Darum muss der Elektriker aus dem Reichsbürger-Milieu zwei Jahre ins Gefängnis
Eine ganze Reihe an Taten, viele Zeugen, viele Akten, Gutachten, eine Menge Asservate. Hier den Überblick zu behalten, war herausfordernd. Das Urteil war jedoch klar und deutlich. Er müsse, so Richter Dr. Christoph Edler, sein Gesetzbuch wegwerfen, wenn er "hier noch zu einer Bewährung kommen wollte". Er verhängte eine zweijährige Haftstrafe gegen den 41-jährigen Angeklagten, der zum Reichsbürger-Milieu gehört, stundenlang im Gerichtssaal stehend verbrachte und der lieber selber Fragen an Zeugen stellte, anstatt sich mit seinem Anwalt zu besprechen.
"Bei Ihnen sind antisoziale Tendenzen stark vorhanden. Sie suchen Vorteile. Und wenn Sie diese nicht auf normalem Weg erreichen, greifen Sie zu verbotenen Mitteln. Dann gelten Regeln für Sie nicht", so der Amtsrichter bei der Verkündung des Urteils in Richtung des angeklagten Elektrikers. "Sie agieren wie ein Michael Kohlhaas 2.0", sagte Edler, der damit auf die Geschichte eines rachsüchtigen Pferdehändlers im 16. Jahrhundert anspielte, der zur Selbstjustiz greift.
Richter spricht von krimineller Energie
Es sei unzweifelhaft, dass der Angeklagte die Taten begangen habe: Stromdiebstahl, Drohbriefe an Finanzamt und Krankenkasse, Tankbetrug, unerlaubter Besitz von Waffen und Chemikalien, Verstoß gegen das Urheberrecht, Tankbetrug oder eben Unterschlagung von Sozialabgaben sowie Sprengen eines Briefkastens und Verschließen einer Haustüre mittels Metallkette.
"Vielleicht haben Ihr Energieversorger und auch Ihr Vermieter nicht vollkommen Recht gehabt, als Ihnen der Strom abgestellt und der Zähler ausgebaut wurde. Aber Sie hätten die Chance gehabt, dagegen vorzugehen, mit legalen Mitteln. Was dann nicht geht ist, sich Strom mit einem Metallhaken und einem Leiter selbst in die Wohnung zu legen, dies zu wiederholen und obendrein als Abschreckung eine Handgranaten-Attrappe zu installieren sowie ein Kabel zur Erdung zu legen", sagte Richter Dr. Edler.
Besonders im Fall der Briefkastensprengung und der Handgranate attestierte der Richter dem Angeklagten kriminelle Energie. Hinzu komme eine Häufigkeit der Taten und Vorstrafen, die eine Verbüßung der Strafe zur Folge haben müssen. Der 41-Jährige, der aus der Untersuchungshaft vorgeführt wurde, musste den Gerichtssaal auch in Handschellen verlassen. Der Haftbefehl wurde nicht bis zur Rechtskräftigkeit außer Kraft gesetzt. Wohl auch, weil befürchtet wird, dass sich der Elektriker absetzen könne.
Staatsanwalt sieht Grenzen durch Angeklagten deutlich überschritten
Mit seinem Strafmaß blieb das Gericht unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Deren Vertreter setzte die Einzelstrafen höher an und kam am Ende auf eine Gesamtstrafe von zwei Jahren und vier Monaten. "Sie sind offensichtloch der Ansicht, dass Regeln der Gesellschaft keine Gültigkeit für Sie besitzen. Es gibt klar definierte Grenzen bei der Meinungsäußerung. Die haben Sie deutlich überschritten", so der Staatsanwalt. Es müsse ein Schuldspruch erfolgen, weil sich die Taten "im ganz Wesentlichen" so ereignet hätten wie angeklagt. Strafbar habe sich der Angeklagte gemacht wegen versuchter Erpressung, Sachbeschädigung, Betrug, Verstoß gegen das Urheberrechtsgesetz, Vorenthalten von Arbeitsentgelt, Diebstahl, versuchter gefährlicher Körperverletzung, Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz, versuchter Freiheitsberaubung, unerlaubtem Besitz von Waffen und explosionsartigen Stoffen.
"Ich möchte Ihnen zurufen: Wachen Sie endlich auf", so der Staatsanwalt zum Angeklagten, dem er Ignoranz und Rechtsfeindlichkeit vorhielt.
Verteidiger hat bei Taten Zweifel
Wie vertritt man einen Mandanten, der sich nicht verteidigen lassen will? Diesem Dilemma sah sich der dem Angeklagten zur Seite gestellte Anwalt ausgesetzt. Der Verteidiger hob darauf ab, dass die Taten einem Hilferuf entsprächen, weil der Elektriker finanzielle Schwierigkeiten hatte. Dies sei aber eine Mutmaßung. Zumindest bestünden bei manchen Taten Zweifel, ob sie aus anderen Motiven als aus finanziellen Sorgen resultierten. Möglicherweise sei die Persönlichkeitsabweichung aus finanziellen Gesichtspunkten entstanden. "Noch ist nicht alles Hopfen und Malz verloren", so der Verteidiger, der forderte, beim Strafmaß die zwei Jahre nicht zu überschreiten und eine Bewährung in Betracht zu ziehen.
Langes Vorstrafenregister beim Angeklagten
Die Verlesung der Vorstrafen des 41-jährigen Angeklagten nahm eine längere Zeit in Anspruch: 14 Einträge sind im Bundeszentralregister aufgeführt - der erste 1996. Zu den Delikten, wegen derer der Elektriker verurteilt wurde, gehören Diebstahl, Volksverhetzung, vorsätzliche Körperverletzung, Urkundenfälschung oder auch Umgang mit explosionsartigen Stoffen.
Der Angeklagte erhielt Geldstrafen, saß aber auch schon im Gefängnis. Auf eine Verurteilung ging Richter Dr. Christoph Edler näher ein: Vom Landgericht Memmingen wurde der Angeklagte 2012 zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, weil er mit Substanzen handelte, die zu Doping-Zwecken missbraucht werden können. Er stellte diese zum Teil in einem Labor selbst her. Auch mit Viagra handelte der Elektriker.