Abschlussrede zu Krieg, Klima und Konsens

Darum verweist Gaby Streicher im Giengener Sitzungssaal auf Artikel 1 des Grundgesetzes

Wo steht die Gesellschaft? Wo steht das Gremium an sich? Die SPD-Fraktionsvorsitzende hat sich in der traditionellen Rede zum Ende des Sitzungsjahres Gedanken gemacht. Die sind keineswegs oberflächlicher Natur.

Es ist eine Giengener Tradition, dass zum Abschluss eines langen Sitzungsjahres eine der ehrenamtlichen OB-Stellvertreterinnen das letzte Wort in Form einer „Weihnachtsrede“ hat. In diesem Jahr war die SPD-Fraktionsvorsitzende Gaby Streicher an der Reihe. Die widmete sich „einem grundsätzlichen Thema“, dem Klima – im engeren sowie übertragenen Sinn und dem im Sitzungssaal.

Frieden, Wachstum, Wohlstand, Freiheit, Zuversicht: unter diesen Bedingungen habe man sich in Deutschland in den letzten Jahrzehnten gemütlich eingerichtet. „Aber jetzt, angesichts der multiplen Krisen, angesichts von Terror und Krieg, angesichts der realen Bilder von Not, Hunger, Bomben und Tod schleichen sich in unseren sicheren, saturierten Alltag andere Fragen: ‚Was ist aus unserem zivilisatorischen Fortschritt geworden?‘“, so die Frage Streichers. Das moralische Koordinatensystem verschiebe sich, es entstehe gar ein Vakuum an Werten. „Und wir erkennen, dass es Demokratie, Freiheit, Frieden und Wohlstand nicht zum Nulltarif gibt – und es ihn auch nicht auf Kosten von anderen geben darf“, so die Rednerin.

Wenn jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wird

Im Diskurs sei der Kompass verloren gegangen. Worte würden auf die Goldwaage gelegt, mit einem Shitstorm als Folge. „Bewusstes Missverstehen beziehungsweise Skandalisieren, aus dem Zusammenhang reißen – das ist das erprobte Repertoire von Populisten und Rattenfängern“, so die Fraktionsvorsitzende. Wenn von „rot-grünen Ratten“ und von „Ungeziefer“ die Rede ist – dann sei man mittendrin im Nazi-Sprech und der entsprechenden Ideologie. Da sei es an der Zeit, an das Grundgesetz zu erinnern, an den Satz in Artikel 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Beim Klimawandel sei der Anteil derer, die ihn nicht leugnen und die über den eigenen räumlichen und zeitlichen Horizont hinausschauen können, noch nicht groß genug. Streicher sprach in ihrer Rede von einem „heiligen Krieg“ zwischen den „Individualisten“ und den „Verbotsideologen“, die aus verantwortungsvoller Überzeugung überregulieren. "Wir hadern mit dem, was getan werden muss und wir wehren uns gegen Zumutungen", so Streicher, die zur Rolle des Gemeinderats in der repräsentativen Demokratie überging: „Ich bin mir bewusst, dass meine Rede bisher nicht gerade als Werbeblock für die Übernahme eines kommunalpolitischen Amtes geeignet war“, so Streicher. Um das nachzuholen, zitierte sie Markus Söder, der sagte: „Wir haben eine zunehmend destruktive und negative Demokratie, jeder sagt nur noch, was er schlecht findet.“ Sie wolle den bayerischen Ministerpräsidenten dahingehend korrigieren, dass nicht „jeder“ das tue, dass dieser Teil zwar sehr laut, aber klein sei, zumindest kleiner als die Mehrheit der Bürger.

Appell an mögliche Kandidatinnen und Kandidaten

An diese Mehrheit richte sie ihren Appell: „Verlassen Sie die Zuschauerrolle und bringen Sie sich ein! Tun Sie das als Kandidat für die Kommunalwahlen, tun Sie das weiterhin in Workshops und Bürgerforen. Diese Schwarmintelligenz hilft uns in den Fraktionen, unsere repräsentative Funktion mit dem Blick auf das Allgemeinwohl auszufüllen.“ Daran schloss sie an: „Wir nicken weder alles einfach ab noch streiten wir dauernd. Konflikt ist ein Wesensmerkmal einer funktionierenden menschlichen Gesellschaft. Beteiligen Sie sich konstruktiv an der Lösung. Methoden der Konfliktlösung wie Anwendung von Gewalt, Ächtung, Isolation verbieten sich selbstredend. Vertagung und Ausklammerung sind nur kurzfristig zielführend. Die häufigste Form ist der Kompromiss.“