Hat die Giengener Stadtverwaltung dem Gemeinderat „wichtige und für eine Entscheidung relevante Informationen“ vorenthalten? Davon jedenfalls geht der Verein „Bürger für Giengen“ aus, der sich zu Wochenbeginn mit einem Brief an die Ratsmitglieder gewandt hat, der auch der HZ vorliegt.
Der Vorwurf ist nicht allgemein gefasst, er bezieht sich vielmehr auf den Tagesordnungspunkt 5 der Ratssitzung vom 20. Juni. Da soll es um eine Stellungnahme der Stadt Giengen zur „Teilfortschreibung Windenergie 2025“ des Regionalplans Ostwürttemberg gehen. Im Verwaltungsvorschlag werden die Planungen des Regionalverbands als „wichtiger Beitrag zur Energiewende“ begrüßt.
Möglichen Vorrangflächen gelten als „konfliktbehaftet“
Unterzeichnet haben den Brief vier Personen aus dem Vorstand von „Bürger für Giengen“, zu denen auch bei beiden künftigen Stadträte Michael Zirn und Axel Mailänder gehören, die bei der Kommunalwahl auf der Liste des CDU-Wählerblocks gewählt wurde. Der Verein kreidet der Stadtverwaltung an, es fehle „jegliche Begründung“, warum die beiden Gebiete als Vorranggebiete für die Windkraftnutzung geeignet sein sollen. Kritisiert wird auch, dass die Gebiete erst nachträglich in die sogenannte Suchraumkulisse aufgenommen worden seien.
Außerdem vermissen die „Bürger für Giengen“ in der Sitzungsvorlage für den Gemeinderat einen Hinweis auf die Ergebnisse einer Strategischen Umweltprüfung des Regionalverbands. Laut dieser Prüfung ist das 23 Hektar große Teilgebiet auf dem Kirnberg als „konfliktbehaftet“ eingestuft. Bemängelt wird darin beispielsweise ein „sehr schlechter Umgang mit der Ressource Fläche“, sprich: Die erwartete Windausbeute wäre in Relation zum Flächenverbrauch geringer als auf anderen Flächen. Auch von einer „visuellen Beeinträchtigung besonders bedeutsamer Landschaften“ geht das Prüfungsergebnis aus.
Die zweite, 86 Hektar große Teilfläche weiter nördlich gilt demnach sogar als „sehr konfliktbehaftet“, nicht nur wegen des Flächenverbrauchs, es wird in der Umweltprüfung unter anderem auch von einer Beeinträchtigung des Grundwasserschutzes ausgegangen. Ein weiteres Vorranggebiet von 15 Hektar Fläche liegt auf Burgberger Gemarkung und ist Teil eines insgesamt fast 400 Hektar großen Gebiets auf Sontheimer und Niederstotzinger Gemarkung.
OB Henle: Stellungnahme schafft kein Baurecht
Oberbürgermeister Dieter Henle betont im Vorfeld der Sitzung auf Anfrage der HZ, dass selbst bei einer Einbeziehung der beiden Flächen als Windkraftvorranggebiete keine Entscheidung über einen möglichen Bau getroffen werde. „Zeigt ein Investor dann Interesse an einer der Flächen, können wir die dann konkrete Lage erneut diskutieren“, so Henle. Selbstverständlich könnte sich der Gemeinderat auf kommunalen Flächen dagegen entscheiden. Die beiden Flächen auf Giengener Gemarkung zu prüfen, habe lediglich „Angebotscharakter“.
Der Regionalverband, so Henle, habe im April über seine Einschätzung zur Eignung der Flächen informiert. „Diese Information ist den Ratsmitgliedern zugänglich“, betont der OB. Und weiter: „Es könnte sein, dass nur in der Beurteilung als geeignet ausgewiesene Flächen zum Zuge kommen – dann fallen die Flächen in Giengen naturgemäß weg.“ Möglich sei aber auch, dass der Regionalverband „im Sinne eines möglichst raschen Ausbaus der Windenergie“ anders entscheide. Offen sei auch, ob die festgestellte Konfliktbehaftung aus Sicht des Regionalverbands ein Ausschlusskriterium sei. Bislang sei dies nicht der Fall.
Gemeinderat hat mehrheitlich die Abstände verringert
Den Vorhalt, die Flächen seien „auf Bestreben der Stadtverwaltung“ in die Suchraumkulisse aufgenommen worden, will Henle ebenfalls nicht unkommentiert stehenlassen. Lege man die vom Regionalverband vorgesehenen Abstände von 1.000 Metern zur nächsten Bebauung zugrunde, wäre, so Henle, auf kommunalen Grundstücken in Giengen kein Windpark möglich. Dies stünde nach Ansicht des Oberbürgermeisters aber im Widerspruch zur Position der Stadt als „überzeugte Befürworter der Energiewende“. Bereits im Februar 2024 hat der Gemeinderat daher, damals mit 13 zu 9 Stimmen, beschlossen, den Abstand auf 750 Meter zu verringern. Dadurch wurde es möglich, bei fraglichen Flächen an den Regionalverband zu melden.
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