Im Landkreis Heidenheim soll ab Herbst getestet werden, wie ein On-Demand-Angebot im ÖPNV funktioniert und wie es bei den Fahrgästen ankommt. Pilotregionen sind Giengen sowie Dischingen. Der Ausschuss für Infrastruktur und Umwelt des Kreistags hat einstimmig grünes Licht gegeben, nun fehlt noch der Kreistagsbeschluss, damit durchgestartet werden kann.
„Unser guter Tarif nützt nur was, wenn die Angebotsseite passt“, sagte Landrat Peter Polta, der ein Verfechter des ÖPNV-Ausbaus ist, aber auch auf die Kosten blickt: „Das ist ein wichtiger Schritt, der uns was kosten wird.“ Tatsächlich sind es für den Pilotversuch in Dischingen und Giengen 276.000 Euro im Jahr, zusätzlich kostet der Ausbau der Hauptbuslinien in Giengen und Nattheim nach Heidenheim 300.000 Euro. Hinzu kommt noch ein Buchungssystem, damit die Fahrgäste das ÖPNV-Taxi bestellen können, was weitere 60.000 Euro ausmacht.
Umso ärgerlicher ist für den Landrat, dass es keine Fördermittel vonseiten des Landes gibt, das sich den Ausbau des Halbstundentakts als politisches Ziel gesetzt hat. „Ich werde nicht nachlassen, in Stuttgart die Förderung einzufordern“, sagte Polta und hat die Kreisräte auf seiner Seite. Klartext sprach nicht nur Werner Häcker (Freie Wähler): „Es ist ein Witz, dass das Land das nicht fördert, damit wird der ländliche Raum abgehängt.“
Wie soll das ÖPNV-Taxi funktionieren, wer wird es betreiben, wie viel kostet es und wann geht’s los. Diese Fragen beantwortet den Kreisräten Dr. Christian Mehlert, der im Auftrag des Landkreises den ÖPNV in der Region untersucht und einen Vorschlag erarbeitet hat.
On-Demand-Shuttle, ÖPNV-Taxi, Anrufsammeltaxi: Was ist der Unterschied?
Das On-Demand-Shuttle ist die teuerste Variante gemessen am weit mehr als eine Million Euro hohen Zuschussbetrag, wollte man dieses Konzept im Landkreis umsetzen. Eine eigene Kleinbusflotte müsste angeschafft werden, die jedoch ohne Fahrplan und Linienbindung sowie nur auf Anforderung kreuz und quer fährt. Das Gleiche gilt für das ÖPNV-Taxi, das jedoch keine neue Fahrzeugflotte braucht, sondern in Zusammenarbeit mit den örtlichen Taxibetrieben umgesetzt wird.
Das Anrufsammeltaxi greift ebenfalls auf eine vorhandene Fahrzeugflotte zurück, entweder Busse oder Taxis. Es kommt auf Bestellung, fährt aber nicht kreuz und quer, sondern entlang von festgesetzten Linien und Stopps an Haltestellen.
Welches On-Demand-Angebot soll im Landkreis Heidenheim kommen?
Mehlert schlägt für die beiden Pilotregionen eine Kombination aus ÖPNV-Taxi plus Ausbau des Linienverkehrs auf den bereits starken Strecken vor. Damit das funktioniert, sollen schwache Linien abgeschafft und vom ÖPNV-Taxi ersetzt werden. Gestärkt werden soll explizit die Linie von Nattheim nach Heidenheim sowie der Stadtverkehr in Giengen.
Wie können Fahrgäste die Fahrtwünsche anmelden?
Die Fahrgäste melden ihre Fahrt über eine Handyapp oder auf anderem Onlineweg an. Für Menschen, die keine App haben, sollte es zudem eine Telefonlösung geben. Das Callcenter soll auch dann eingreifen, wenn es zu Problemen kommt, zum Beispiel, wenn mehr Menschen als angemeldet an der Haltestelle stehen und es weitere Fahrzeuge für den Transport bedarf. Um die Anfragen verwalten zu können, braucht es laut Mehlert ein Buchungs- und Dispositionssystem, das dem Landkreis einmalig 60.000 Euro plus 60.000 Euro pro Jahr an Servicekosten belasten wird. Das Buchungssystem soll auch sicherstellen, dass Fahrten ausgeschlossen werden, die eigentlich Taxifahrten wären, wenn zum Beispiel ein Fahrgast sich aus Ballmertshofen nach Heidenheim fahren lässt, obwohl er eigentlich in Nattheim auf den Bus hätte umsteigen können.
Wie weit sind Verhandlungen und was sagen die Kreisräte?
Vertreter der Taxiunternehmen haben laut Polta bereits eine Mitarbeit signalisiert bei Gesprächen in den Kommunen. Betriebskosten für Stadtbuslinien würden in der Regel je zur Hälfe vom Landkreis und den Kommunen finanziert. Weil es sich um einen Pilotversuch handelt, der wegweisend für das gesamte Kreisgebiet sein soll, wolle der Landkreis in diesem Fall 70 Prozent übernehmen, vorbehaltlich der Zustimmung des Kreistags, sagte Polta.
„Wir wissen in Dischingen oft nicht, wie wir von A nach B kommen. Je früher das On-Demand-System kommt, desto besser“, merkt Silvio Mundinger (ÖDP) aus Sicht eines Dischingers an. Mit dem ÖPNV-Taxi werde das besser, ist sich Polta sicher. Auch Fahrten von einem Ortsteil in den anderen seien dann möglich.
Wilhelm Oszfolk (SPD) nannte ein Giengener Beispiel, für das er sich Besserung verspricht. „Bei uns in der Stadt fährt samstags der Linienverkehr nur bis 13 Uhr, dann ist Feierabend.“ Zu Veranstaltungen komme man dann per Bus nicht mehr in die Stadt, vor allem aus den Teilorten. Deshalb sei der On-Demand-Verkehr wichtig für Giengen.
Die nächsten Schritte zum On-Demand-Verkehr
Der Fachausschuss empfahl einstimmig, das ÖPNV-Taxi einzuführen und die Verwaltung mit der Umsetzung zu beauftragen. Das letzte Wort hat am Montag, 18. März, der Kreistag, wobei eine Zustimmung nach diesem positiven Votum und die Bereitstellung der finanziellen Mittel als sicher gilt. Bis alle Verträge unter Dach und Fach sind, wird noch ein Jahr vergehen. Die Fachleute rechnen damit, dass das ÖPNV-Taxi in Dischingen und Giengen im ersten Halbjahr 2025 seinen Betrieb aufnehmen kann.
Ob das Angebot bleibt und weiter ausgebaut wird, steht und fällt mit der Resonanz der Fahrgäste. Erstmals ausgewertet werden soll der Pilotversuch laut Polta im Jahr 2026: „Wenn es nicht wirkt, bin ich der Letzte, der sagt, wir müssen das weitermachen.“ Mindestens zwei Jahre, so Werner Häcker (Freie Wähler) müsse man den Fahrgästen zur Eingewöhnung Zeit geben. „Und dann wollen es alle“, ist er sich sicher.
On-Demand-Verkehr einfach erklärt
On-Demand-Verkehr kann vieles sein. Grundsätzlich ist es ein Angebot zusätzlich zum ÖPNV-Linienbetrieb in Gegenden, wo es wenige oder gar keine Busse gibt oder in Randzeiten morgens und abends. Die Fahrten müssen sich nicht an Buslinien orientieren, sondern die Stopps können flexibel sein. Gefahren wird nur, wenn es Anfragen gibt. Der Unterschied zum Taxi: der On-Demand-Verkehr kostet dem Fahrgast erheblich weniger, nämlich nur den Bustarif. Die Differenz zwischen Taxi- und Busticketpreis übernimmt der Landkreis. Allerdings fährt das Shuttle anders als das normale Taxi nicht zu einem Wunschort, sondern ist Zubringer zu starken Linien und Bushaltestellen, wo auf den Bus umgestiegen und weitergefahren wird zum Ziel.
Jetzt neu: Die HZ auf WhatsApp kostenlos abonnieren – Hier klicken und alle News aufs Handy bekommen.
undefinedundefined