Einmal im Jahr werden in Giengen andere Saiten aufgezogen. Das Gitarrenfestival von Jule Malischke ist schon zur guten Tradition geworden. Und wie von Freitag bis Sonntag in der Schranne zu erleben war: Julie Malia macht das genauso gut – Kunststück, es ist ja ein und dieselbe Person. Im Hinblick auf den internationalen Markt hat sich Jule Malischke den Künstlernamen Julie Malia zugelegt. Weil auch das diesjährige Gitarrenfestival recht international besetzt war, soll es in diesem Bericht bei dem Künstlernamen bleiben.
Internationaler Star in der Gitarrenwelt ist der Kanadier Don Ross, mit dem Julie Malia vor kurzem entlang der Westküste Kanadas tourte. Es ist bereits das zweite Mal, dass er beim Gitarrenfestival in Giengen auftritt, und er versprach, beim nächsten Mal Schwäbisch-Kenntnisse mitzubringen. Das Publikum wird nichts dagegen haben, solange er auf jeden Fall seine Fingerstyle-Fertigkeiten darbietet. Mit diesen begeisterte er das Publikum, das hingerissen die rasanten Fingerbewegungen verfolgte – übrigens ein aparter Gegensatz zum große Ruhe ausstrahlenden Habitus des Künstlers, der wie ein Fels in der umgehenden rhythmischen und groovigen Brandung steht. Sozusagen der Big Rock im Geschehen.
Baden in Musik in der Giengener Schranne
Und ebenso hingerissen genoss das Publikum das, was mit diesem schnellen und exakten Spiel produziert wurde. Seine Eigenkompositionen waren so virtuos, so eingängig, dass man förmlich in der Musik baden konnte. Er spielte allein und im Duo mit Julie Malia, und die beiden ergänzten sich nicht nur im Spiel perfekt, sondern auch im Gesang. Das Musikbaden wurde zum puren Wellness.
Ihr „Schnucki-Festival“ nannte Julie Malia die diesjährige Ausgabe ihrer Veranstaltung, und das aus gutem Grund: „Es sind lauter Herzensmenschen dabei“, erzählte sie. Damit war natürlich Don Ross gemeint, aber auch Isa Kimmel und Martin Weinert. Die Violinistin und der Kontrabassist gesellten sich zu den beiden Gitarristen – es war das erste Mal, dass alle vier gemeinsam auf der Bühne standen. Zwar tritt Julie Malia mit jedem der drei regelmäßig gemeinsam auf, das aber jeweils im Duo. Einen Abend lang wurde gemeinsam geprobt und schon stand das Bühnenprogramm des frisch gebackenen Quartetts. Und das sorgte für ganz besonderen Saitenzauber.
Premiere für ein Quartett mit Julie Malia
Geradezu sphärisch konnten Bass und Geige klingen, die damit dem Gitarrenspiel noch ein reizvolles Sahnehäubchen aufsetzten. Dazu durfte sich noch jeder der vier in Soli austoben – und toben ist durchaus wörtlich zu nehmen, denn Tempo und Virtuosität gingen hier eine hervorragende Symbiose ein. Da wurde gezupft, geklopft, geschnipst, gestrichen, dass es nur so eine Freude war. Zum Programm des Quartetts gehörten auch „He waited“ und „Free your mind“ aus dem aktuellen Album von Julie Malia „Seagull“. Auch in diesen Programmteil ließ sich herrlich eintauchen, zumal auf der Bühne neben spürbarer Spielfreude auch eine große Übereinkunft herrschte – ganz erstaunlich für eine Premiere im Zusammenspiel.
Erfahrungsgemäß ist der erste Abend des Festivals mit der Lokalmatadorin Julie Malia selbst auf der Bühne immer besser besucht als der zweite. Das war auch am Wochenende so, und das war extrem schade, denn auch am zweiten Abend standen Künstler parat, die große „Schnucki“-Qualitäten haben. Paco Seco, aus dem andalusischen Ronda angereist, auf den Julie Malia einst bei einem Konzert in Malaga stieß, brachte spanische Leidenschaft in die Schranne.

Flamenco hat er drauf, und Klassik ebenso, und er versteht es auch fabelhaft, die beiden Genres zu verknüpfen. Kinderliedern und Volksliedern aus seiner Heimat gibt er seine ganz eigene Prägung, dazu Flamenco in düster und Flamenco in sonnig und obendrein noch mit einer Interpretation des deutschen Barockkomponisten Silvius Leopold Weiss („King of Melancholy“) als besonderes Bonbon – also stieg die Temperatur in der Schranne gleich nochmal ein paar Grade an, die ganze Atmosphäre war Feuer, Flamme, Glut und das Publikum absolut in Begeisterung entzündet. Paco Seco spielt überall auf der Welt, hatte Julie Malia ihn angekündigt – und mit Giengen dürfte der letzte blinde Fleck verschwunden sein.
Das Teilen des Augenblicks
Und als wäre damit nicht schon die Vielseitigkeit der Vielsaitigkeit des Festivals genügend bewiesen, gab’s noch einen weiteren Trumpf: Biber Hermann – nein, das ist nicht sein richtiger Vorname, sondern kindlicher Spitzname, der zum Künstlernamen wurde – brachte den Blues in die Schranne. Und dabei ging es auch wieder richtig ab: Biber Hermann agiert mit Mundharmonika, Gesang und natürlich Gitarre, und die wiederum als Rhythmusgitarre, Leadgitarre, Bass und auch Schlagwerk eingesetzt wird, praktisch als ganze Band, und entsprechend voluminös und mitreißend war dann auch sein Vortrag, der sowohl Bekanntes wie „Little Red Rooster“, aber auch Eigenkompositionen des rührigen Rheinländers beinhaltete.

Bob Dylan kam auch darin vor, und zwar zum einen mit der Interpretation seines Songs „Tomorrow is a long time“, aber auch mit dem Zitat, dass es kein Problem sei, vor einer großen Masse aufzutreten, in einem kleineren Rahmen aber sei jede einzelne Seele spürbar. Damit beschrieb Biber Hermann den Charakter des Festivals, über das Paco Seco schon befunden hatte, es sei etwas ganz Besonderes, weil hier Wertschätzung und das gemeinsame Teilen des Augenblicks zu erfahren sei.
Das dürften auch die beiden Opener der Abende gespürt haben: Singer/Songwriter Ernie Rissmann bereitete mit seinen eingängigen, gleichwohl aber immer überraschenden Songs für den stimmigen Auftakt am ersten Abend. Und am zweiten Abend zeigten die vier Musikerinnen des Aares-Quartetts, dass es um den Gitarristen-Nachwuchs ganz schön gut bestellt ist. Larissa Ziegler aus Wangen, Margaréta Lakner aus Szeged, Masha Sova aus St. Petersburg und Luisa Khandro aus Augsburg, allesamt Studenten an der Musikalischen Hochschule Dresden, hatten nicht nur die Komposition „Syrah“ ihres Professors Thomas Fellow – der übrigens auch schon beim Gitarrenfestival Giengen war – dabei, die äußerst süffig zwischen herb und mild mit einem äußerst spritzigen Abgang zu genießen war, sondern präsentierten auch Eigenkompositionen. Und das auf eine äußerst einfallsreiche und ungemein talentierte Weise - sogar eine Uraufführung hatten sie im Gepäck. Auch das also wieder einmal eine Entdeckung beim Gitarrenfestival, bestens geeignet, die Vorfreude auf das nächste anzufachen.
Die Julie-Malia-Gitarre
Noch ein Schnucki wurde anlässlich des Festivals vorgestellt: die Julie-Malia-Signature-Gitarre. Die Firma Duke Guitars, mit denen die Musikerin schon seit langem zusammenarbeitet, hat die Crossover-Gitarre nach den Vorstellungen Julie Malias entwickelt. Der Fokus liegt auch hier auf Vielseitigkeit und sie eignet sich damit nicht nur für Malia selbst bestens, sondern auch für alle Gitarristen, ganz gleich, ob sie aus der klassischen, Steel-String- oder E-Gitarren-Welt kommen. Julie Malia ist damit die Künstlerin mit einer eigenen Duke Signature Guitar.