Interview

Das hat der neue Steiff-Chef Frank Rheinboldt mit dem Plüschtierhersteller in Giengen vor

Was haben die Mode- und die Spielwarenbranche gemeinsam? Wo kann die eine von der anderen lernen? Im Interview geht der neue Steiff-Chef Frank Rheinboldt auf diese Fragen ein und spricht über den verpassten Barbie-Hype ebenso wie über geplante Veränderungen beim Plüschtierhersteller in Giengen. Aus den Antworten im Interview wird klar: Rheinboldt hat sich viel vorgenommen.

Das hat der neue Steiff-Chef Frank Rheinboldt mit dem Plüschtierhersteller in Giengen vor

Von renommierten Marken im Bereich Damen-Oberkleidung zum weltbekannten Hersteller von Plüschtieren mit dem Knopf im Ohr: Frank Rheinboldt ist neuer Chef bei der Margarete Steiff GmbH. Dort will er auf Tradition setzen, gleichzeitig aber Veränderungen angehen.

Herr Rheinboldt, Sie sind jetzt seit einem guten halben Jahr auf der Ostalb. War das eine Umstellung?

Ich bin ein gebürtiger Baden-Württemberger und komme aus Mannheim. Mit der schwäbischen Mentalität hat das zwar nicht so viel zu tun, dennoch ist mir das Süddeutsche bekannt. Unter anderem habe ich schon zwei Jahre in Tübingen gearbeitet, außerdem im Schwarzwald studiert. Baden-Württemberg ist ein Stück Heimat.

Haben Sie sich schnell in Giengen eingefunden?

Mein Lebensmittelpunkt ist es noch nicht geworden. Ich bin am Wochenende bei der Familie in München und Münster. Aber unter der Woche bin ich hier zum Arbeiten. Viel Ablenkung kann ich mir zeitlich gar nicht leisten.

Was hat die Entscheidung für Steiff ausgemacht?

Hauptsächlich die Marke. Es gibt wenig andere ikonische Marken in Deutschland mit einer 140-jährigen Geschichte. Diese Einzigartigkeit, und keinem erklären zu müssen, wofür man arbeitet, sind auch ausschlaggebend. Obendrein ist die Marke positiv besetzt ist. Steiff ist allen sympathisch. Kindern und Erwachsenen. Diese Marke weiter zu entwickeln hat mich sehr angesprochen.

Sie kommen aus der Modebranche. Die verbinde ich eher mit Schnelllebigkeit. Wie sehen Sie das?

Mode ist definitiv schnelllebiger als Spielzeug oder Kuscheltiere. Aber auch bei Steiff machen wir ein Drittel des Umsatzes mit Mode für Kinder. Die ist nicht so schnelllebig wie Oberbekleidung für Damen, mit der ich mich beruflich bisher beschäftigt habe. Ich glaube aber, dass die Spielwarenbranche von den Themen Markenbildung, Markenpflege, Emotionalität einer Marke, moderne Kommunikationswerkzeuge und Interaktion zu Kunden oder Partnern sich was abschauen kann. Da hat die Branche sicher Nachholbedarf. Auch das Thema Vertrieb ist letztlich vergleichbar.

Bei Megatrends wie bei der Barbie müssen wir dabei sein.

Frank Rheinboldt

Im Vergleich zu Mode stehen Spielwaren aber mehr für Nachhaltigkeit. Hat Sie das gereizt?

Total. Man muss sich nicht immer gleich was Neues ausdenken, wie im Modebereich. Andererseits muss man in der Spielwarenbranche aufpassen, dass man generelle Trends aufgreift. Zum Beispiel beim Thema Barbie: Das hat weltweit einen Hype ausgelöst. Birkenstock hat da spezielle Schuhe entworfen und verkauft. Wir können zwar keine Barbie-Puppe machen, hätten aber eine Serie roséfarbener Schweinchen oder Teddybären machen müssen. Rosé war total angesagt. Bei solchen Megatrends müssen wir dabei sein.

Steiff kann also nicht nur in der Tradition verhaftet sein.

Genau. Hätten wir eine Barbie-Serie gehabt, hätten wir die sicher gut verkauft. Das sind Ansatzpunkte für die Zukunft. Da sehe ich Nachholbedarf.

Apropos Verkauf: Wie steht Steiff denn da?

Im Geschäftsjahr 2022 haben wir einen Umsatz von etwa 65 Millionen Euro gemacht. Damit lagen wir deutlich über dem Vorjahr. Wir haben mit einem positiven Betriebsergebnis abgeschlossen. Dieses Jahr lagen wir Ende August schon deutlich über dem August 2022, bei Umsatz und Ergebnis. Wenn ein normales Weihnachtgeschäft kommt, würde ich von einem Jahr reden, das absolut vernünftig und gut verlaufen ist. Es ist aber nicht so, dass die Spielwarenbranche explodiert. Wir sind froh, dass wir über dem Vorjahr sind. Das ist ein gutes Zeichen.

Wie verteilt sich das auf die europäischen Märkte?

Traditionell sind wir gut in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das Vereinigte Königreich gehört neben Deutschland zum europäischen Markt. Aber das jetzt ein europäisches Land heraussticht, lässt sich nicht sagen. Wir spüren insbesondere in Deutschland den Rückgang des stationären Einzelhandels. Allein der Schließung von vielen Kaufhof-Filialen können wir uns natürlich nicht entziehen. Und auch dass der Spielwaren-Fachhandel durch die digitale Konkurrenz keine einfach Zeit hat, spüren wir. Umso wichtiger ist es, dass wir die digitalen Plattformen vorantreiben.

Wir haben in China großes vor.

Steiff-Chef Rheinboldt

Wo sehen sie denn bei Steiff in Bezug auf Digitalisierung Möglichkeiten?

Wir haben ja zum Beispiel schon Kuscheltiere mit Hörspiel, sogenannte Tonies. Ich kann mir zudem vorstellen, dass wir den Teddybär aufladen. Wir machen jetzt so eine Art Nachtlampe in die Plüschtiere, so dass die Kinder, die nachts aufwachen, etwas sehen. Digitalisierung kann auch in Richtung Chips im Ohr gehen, die eine Geschichte abspielen oder hin zu Tieren, die mit einem QR-Code versehen sind. Klar ist aber auch, dass es immer einen Markt geben wird für hochwertige und kuschelige Spielzeuge. Das Kind möchte was in der Hand halten. Wir müssen uns auf das fokussieren, was wir können. Wir müssen an der Digitalisierung dranbleiben, werden aber nicht unsere gesamte Investitionen in die digitale Weiterentwicklung stecken.

Sehen Sie außerhalb Europas Märkte, die noch stärker wachsen könnten?

Wir haben in China Großes vor. Wir gründen gerade ein Joint-Venture.

Wollen Sie da, wie früher schon, auch produzieren?

Nein. Es geht um eine Vertriebsgesellschaft mit einer deutschen Firma. Neben China haben wir auch in Amerika große Ambitionen. Da sind wir zwar schon lange am Markt, werden aber ab Januar mit einer neuen Organisation agieren. Das ist schon eingetütet. Da können wir definitiv zulegen, insbesondere auch im digitalen Bereich.

Steiff ist unzweifelhaft eine Premiummarke. Spüren Sie Faktoren wie Inflation und finanzielle Sorgen bei den Kundinnen und Kunden?

Inflation ist für uns auch ein Thema. Wir mussten im vergangenen Jahr die Preise erhöhen. Wir müssen dem Kunden daher erklären, warum er für das Produkt mehr bezahlen muss. Das ist die Herausforderung. Premium bedeutet nicht nur beste Qualität, sondern auch ein Werteversprechen, dass das so bleibt.

Gibt es Produkte bei Steiff, die wegen mangelnder Qualität zurückkommen?

Die Retourenquote liegt unter einem Prozent.

Spielt der steigende Preis für Energie eine Rolle?

Weniger. Wir haben in unserem Werk in Tunesien, wo wir 800 Mitarbeitende haben, das Dach komplett mit Solar ausgestattet. Hier vor Ort sind wir nicht sehr Energie-intensiv.

Bleiben wir in Giengen. Sie waren schon bei mehreren Unternehmen. Jedes hat wahrscheinlich seine eigene DNA. Wie empfinden sie das bei Steiff?

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind unheimlich stolz auf die Arbeit und die Marke. Oft steht man hinter einer Firma. Bei Steiff stehen sie auch voll hinter dem Produkt. Das ist der Unterschied.

Wenn man eine Belegschaft hat, die so agiert: Ist es dann eher leichter oder schwieriger, Veränderungen herbeizuführen?

Gute Frage. Ich glaube, Veränderungen tun jedem Unternehmen gut und sie müssen auch sein. Veränderungen bei Steiff sind definitiv notwendig. Jetzt weniger im Produkt, sondern mehr in den Bereichen Organisation, im Arbeitsablauf oder Management. In einem Startup Veränderungen vorzunehmen ist sicher einfacher als in einer Firma mit 140-jährigen Geschichte. Aber durch meine Erfahrung und Präsenz und meine Entscheidungen, die ich bisher getroffen habe spüren die Leute, dass ich das gemeinsam mit ihnen angehen will - im Sinne der Firma und nicht zack zack. Ich spüre gerade eine Aufbruchsstimmung.

Es gab vor ein paar Jahren bei Steiff den Wegfall von Stellen, der mit Entlassungen einherging. Wie sieht es derzeit in Bezug auf Arbeitsplätze aus?

Wir planen keine signifikanten Entlassungen. Wir haben normale Fluktuation und werden hier und da im kleinen Rahmen die Organisation anpassen. Wir haben einen Standort mit Logistik, Produktion und Verwaltung. Das soll so bleiben. Ich bin ein Qualitätsverfechter.

Zu Steiff und Giengen gehört auch das Museum. Das ist nun auch schon einige Jahre alt. Haben Sie da Veränderungen vor?

Wir werden das erweitern. Die Zeitreise hört 2005 auf. Wir haben uns erste Gedanken gemacht, wie wir die Zeitreise erweitern können - in den bestehenden Räumlichkeiten. Eventuell bekommen wir zum 20-jährigen Bestehen des Museums 2025 schon Erneuerungen hin. Im Übrigen sind die Besucherzahlen und die Umsatzzahlen im Shop im Vergleich zu den Corona-Jahren absolut auf dem richtigen Weg. Der zurückliegende August war für uns super. Es waren Schulferien und schlechtes Wetter. Das haben wir positiv gespürt.

Der Steiff-Sommer ist ein Wahnsinns-Event. Aber es muss sich weiterentwickeln.

Frank Rheinboldt, Steiff CEO

Gibt es für Veranstaltungen vor Ort Überlegungen, etwas zu verändern?

Ich habe den Steiff-Sommer ja das erste mal miterlebt. Das ist ein Wahnsinnsevent. Aber auch da denke ich, dass man das weiter entwickeln muss. Man muss beispielsweise überlegen ob Qualität oder Quantität auf der Bühne richtig ist. Das gleiche gilt auch in Bezug auf die Kulinarik. Auch hier könnte ich mir insgesamt ein Upgrade vorstellen.

Zum Steiff-Sommer gehört auch die Auktion in der Schranne. In diesem Jahr wurde dort ein Rekordpreis erzielt. Ein Bär ging für 180.000 Euro nach Japan. Was empfinden Sie da?

Für mich ist das noch totales Neuland. Ich bin erstaunt und lerne jeden Tag dazu. Wir können da sicher noch mehr machen in Bezug auf die Emotionalität der Marke. Wenn jemand bei einer Auktion in Giengen so viel Geld hinlegt, dann ist das der Wahnsinn. Eigentlich müsste das bei Sotheby's passieren. Das Limitierte und Besondere wollen wir weiter pflegen. Mir fällt da zum Beispiel der Queen Memorial Bär ein, den sie uns in Großbritannien aus den Händen gerissen haben. Auch der Prinz Charles Bär ging richtig gut. Es braucht eben auch da neue Ideen.

Unserem Gespräch entnehme ich, dass es Ihnen nicht langweilig sein dürfte. Sie haben viel vor. Das geht nicht von heute auf morgen. Stehen Sie für Kontinuität?

Ich war einmal 17 und einmal elf Jahre bei Unternehmen. Ich hoffe, dass es für mich bei Steiff meine letzte Position ist, bevor ich mich in den Ruhestand und meinen Garten verabschiede. Ich habe noch sehr viel Energie.

Steiff-Chef Frank Rheinboldt

Der neue Chef der Margarete Steiff GmbH kommt aus der Modebranche und hat sich dort mit Damen-Oberbekleidung beschäftigt. Der 57-Jährige ist ausgebildeter Einzelhandelskaufmann, lernte in München und studierte in Nagold Textilbetriebswirtschaft.

Vor seinem Wechsel zum Plüschtier-Hersteller war er unter anderem Chef der Modemarke Escada, später Geschäftsführer beim Modehaus Appelrath-Cüpper (Douglas-Gruppe) und auch Geschäftsführer bei Marc Cain in Bodelshausen (Kreis Tübingen).

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