Die Logik der Schließung
Wie es um die geriatrische Versorgung in Deutschland steht, kann man im Weißbuch Geriatrie nachlesen. „Eine bedarfsgerechte, angemessene Versorgung der hochbetagten Patientinnen und Patienten wird mit den heutigen Strukturen zukünftig nicht realisierbar sein“, sagt der Geschäftsführer des Bundesverbands Geriatrie. Denn zwischen Bedarf und vorhandenen Versorgungsangeboten besteht eine riesige Kluft. Sie wird künftig immer größer werden. Geriatrische Versorgung müsse deshalb massiv ausgebaut werden. In Giengen passiert das genaue Gegenteil.
Mitverantwortlich für das Weißbuch ist interessanterweise die aktiva GmbH. Eine Beratungsgesellschaft im Gesundheitsbereich. Sie hat dem Kreistag die Schließung der Giengener Rehaklinik vorgeschlagen. Sie tut dies, obwohl sie im erwähnten Weißbuch etwas ganz anderes proklamiert. Es gibt viele solcher „Wissenschaftssöldner“ im Gesundheitswesen, die für ihre Mandanten „maßgeschneiderte Lösungen“ (Werbetext der aktiva GmbH) präsentieren. Mandanten sind Kommunen, Landkreise, Krankenhäuser. Was in dem einen Bericht solcher Agenturen als wichtig erachtet wird, verkehrt sich im nächsten ins genaue Gegenteil.
Die Grundlage für eine Entscheidung, wie die für Giengen, sind simpelste betriebswirtschaftliche Floskeln. Schließlich muss eine solche Entscheidung auch von den einfachsten Gemütern in den Kreistagen verstanden werden. Im Falle Giengens ging die Rechnung so (und steht auch so in der Vorlage für den Kreistag): 1. Eine Erweiterung des Gebäudes in Giengen wäre teuer. 2. Ein Neubau wäre noch teurer. 3. Eine Schließung der Einrichtung ist die billigste Variante. Wörtlich: „Das betriebliche Defizit durch den Betrieb der Reha entfällt dadurch.“ So einfach sind betriebswirtschaftliche Expertisen im Gesundheitswesen! Im Übrigen: Alte, Patienten, Menschen spielen in solchen Auftragsarbeiten selten eine große Rolle. Dass mit diesem rechnerischen Dreisprung, den sogar Kleinlieschen versteht, fast sämtliche Gesundheits- und Sozialeinrichtungen in Deutschland geschlossen werden müssten, steht auf einem anderen Blatt.
Thilo Schmautz, Giengen
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