunden Strom, genug für etwa 1100 bis 1200 Einfamilienwohnhäuser. Die entstehende Wärmeenergie ersetzt den Baders zufolge jährlich etwa 200.000 Liter Heizöl.

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