Urteil für die Giengener Brandstifterin: Das waren ihre Motive
Der dritte und letzte Tag der Verhandlung des Schöffengerichts Heidenheim gegen eine 31-jährige Brandstifterin war lang und endete dramatisch. Nach dem Urteil, einer Haftstrafe von drei Jahren und zwei Monaten, rastete die Angeklagte aus und war kaum zu beruhigen.
Bis zuletzt hatte sie wohl darauf gehofft, in einer Entzugsanstalt untergebracht zu werden. Doch das Gericht sah ihren Alkoholkonsum nicht als Ursache ihrer Taten, und auch die psychischen Beeinträchtigungen seien nicht so gravierend, dass sie eine Schuldunfähigkeit der Angeklagten begründen würden. Amtsgerichtsdirektor Rainer Feil ordnete wegen drohender Fluchtgefahr der inzwischen obdachlosen Angeklagten sofortige Haft an.
Bereits im Prozess war es immer wieder Thema gewesen, dass die junge Frau eine nur sehr geringe Frustrationsgrenze hat und aggressiv wird, sobald die Dinge nicht nach ihrer Vorstellung laufen. Die ärztliche Direktorin der Klinik für Forensische Psychiatrie in Bad Schussenried, Dr. Claudia Hartmann-Rahm, die im Prozess als Sachverständige auftrat, wollte die Angeklagte deshalb auch nicht mit zurück in die Klinik nehmen, wo die 31-Jährige sechs Monate bis zur Verhandlung untergebracht war. Zu groß sei die Gefahr, dass es aufgrund ihrer unkontrollierten Aggression in der Nacht zu Problemen kommen werde. Letztendlich wurde die Angeklagte noch am Abend von der Polizei direkt aus dem Gerichtssaal in die Vollzugsanstalt nach Schwäbisch Gmünd gebracht.
Mit zwei Bränden will die Angeklagte nichts zu tun haben
Drei Tage lang hatte die Angeklagte zu den ihr zur Last gelegten Bränden und weiteren Vergehen geschwiegen und wirkte oftmals völlig desinteressiert. Dabei hatte sie zumindest in zwei Fällen Menschen in Lebensgefahr gebracht: Im Februar dieses Jahres legte sie Feuer in der Wohnung eines Mietshauses an der Barbarossastraße in Giengen, im April zündelte sie im Treppenhaus einer Notunterkunft an der Nördlinger Straße in Heidenheim. Außerdem fackelte die Angeklagte das Auto einer Mitbewohnerin in einer Unterkunft am Pommernweg in Giengen ab.
Zahlreiche Zeugen wurden zu diesen und weiteren Vorfällen gehört. Die Angeklagte jedoch schwieg hartnäckig. Erst am letzten Prozesstag nahm sie schließlich ein Angebot der sachverständigen Psychiaterin an, ihr im Beisein ihres Anwaltes Ulrich Carle Auskunft zu geben. Den mehrfachen Widerstand und die Tätlichkeiten gegen Polizeibeamtinnen und –beamte gab sie in diesem Gespräch zu, ebenso einen Betrug und gefakte Notrufe. Mit dem Brand des Pkw und dem Feuer im Treppenhaus an der Nördlinger Straße in Heidenheim behauptete sie aber nichts zu tun zu haben. Stattdessen lenkte sie den Verdacht auf ihren Exfreund.
Wie die Sachverständige weiter berichtete, räumte die Angeklagte ihr gegenüber ein, den Brand in ihrer Wohnung an der Barbarossastraße in Giengen selbst verursacht zu haben. Sie habe in der Zeit mehrfach Suizidversuche mit Medikamenten unternommen. An diesem Abend habe sie eine brennende Zigarette neben sich aufs Sofa gelegt, in der Hoffnung vielleicht so zu sterben. Die Psychiaterin ließ sich davon nicht beeindrucken. Sie war nicht überzeugt, dass die Angeklagte wirklich vorgehabt habe zu sterben. Sie habe ja auch die verqualmte Wohnung einfach verlassen. Vielmehr gehe es der Angeklagten um Aufmerksamkeit und darum, Ärger und Frust abzubauen, so Dr. Hartmann-Rahm.
Keine erhebliche Einschränkung durch Alkohol oder psychische Probleme
Die Angeklagte habe ihr gegenüber geäußert, dass sie ihr Leben in den Griff bekommen wolle und ihre Impulsivität und Alkoholsucht behandeln lassen möchte. Beides setze jedoch die Bereitschaft voraus, selbst Verantwortung zu übernehmen. Dies habe die Angeklagte ihr jedoch nicht vermitteln können.
In ihrem Gutachten ging Dr. Hartmann-Rahm detailliert auf die Biografie der Angeklagten ein und beschrieb sowohl deren schwierige familiären Umstände, als auch verschiedene psychische Störungen der jungen Frau. Doch weder durch diese psychischen Beeinträchtigungen, noch durch die Alkoholsucht der Frau, sah sie deren Einsicht und Steuerungsfähigkeit zur Zeit der Taten erheblich beeinträchtigt. Die Taten hätten überlegtes strategisches Handeln erfordert und die Zeugen hätten übereinstimmend ausgesagt, dass sie die Angeklagte als aggressiv, aber nicht betrunken wahrgenommen hätten. Im Übrigen räumte sie einem Alkoholentzug nur eine geringe Erfolgschance ein. Bereits zweimal sei es nach solchen Behandlungen nach kurzer Zeit zu Rückfällen gekommen.
Staatsanwalt Peter Laiolo hatte keine Zweifel daran, dass die Angeklagte für alle drei Brände verantwortlich war. Auch wenn die Feuer in den Gebäuden für die Bewohner glimpflich ausgegangen seien, hätten sie ebenso in einer Katarstrophe enden können. Er forderte eine Haftstrafe von drei Jahren und zwei Monaten. Verteidiger Ulrich Carle verwies auf die schwierige Biografie seiner Mandantin. Eigenverantwortung zu übernehmen, habe sie nicht gelernt. Sie habe den Wunsch nach einem geregelten Alltag, möchte eine Ausbildung machen und ihre Tochter wieder öfters sehen. Er bat darum, der Angeklagten eine Chance zu geben und sie anstatt ins Gefängnis zu schicken, in eine Entzugsklinik einzuweisen.
Das Schöffengericht nahm sich lange Zeit zur Beratung, zeigte sich aber schließlich in allen Punkten von der Schuld der Angeklagten überzeugt, die daraufhin in Tränen ausbrach.
Richter Feil über die Angeklagte: Wie ein roter Faden - wo sie wohnt, brennt es
In seiner Begründung führte Richter Feil aus, dass nie jemand die Angeklagte beim Legen eines Feuers beobachtet habe. Im Falle des Brandes an der Barbarossastraße sei die Beweislage aber relativ dicht und vermutlich habe die Angeklagte deshalb auch Zugeständnisse gemacht. Man gehe jedoch auch bei den anderen beiden Bränden von der Schuld der Angeklagten aus, denn die junge Frau sei nicht nur einschlägig vorbestraft: „Es gibt einen roten Faden: Überall wo Frau W. wohnt, gibt es einen Brand“, so Feil. Dem Feuer an der Barbarossastraße sei ein Streit mit ihrem Lebenspartner vorausgegangen, und die Angeklagte habe ihre Gefühle aus Wut und Verzweiflung nach außen bringen wollen. Es sei nicht wirklich darum gegangen, sich umzubringen, vielmehr darum, ein Zeichen zu setzen und vielleicht auch um Macht. Wenn sie Feuer lege, habe sie selbst Macht, Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst zu manipulieren, so Feil. Die Angeklagte habe die Brände bewusst und gewollt gelegt. Den Alkoholkonsum sah Feil nicht als Auslöser der Taten. Im Falle des abgefackelten Pkw sei schlichtweg die Wut auf eine andere Person das Motiv gewesen. Und auch hier sehe er wieder einen roten Faden, so Feil: wenn es nicht läuft, wie sie will, werde die Angeklagte aggressiv.
Auch dem Brand an der Nördlinger Straße sei wieder ein Streit mit dem Freund vorausgegangen und sei der Grund dafür gewesen, dass die Angeklagte ihre Bettdecke im Treppenhaus anzündete. Ein kleiner Brand nur, der aber dennoch gereicht habe, das große Aufgebot an Rettungskräften auf den Plan zu rufen. Der entstandene Schaden sei gering, aber die Gefährdung für die Mitbewohner sei sehr groß gewesen. Bei beiden Bränden in den Wohnhäusern hätten Menschen ums Leben kommen können, so Feil. Eine Verurteilung wegen versuchter schwerer Brandstiftung aus dem Jahr 2021, wegen der sie immer noch unter Bewährung gestanden habe, habe bei der Angeklagten nichts bewirkt. Er mahnte die Angeklagten, die Zeit der Haft zu nutzen und einen Grundstein zu legen, für eine bessere Zukunft.
Die 31-Jährige wurde auch wegen des Widerstandes und tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte, wegen Betrugs, Beleidigung und Missbrauch des Notrufes verurteilt. Aus einer früheren Verurteilung muss sie zusätzlich zum jetzigen Urteil noch weitere sieben Monate absitzen. Insgesamt erwartet sie damit eine Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten.
Lieber Entzugsklinik als Gefängnis
Die Angeklagte hatte auf eine Einweisung in eine Entzugsklinik gehofft, weil ihr damit unter Umständen eine Haftstrafe im Gefängnis erspart geblieben wäre. Die Frau hätte dann zunächst die Zeit, bis das Urteil rechtskräftig ist, in der Psychiatrischen Klinik in Bad Schussenried verbringen können und von dort direkt in eine Entzugsklinik gewechselt. Die „Wartezeit“ und die Zeit des Entzuges (maximal zwei Jahre) hätten dann auf die Freiheitstrafe angerechnet werden können. Wären bis zum Ende des Entzugs zwei Drittel der Freiheitsstrafe verbüßt gewesen, hätte die Chance bestanden, dass die Angeklagte mit einer Reststrafenbewährung direkt in die Freiheit entlassen worden wäre.