Alltagsengel

Bis in die Fingerspitzen: Michaela Bendele lebt fürs Ehrenamt und für die Gymnastik

Jeden Donnerstag trifft sich in Giengen eine Gruppe Seniorinnen zur gemeinsamen Gymnastik. Möglich ist das nur durch den ehrenamtlichen Einsatz von Michaela Bendele, die sich beim DRK zur Gruppenleiterin hat ausbilden lassen. Was treibt sie an? Der zweite Teil der HZ-Serie "Alltagsengel".

Bis in die Fingerspitzen: Michaela Bendele lebt fürs Ehrenamt und für die Gymnastik

Dass sie einmal vor einer Gruppe stehen und Gymnastik vormachen würde, konnte sich Michaela Bendele eigentlich gar nicht vorstellen. Heute ist sie mehr als glücklich mit ihrer Aufgabe und freut sich jeden Donnerstag auf ihre Sportlerinnen, mit denen sie gemeinsam eine Stunde verbringt. "Man wächst in diese Aufgabe hinein", sagt Bendele zufrieden. Die 57-Jährige hat vor vielen Jahren selbst mit Gymnastik angefangen, weil sie krank geworden war und gemerkt hat, dass ihr die Bewegung gut tut. Diese Freude an der Bewegung wollte sie gerne weitergeben und meldete sich deshalb beim Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes, der neue Ehrenamtliche für so genannte aktivierende Hausbesuche gesucht hat.

Eigentlich für Hausbesuche gemeldet

Beim aktivierenden Hausbesuch besuchen Ehrenamtliche des DRK Seniorinnen und Senioren in deren zu Hause und machen dort eine halbe Stunde Übungen mit ihnen. Hinzu kommt eine halbe Stunde Hirnleistungstraining. Natürlich geht das aber nicht einfach so, zuerst musste Bendele sich dafür ausbilden lassen. "Das waren ein paar Wochenenden mit einer anschließenden Prüfung", schildert sie, und ergänzt: "Aktivierenden Hausbesuch habe ich letztlich gar nicht gemacht, weil so dringend Gruppenleiter gesucht worden sind." Daher hat sich Bendele auch dafür ausbilden lassen und macht mittlerweile schon seit 2015 Gymnastik mit den Seniorinnen im Christian-Friedrich-Werner-Haus und damit in einem Raum der evangelischen Kirchengemeinde.

Los geht's jeden Donnerstag um neun. Bendele, die in Sachsenhausen wohnt, kommt immer etwas früher, um alles vorzubereiten. Eine der Sportlerinnen fängt gleich nach dem Hereinkommen mit Bewegung an, indem sie für alle Teilnehmerinnen Stühle im Kreis aufstellt. Bendele unterhält sich ein wenig mit ihr, sie kennt ihre Sportlerinnen alle sehr gut und telefoniert auch unabhängig von der Gymnastikstunde durch ihr Ehrenamt sehr viel mit den ihr bekannten Gesichtern. "Langweilig wird mir gar nie, ganz im Gegenteil", sagt Bendele schmunzelnd.

Eine Stunde nur für die Gruppe

"Beginnen wir mit unserem Spruch", fragt sie in die Runde? Gemeinsam fangen die Seniorinnen damit an, sich zu bewegen, sagen dabei: "Guten Morgen, wir vertreiben alle Sorgen, die Stunde soll uns gehören, wir lassen uns nicht stören." Bendele erinnert die Teilnehmerinnen daran, dass jeder nur so viel machen soll, dass es angenehm bleibt und nicht schmerzt. Dann schaltet sie die Musik ein und legt mit ihrem Programm los, das den gesamten Körper bis hin zu den Fingerspitzen einschließt.

Manche Übungen werden im Stehen gemacht, andere im Sitzen, die Gruppe balanciert wie auf einem Seil, bewegt Arme und Beine wie ein Eisläufer und kämpft sich auch durch die anstrengenden Kniebeugen. Gegen Ende gibt es Übungen für Zweierteams oder für die gesamte Runde, dann müssen sich die Frauen beispielsweise nach hinten über den Kopf ein Kirschkernkissen im Kreis herumreichen. Der Spaß kommt bei all dem nicht zu kurz, etwa dann, wenn Bendele auf dem Stuhl wippt und ihre Teilnehmerinnen dazu anhält, das mal auszuprobieren. "Genau das hätten wir als Kinder nie machen dürfen", wirft eine der Frauen lachend ein.

Neben der Gymnastik ist es vor allem das, was Michaela Bendele bei ihrem Ehrenamt so genießt: die tolle Gemeinschaft. Zweimal im Jahr besucht sie Fortbildungen und steht bis heute mit anderen Ehrenamtlichen in Kontakt, die mit ihr die Ausbildung absolviert haben. "Das ist einfach toll", sagt Bendele.

Unbezahlbare Tätigkeit

Von Herzen dankbar für den Einsatz von Bendele und ihren vielen Mitstreiterinnen und Mitstreitern im Kreis Heidenheim ist Angela Zell, die die sozialen Projekte des DRK-Kreisverbands koordiniert. Sie erklärt, dass die ehrenamtlichen Mitarbeiter lediglich eine kleine Aufwandsentschädigung erhalten und die Ausbildungen, Fortbildungen, Kleidung und das Material vom DRK bezahlt kriegen. "Unsere Alltagsengel agieren aus ihrer eigenen, wertegeleiteten Überzeugung heraus. Vielleicht kann man so eine Tätigkeit auch gar nicht mit Geld aufwiegen, weil es unbezahlbar ist, jemand anderem einen Teil seiner Lebenszeit zu schenken", beschreibt Zell.

Hier alle Teile der HZ-Serie "Alltagsengel" lesen, in der es um Menschen geht, die häufig im Verborgenen Gutes tun, für die Gesellschaft aber unersetzbar sind.

Weitere Engel für die Gymnastik gesucht

Für die Seniorengymnastik des DRK-Kreisverbands fehlt Angela Zell zufolge, Koordinatorin der sozialen Projekte, der Nachwuchs. "Unsere Warteliste im aktivierenden Hausbesuch steigt und Gruppen in der Seniorengymnastik mussten bereits aufgelöst werden", bedauert sie. In Zeiten der Work-Life-Balance sei es immer schwieriger, Menschen für ehrenamtliche Tätigkeiten zu gewinnen. Durch möglichst gute Betreuung versucht Zell, den Ehrenamtlichen ihre Freude an ihrer Tätigkeit zu bewahren. "Wenn aber von außen langfristig gesehen keine zusätzlichen Anreize für die Übernahme eines Ehrenamts kommen, sehe ich schwarz für die Gewinnung von langfristigen Alltagsengeln."

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