Satirische Vorausschau

Das alles und noch viel mehr wird in Giengen 2024 genau so eintreffen

Logo kommt von Logistik. Diese und andere Gesetzmäßigkeiten werden in den kommenden Monaten in der Großen Kreisstadt Giengen ebenso eine tragende Rolle spielen wie ein Roboter, der den Pommes-Verkauf im Bergbad rettet. Und es blüht den Giengenerinnen und Giengenern etwas. Ganz gewaltig sogar.

Januar

Kaum sind die Feiertage vorbei, geht es im Rathaus ans Eingemachte. Entwürfe werden gesichtet, Farben verglichen, Linien auf Dicke geprüft. Bis zur ersten Gemeinderatssitzung des neuen Jahres muss all das, was in den vergangenen Monaten unter größter Geheimhaltung vorangetrieben wurde, zu mindestens 100 Prozent passen. Nicht, dass das wieder so einen Affenzirkus gibt wie beim letzten Mal, als Bürger und Presse das neue Logo verspotteten. Halbes Pferd mit Wellen drunter und so weiter. Von wegen stolzes Einhorn. Was ein Debakel.

Oberbürgermeister Dieter Henle ist sich sicher: diesmal wird alles besser. Schließlich wirkte ein mit Preisen überhäuftes Hinterhof-Design-Büro aus Berlin Mahrzahn mit.

Eine Woche vor der Sitzung wird die Tagesordnung veröffentlicht. Tagesordnungspunkt 22 weckt das Interesse des Lokalreporters: "Corporate Design" steht da. Doch alle Versuche, an Infos zu kommen, werden abgeblockt. "Schon wieder ein neues Logo" titelt deswegen die HZ und wärmt nochmal nicht ganz so alte Geschichten auf.

Doch es kommt anders als gedacht: Es geht gar nicht um ein neues Halbes-Pferd-Stadt-Logo, sondern nur um eins für einen neuen Stadtteil: den Giengener Industriepark. Der, so Henle, brauche ein markantes Erkennungszeichen, nach innen wie nach außen. Dann lüftet der OB das Geheimnis: Per Beamer erscheint an der Leinwand im Sitzungssaal ein in gelb gehaltenes Rechteck mit einem blauen Strich darauf. "Logo kommt ja von Logistik", sagt das Stadtoberhaupt stolz. Und zukunftsweisend sei das Design auch: der Strich verkörpere die Mini-PV-Anlagen auf den Dächern. In der HZ ist zu lesen: Logo für den Gip A7: Nörpel-gelber-Schuhkarton mit Amazon-blauem Strich oben drauf.

Februar

In der ersten Woche des letzten Wintermonats schneit es unaufhörlich. Der Winterdienst packt die Schneemassen schier nicht. Gemäß dem Jahresmotto „Gute Beispiele“ verlässt OB Dieter Henle sein gut geheiztes Büro, stellt sich der riesigen Schneewehe in der Marktstraße und greift zur Schaufel. Das Ganze gemeinsam mit seiner Frau Simone. „Wir paarschippen jetzt“, sagen sie.

März

In der Nachbarstadt Herbrechtingen wurde fast schon gefeiert, als Ende des Jahres ein Zuschuss für Balkonkraftwerke beschlossen wurde. In Giengen hatte man dafür nur ein müdes Lächeln übrig. Zuschuss? Pah! "Wir packen den Solar-Hammer aus", sagt Bürgermeister Alexander Fuchs. Der sonst so sanftmütig dreinblickende Bürgermeister hat Stolz in den Augen. Zurecht: Nahezu alle Solarmodule für Balkone, die es in den vergangenen acht Monaten auf dem Markt gab, lagern gut bewacht in einer Halle im Ried. Der Solar-Hammer nimmt zu Ostern seinen Auftakt: Jede Giengenerin und jeder Giengener, ob mit Balkon oder nicht, bekommt so ein kleines Kraftwerk-Modul. Möglich macht dies, wie Oberbürgermeister Dieter Henle es nennt, die "vorausschauende Bevorratung". Was er öffentlich verschweigt: Seine Amtsleiter waren im vergangenen Jahr unterwegs und haben alle Produkte, die es im Discounter gab, weggekauft- natürlich bezahlt mit Fördermitteln des Bundes. Die neuen Mitarbeitenden im Amt für Digitalisierung haben Shops im Internet nach Rabatten für die Balkon-PV durchforstet. Mit schlagendem Erfolg. Von Lastern weg werden die Module in den Straßen verteilt und finden reißenden Absatz. Nachdem jeder Bürger eins abbekommen hat, sind noch Module übrig. Die verteilt der OB an Nicht-Falschparker. Darüber berichtet dann auch das Fernsehen. Was mit Schokolade klappte, funktioniert halt auch mit Solarmodulen.

April

Nur 15 Jahre musste man auf sie warten, schon ist sie da: Die E-Akte im Rathaus. Bei der Vorstellung per Pressekonferenz sagt Hauptamtsleiter Bernd Kocian: "Die Stadtradstraße wird ja auch nicht an einem Tag gebaut". Es ist die Rede von einem neuen Zeitalter in der Verwaltung. Jahrzehnte fielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rathaus wegen des Akten-Schlepp-Syndroms aus. Das hat sich nun erledigt. Vorbei auch die Zeit, in der es wegen Kaffeeflecken zu Verwechslungen kam und deswegen Grundstücke an die falschen Personen vergeben und eigentlich schadlose Straßen saniert wurden. In Millisekunden sind Akten unterschrieben und verschickt. Was Kocian verschweigt: Zur Sicherheit werden weiterhin alle Dokumente ausgedruckt. Sicher ist sicher.

Mai

Schwimmmeister Matthias Banzhaf ist komplett genervt. Sein sonst strahlend weißes T-Shirt ist voller Fettflecken. Wie das aussieht! Und überhaupt: 90 Jahre Bergbad und dann sowas. Wenn das so weiter geht taucht er ab. Täglich hat er seit der Eröffnung neben seinem Dienst am Becken noch eine Schicht im Kiosk geschoben, weil für den kein Pächter gefunden wurde. Er hat Pommes in die Fritteuse geschmissen, Curry-Soße über Bratwürste gekippt und Eis verkauft. Einen Tag hieß es, soll er aushelfen. Jetzt sind sieben Tage rum. Doch Rettung naht. Der Lieferengpass ist beendet. Der versprochene und mit künstlicher Intelligenz versehene Roboter wird endlich geliefert. Der kann anfangs zwar nur chinesisch und serviert statt Pommes Schranke nur Wan-Tan-Suppe. Doch er lernt schnell und versteht nach wenigen Tagen sogar Bestellungen à la "Drei Halbe isch au a Schnitzel. Gell."

Juni

Das Kinderfest ist passé, Stadtfest und Winzersommer sind noch weit. Sommerliche Langeweile senkt sich über die Stadt. Woher Lebensfreude nehmen? Zum Glück sorgen Kommunalwahl und Europawahl kurz für Abwechslung. Zur Umrahmung wird am Wahltag ein alkoholfreies Bierfest sowie eine vegane Grillparty veranstaltet. Die Stimmung in der Bürgerschaft bleibt lau, die Wahlbeteiligung verharrt bei mauen 45 Prozent. Zum Glück kommt der Juli mit einem Knüller daher, der den städtischen Blutdruck in Schwung bringt. 

Juli

Eigentlich hätte im kommenden Jahr die Bundesgartenschau in Rostock stattfinden sollen, wurde aber abgesagt. Wahrscheinlich war den Verantwortlichen im Osten zu viel Grün im Spiel. Was niemand wusste: Oberbürgermeister Dieter Henle und Bürgermeister Alexander Fuchs haben sich sofort nach dem Aus in Mecklenburg-Vorpommern daran gemacht, die Buga nach Giengen zu holen. Und sie haben es - natürlich - geschafft. Das ganze muss allerdings, wegen der Abrechnung von Fördermitteln des Landes, des Bundes, der EU, der FIFA, Geldern aus dem Sternenkässle und einer Spende von Mark Zuckerberg schon 2024 stattfinden. Kein Problem für die Stadtverwaltung, die Anfang des Monats die "Buga im Gipa" präsentiert. Für drei Monate, ab August, werden blühende Landschaften versprochen. Eine Symbiose von Industrie-Chic und Blumen-Charme wird versprochen. Die Pläne sind in einer 299-seitgen Präsentation festgehalten. Hier Auszüge davon: Auf den Hallenflächen, die noch frei sind, betreiben die Landfrauen aus dem ganzen Landkreis einen Fenster-Blümlesmarkt - mit Drive-in-Möglichkeit. Eine solche gibt es auch in der Halle gegenüber auf der Fläche des CCB (Cannabis-Club-Brenztal), der nach der Legalisierung dort sein auf der Fläche hinter der Halle angebautes Produkt mit dem Namen "Didi'slegalhigh" anbietet. Auf den Dächern gibt es die Möglichkeit zur Meditation und Yoga, unter Ausnutzung des Brummens von der A7. Auf dem Gelände finden sich eine Mini-Marina, Krautgärten im XXL-Format, Platz für Schafe und viel mehr. Für den Nachhaltigkeitseffekt wird eine Solaranlage auf dem Gelände installiert. Damit ist auch die Bürgerinitiative Solar zufrieden. Auf dem Acker wird dafür ein Parkplatz angelegt. Um alle Attraktionen zu nutzen, können die Transporter von Amazon genutzt werden. Ein Clou der Buga ist eine Seilbahn, die Ausflüge ins Eselsburger Tal und auf das Schloss Heidenheim ermöglicht.

August

In den allerheißesten Sommerwochen ist im sich sonst so quirlig gebenden Giengen noch nie viel gelaufen. Diesmal ist dies komplett anders: die heran nahende Öffnung des Trink- und Esstempels „Barfüßer“  lockt angrenzende Gewerbe an: Schuhgeschäfte interessieren sich für den Standort Giengen plötzlich ebenso wie Fußpflegeeinrichtungen, Wollsockenhersteller und Zehennagelkunstlackierer.  

September

Die Sonne brennt auch im neunten Monat des Jahres noch kräftig vom Himmel. Herbstwetter? Weit und breit nichts davon zu sehen. Die erste Sitzung des neu gewählten Gemeinderats findet deshalb im Bergbad statt, dass bis November geöffnet bleibt. Es hat sich einiges getan in puncto Zusammensetzung des Gremiums. Erster Tageordnungspunkt: Teambuilding. Erstmal die Leute kennenlernen, mit denen man sich die nächsten Jahre über Straßensanierungen streiten wird. Zum besseren Kennenlernen untereinander hat die Verwaltung eine Erlebnispädagogin engagiert. Das fraktionsübergreifende Rutschen funktioniert noch einigermaßen. Beim Synchronschwimmen - mit Oberbürgermeister und Bürgermeister in der Mitte - will die Choreographie aber nicht klappen. Man geht zum Pommes-Essen über, bei dem die CDU der Farbe wegen auf Ketchup verzichtet. Die SPD ist deswegen eingeschnappt. Geht ja gut los.

Oktober

Mit prägnanten Begriffen kennt man sich im Rathaus Giengen gut aus. Schließlich hat man aus der "Dienstleistungsgesellschaft zur Förderung von mehr Nachhaltigkeit" super treffend die "N!kom" gemacht. Leuchtet sofort ein. Noch treffender: Die "Dienstleistungsgesellschaft für kommunale Aufgaben der Stadt Giengen" wurde zur DiG[i]Komm. Super einfach und unverwechselbar, vor allem mit den Klammern um das "i". Beide Bereiche arbeiten gut und erfolgreich. Mitarbeitende im Rathaus nehmen sich die Wortschöpfungen zum Vorbild und haben eigene geschaffen: So gibt es zum Beispiel die "Super11Lkw-kom" (Gemeinschaft der Leberkäsewecken-Esser, täglich um 11 Uhr beim neuen Stadtmetzger), die "Kippi-Kom" (Gemeinschaft der Raucher beim überdachten Fahrradabstellplatz aus allen Fachbereichen) oder die "Freium4-kom" (Gemeinschaft der pünktlichen Feierabendeinleger). Mehrfachmitgliedschaften in den einzelnen Gemeinschaften sind möglich und auch vorhanden.

November

Das Miteinander im Gemeinderat nach der sommerlichen Kommunalwahl läuft noch nicht wirklich geschmeidig. Natürlich haben sich die drei bekannten Fraktionen CDU-Wählerblock, SPD sowie Unabhängige und Grüne längst häuslich eingerichtet im Sitzungssaal des Rathauses, aber das gemütliche Abnicken der Vorschläge der Stadtverwaltung wird doch empfindlich gestört durch die Handvoll Einzelkämpfer, die sich als Mitglieder von Kleinstparteien einiger Wählergunst erfreuen konnten und nun Teil des Gremiums sind. Das reicht im politischen Spektrum von weit links bis ordentlich rechts. Dabei werden unabhängig von der politischen Ausrichtung ganz grundsätzliche Frage gestellt, die  verblüffen: Warum muss das Kinderfest ausgerechnet am Pfingstdienstag stattfinden (Hintergrund: in den Pfingstferien sind doch alle im Urlaub)? Warum wird im Bergbad im Winter nicht Schlittschuh gelaufen (Hintergrund: Einnahmen für die Stadtkasse werden verschenkt)? Warum sind die Gemeinderatssitzungen ausgerechnet am Donnerstag (Hintergrund: da läuft Champions League)? Fragen über Fragen.        

Dezember

Ein wirtschaftlich überaus erfolgreiches Jahr geht zu Ende. Im Ranking der Städte in Bezug auf Einnahmen je Einwohner steht Giengen im Ländle auf Platz 1. Mit Abstand. Alle anderen Städte haben massive Probleme. In Giengen sprudeln dagegen die Kassen. Giengen wird vom Ministerpräsident und der Regierungspräsidentin mit Lob überschüttet. Wenn ein Schultes sich über klamme Kassen aufregt, heißt es: Schaut nach Giengen, da funktioniert alles. Das schafft landauf und landab Neid. In den Sitzungen des Städtetags will niemand mehr neben OB Henle sitzen. Natürlich macht das auch in Stuttgart die Runde. Was tun? Der Ministerpräsident erinnert sich an einen Artikel in der Landesverfassung zur "Auflösung von Ungleichgewichten". In Absatz 27 steht geschrieben: "Ehemals Freie Reichsstädte können bei wirtschaftlichem Erfolg in den Status eines Stadtstaates erhoben werden". Gesagt getan: Zum Jahreswechsel wird Dieter Henle selbst Ministerpräsident. Alle sind zufrieden. Auch die anderen Bürgermeister im Kreis Heidenheim: "Endlich weg, die Streber", soll, wie gut informierte Quellen berichten, gefallen sein.

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