Das alljährliche Herbstkonzert der Stadtkapelle Giengen ist eine Art musikalisches Erntedankfest. Was über mehrere Monate in unzähligen Proben erarbeitet wurde, kann zum Jahresende hin dem Publikum präsentiert werden. Lohn der Mühen ist ein langanhaltender Applaus, mit dem die knapp 200 Besucherinnen und Besucher in der Walter-Schmid-Halle auch am Samstagabend wieder das hohe konzertante Niveau des Giengener Musikvereins quittierten.
Dabei hatten es die Akteure auf der Bühne diesmal besonders schwer. Denn bevor sie das Publikum unter dem Thema Wasser musikalisch mit dem nassen Element vertraut machten, hatten sie erst einmal mit einer anderen Welle zu kämpfen: der Erkältungswelle.
Reduzierte Musiker-Mannschaft
Virusbedingt mussten einige Stammkräfte absagen, und so reduzierte sich die „Mannschaft an Deck“ von rund 40 auf gerade noch 35. Dem personellen Handicap bot das verbliebene Ensemble aber erfolgreich die Stirn. Die Giengener Wassermusik des Herbstes 2024 ließ nichts vermissen, was zu diesem Thema geboten werden kann: von der Filmmusik über die Klassik bis hin zum Marsch reichte die Palette – musikalisch gekonnt und emotional kontrastreich dargeboten unter der Stabführung von Nicole Brendel.
Für die gebürtige Augsburgerin, die seit Jahresbeginn den Dirigentenstab der Stadtkapelle führt, war es das erste Herbstkonzert am Regiepult. Aber es gab auch noch ein paar andere Neuheiten. Der in den vergangenen Jahren gewohnte Auftritt einer Solistin oder eines Solisten fehlte diesmal. Stattdessen stand der Abend unter einem Motto, das alle Stücke miteinander verband: Wasser.
„Ohne Wasser kein Leben“, hatte Vorsitzender Rainer Lorenz schon bei der Begrüßung betont und gab per Wortspiel vorzeitig Entwarnung: Ein Schlag ins Wasser sei nicht zu erwarten und das Publikum werde auch nicht im Regen stehen.
Stille See, stürmische Gewässer
Auch ohne selbst nass zu werden, bekamen die Zuhörerinnen und Zuhörer die Vielfalt und Lebendigkeit des feuchten Elements von Anfang an bestens vermittelt. Beim rasanten Auftakt zur Filmmusik zu „Fluch der Karibik“ konnte man Piratenlegende Captain Sparrow in die Karibik folgen, dramatisch unterlegt mit dem passenden Stakkato des berühmten Titelliedes aus dem Leinwand-Klassiker. Dass Wasser in manchen Regionen ein rares Gut ist, woanders aber auch zur Naturkatastrophe werden kann (als aktuelles Beispiel dient das Hochwasser in Spanien) erwähnte auch Moderatorin Viktoria Bölli. Gegensätze wie die stürmische See im Vergleich zu stillen Gewässern sind wie geschaffen für eine musikalische Umsetzung auf emotionaler Ebene.
Ob bei den „Sea Songs“ von Ralph Vaughan Williams, „Pavane in Blue“ von Ted Huggens oder den „Pacific Dreams“ von Jacob de Haan: Immer wieder wechselten sich träumerische Melodien mit stürmischen und mitreißenden Elementen ab.
Bedient wurden dabei auch die unterschiedlichen Genres. Nach der Pause etwa ging es mit Auszügen aus Händels Wassermusik (Hornpipe) klassisch weiter. Das Stück untermalte einst eine Lustfahrt des englischen Königs Georg I. im Jahre 1717 auf der Themse. Sanfte und melancholische Töne begleiteten Rolf Rudins Stück „Stille Hoffnung“, ehe es wieder dramatisch wurde. „Where the river flows“ von James Swearingen zeichnet die Geschichte von Blue Jacket nach, dem Kriegshäuptling der Shawnee-Indianer und dessen Kampf, das Land im Ohio-Tal gegen die Weißen zu verteidigen.
Passende Moderation
Beim Stockholm-Festival von Luigi di Ghisallo wurde es dann am Schluss nochmals richtig festlich. Die munteren Töne animierten regelrecht dazu, sich dem Jubel und Trubel der bunten schwedischen Hafenstadt hinzugeben. Als Zugabe gab es eine Disney-Filmmusik. Diesmal ging es mit lustig-verspielten Klängen „Under the sea“ zur Meerjungfrau Arielle. Und dann durfte auch noch mitgeklatscht werden – zum zackigen Marsch „Anker gelichtet“.
Sehr gut fügte sich die Moderation von Viktoria Bölli in das musikalische Programm ein. Gedichte und nachdenkliche Worte ergänzten zwischen den Beiträgen die Informationen über Stücke und Komponisten. Auch Kommentare von Kindern zur Bedeutung des Wassers wurden zwischendurch eingespielt.
Nicole Brendel: Übergangs- wird Dauerlösung
Als Nachfolgerin von Hannes Färber übernahm Nicole Brendel zum Jahresbeginn den Dirigentenstab der Stadtkapelle Giengen. Zunächst sollte sie die musikalische Leitung nur kommissarisch wahrnehmen, doch jetzt ist eine Dauerlösung daraus geworden. „Es macht mir sehr viel Spaß“, sagte die 37-Jährige am Rande des Herbstkonzerts. Nach der Rathaus-Serenade war das Herbstkonzert das zweite große Konzert unter ihrer Stabführung. Die Idee zum Thema Wasser kam ihr, als sie in Günzburg Zeugin des Hochwassers wurde, das der Stadt im Sommer große Probleme bereitete. Dass Wasser einerseits lebensnotwendig ist, andererseits aber auch zur Gefahr werden kann, habe sie fasziniert.
Nicole Brendel stammt aus Augsburg. Sie arbeitet als Lehrerin einer Mittelschule in Ichenhausen. Bevor sie in Giengen Dirigentin wurde, spielte sie knapp 15 Jahren Querflöte in der Stadtkapelle.
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