Stabwechsel im Paul-Gerhardt-Stift

Es war Liebe auf den dritten Blick: Hausdirektorin Renate Fischer geht

36 Jahre lang war Renate Fischer im Giengener Paul-Gerhardt-Stift tätig, vor allem die Pandemiezeit war eine große Herausforderung. Jetzt geht sie in den Ruhestand. Wer ihr nachfolgt und warum Fischer mehrere Anläufe für Giengen gebraucht hat.

Es war Liebe auf den dritten Blick: Hausdirektorin Renate Fischer geht

Es gibt da eine Sache, auf die blickt Renate Fischer besonders gern zurück: auf den Halbmarathon in Ulm im Herbst 2018. Bei diesem Wettkampf zählte sie nämlich selbst zu den Läuferinnen und Läufern, an ihrer Seite Kolleginnen aus dem Paul-Gerhardt-Stift. "Anfangs hielt ich das für so eine blöde Idee", erinnert sie sich lachend. Letztlich aber seien sie nach einem halben Jahr Training gemeinsam an den Start gegangen und auch gemeinsam ins Ziel gekommen. "Ich wollte das immer schon mal machen, aber alleine hätte ich das nicht geschafft", so Fischer.

Es ist ein Satz, der eines unterstreicht: das Miteinander. Füreinander da sein, andere unterstützen, gemeinsam Ziele erreichen - so lautete auch die Devise in Fischers Berufsleben, das jetzt zu Ende geht. 36 ihrer 45 Berufsjahre hat sie im Giengener Paul-Gerhardt-Stift verbracht, war in den vergangenen Jahren Hausdirektorin und daher vor allem während der Pandemie sehr gefordert. Im Haus war trotz aller Vorsichtsmaßnahmen Corona ausgebrochen, weshalb es eine schwierige Zeit durchzustehen gab. Daran erinnerte auch Oberbürgermeister Dieter Henle bei der Verabschiedung Fischers am vergangenen Dienstag nochmals: "Ich habe die Uhrzeit immer noch im Kopf, jeden Tag um 12 Uhr haben wir uns abgesprochen und Sie haben mir zugehört", sagte er anerkennend.

Gute Führung in schwierigen Zeiten

Der Pandemie zum Opfer gefallen waren auch die geplanten Feierlichkeiten anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Paul-Gerhardt-Stifts. Bernhard Schneider, Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung, erklärte, dass das Giengener Haus 1970 als 40. Einrichtung in Deutschland gegründet worden war, mittlerweile zählten zur Evangelischen Heimstiftung 173 Einrichtungen. "Wir haben immer an den Standort geglaubt" so Schneider. Immer wieder sei an- und umgebaut worden, 1996 seien die mobilen Dienste hinzugekommen. "Es fällt mir schwer, dich gehen zu lassen. Eigentlich würden wir dich gerne behalten", bedauert er Fischers Weggang. Während der Pandemie habe man in Giengen dank Fischer gemerkt, was gute Führung bedeute - trotz des großen Ausbruchs im Haus. Fischer, so betonte er, strahlte immer Zuversicht aus, behielt die Ruhe und versäumte es trotzdem nicht, klare Ansagen zu machen. "Diese Kombination ist eine hohe Kunst", lobte er.

Beinahe hätten sowohl Schneider als auch das ganze Haus auf Fischers positive Art verzichten müssen. In Summe brauchte es nämlich ganze drei Anläufe, bis sie sich in der Giengener Einrichtung so richtig wohlgefühlt hat. "Man sagt ja, dass aller guten Dinge drei sind. Bei mir war es wirklich so", erklärte Fischer. 1978 begann sie ihre Ausbildung zur Altenpflegerin, im März 1979 wollte sie im Giengener Haus, das damals noch nicht Paul-Gerhardt-Stift geheißen hat, ihr Anerkennungsjahr absolvieren. "Das war aber nicht meins hier. Nach einem halben Jahr habe ich aufgehört und in Heidenheim weitergemacht."

Eigentlich lieber Heidenheim

Nachdem Fischer zwei Kinder zur Welt gebracht hatte, wollte sie eigentlich wieder in Heidenheim einsteigen. Weil das aber nicht geklappt hat, meldete sie sich vorerst arbeitslos - und eine Empfehlung des Arbeitsamtes, in Giengen vorstellig zu werden, ließ nicht lange auf sich warten. "Darüber war ich nicht glücklich, eigentlich hatte ich gehofft, sie nehmen mich nicht", erinnert sich Fischer schmunzelnd. Fischer aber wurde angenommen, entsprechend ihrer Wünsche: Dienst von Freitag bis Montag, alle 14 Tage. Obwohl sie wider Erwarten Freude an der Arbeit in Giengen hatte, zog es sie 1991 in eine neue Einrichtung nach Niederstotzingen. Ein Schritt, der sich als Fehler herausstellen sollte. "Als in Giengen wieder eine Stelle für die Nachtschicht frei wurde, ging ich zurück, es war mein dritter Versuch."

Es sollte der letzte bleiben und zugleich der Beginn eines langen, erfolgreichen Wegs in der Giengener Einrichtung. "Ich würde Sie als unsere Antonie Kraut in Giengen bezeichnen", so Schneider im Hinblick auf die Gründerin der Evangelischen Heimstiftung. Während ihrer beruflichen Laufbahn lagen Fischer, auch das betonte OB Henle, nicht nur die Menschen, sondern auch die Nachhaltigkeit am Giengener Standort am Herzen, sei es beim Thema LED-Lichter, Blockheizkraftwerk oder Gartengestaltung. Vergangenes Jahr beispielsweise waren in Zusammenarbeit mit dem Naturschutzbund Blumenbeete rund um die Einrichtung mit heimischen Stauden bestückt worden.

Künftig kann sich Fischer auf ihren eigenen Garten und auf ihre eigenes Ruhestands-Leben konzentrieren. Uschi Weischedel aus dem Heimbeirat weiß bereits, wie sich das anfühlt, und gab Fischer einige Tipps mit auf den Weg. "Schmiede Pläne", sagte sie, "aber wirf sie auch gleich wieder über den Haufen." Die scheidende Hausdirektorin, den Glücksbringer einer Bewohnerin in der Hand, war angesichts ihres Abschieds schlicht "überwältigt".

Karina Winterlik hat die Stelle der Hausdirektorin übernommen. Nadine Rau

Neue Hausdirektorin ist seit kurzem Karina Winterlik. Sie hat 2017 ihr Trainee-Programm nach dem Studium im Paul-Gerhardt-Stift absolviert und war vom Haus "total begeistert". Erfahrungen in einer Führungsposition konnte sie bereits sammeln, als sie in Heidenheim die Residenz Stadtwaage geleitet hat. Nach ihrem Mutterschutz will Winterlik jetzt in Giengen durchstarten: "Das ist eine tolle Chance für mich."

Einig war man sich beim Stabwechsel darüber, dass Winterlik das Haus mit ihrer ähnlich besonnenen Art, wie Fischer sie hat, erfolgreich weiterführen kann. Und während Winterlik in den nächsten Wochen das Haus und ihre neuen Aufgaben noch besser kennenlernen möchte, könnte Fischer sich wieder die Laufschuhe schnüren. Der nächste Halbmarathon, er kommt bestimmt, und "jetzt habe ich ja Zeit dafür", so Fischer lachend.

Von der Vertretung zur Direktorin

Ab Februar 2021 war Renate Fischer offiziell Hausdirektorin des Altenpflegeheims Paul-Gerhardt-Stift und übernahm damit die Verantwortung für rund 100 Mitarbeiter und rund 100 Bewohnerinnen und Bewohner. Schon von Oktober 2019 an vertrat sie jedoch ihre Vorgängerin Beate Jung, die in Elternzeit war. Fischer hat während ihrer beruflichen Laufbahn alle ihre Vorgängerinnen und Vorgänger auf dem Posten selbst erleben dürfen. Karina Winterlik, so Fischer, sei die siebte Hausdirektorin der Einrichtung.