Als es im Juni im Nachbarlandkreis Dillingen nach schweren Regenfällen zu Überflutungen kam, spendete der Giengener Feuerwehrausrüster Ziegler 45.000 Sandsäcke, um die Wassermassen im Zaum zu halten. Dafür gab es viel Anerkennung. In den vergangenen Monaten wurde das Unternehmen dagegen eher gescholten – zumindest indirekt. Löschfahrzeuge, so war es in mehreren Gemeinden zu hören, würden immer teurer. Teils wurden die Preissteigerungen geradezu als „unanständig“ bezeichnet. In Steinheim erwägt man sogar, ein vergleichsweise einfaches Transportfahrzeug selber aufzubauen.
In der Giengener Ziegler-Zentrale hat man diese Berichte sehr wohl wahrgenommen. Betriebsratsvorsitzender Jochen Brachert räumt ein, dass solche Nachrichten ihm und seinen rund 600 Kolleginnen und Kollegen weh tun. Die Auswirkungen des Ukrainekriegs auf die weltweiten Lieferketten haben auch vor Ziegler nicht Halt gemacht. Hinzu kommt, dass die von Land und Kommunen angewandte Beschaffungspraxis „nicht die günstigste“ sei, wie Markus W. Weber, Gesamtvertriebsleiter bei Ziegler, erklärt. Sprich: Die Fahrzeuge könnten günstiger sein, was in letzter Konsequenz Steuergeld sparen würde. Wie kommt das?
Hersteller haben hohe Risiken – und müssen sie in die Preise einkalkulieren
Will eine Kommune oder das Land ein Feuerwehrauto bestellen, wird es ausgeschrieben und schließlich zum Festpreis vergeben. Von der Auftragsvergabe bis zur Auslieferung vergehen in der Regel aufgrund der komplexen Planung und Produktion anderthalb bis zwei Jahre. Steigen in dieser Zeit die Rohstoff- oder Materialpreise, geht dies zulasten des Auftragnehmers, in diesem Falle Ziegler. Entsprechend ist man bei der Kalkulation bemüht, die Inflation über den gesamten Produktionszeitraum zu schätzen und einzuberechnen, erklärt Uwe Lang, Mitglied der Geschäftsleitung bei Ziegler. Die Alternative wäre, dass mit jedem fertiggestellten Fahrzeug ein Verlustgeschäft vom Hof rollt.
Hinzu kommt, dass es bei der üblichen Beauftragung nach der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL) keine Abschlagszahlungen gibt. Wenn Ziegler zu Beginn der Produktion beispielsweise für einen sechsstelligen Betrag ein Fahrgestell samt Motor von Mercedes kauft, muss man in Giengen umgehend die Rechnung bezahlen, kann die Kosten aber erst viel später abrechnen. Im Umkehrschluss muss Ziegler die kompletten Fahrzeuge teuer vorfinanzieren. Bei rund 250 ausgelieferten Fahrzeugen pro Jahr kommt da eine gewaltige Summe zusammen. Und auch diese Finanzierungskosten machen die Fahrzeuge teurer.
Martin Mayer, Betriebsrats-Vize bei Ziegler, sieht noch eine weitere Ursache für Preissteigerungen. Viele Kommunen setzten mittlerweile Dienstleister ein, um die Ausschreibung von Feuerwehrfahrzeugen vorzubereiten – und die setzten oftmals den Standard einer Berufsfeuerwehr an, was zu entsprechend aufwändigen Fahrzeugen führe.
IG Metall und Hersteller gehen auf die Landespolitik zu
In Baden-Württemberg gibt es mit Ziegler in Giengen, dem Rosenbauer-Produktionsstandort in Karlsruhe und Iveco in Ulm drei große Hersteller von Feuerwehrfahrzeugen. Und die sehen sich zunehmend unter Druck. Iveco verkündete im März den Einstieg eines Finanzinvestors, bei der österreichischen Rosenbauer-Gruppe ist unter anderem der Sohn des verstorbenen Red-Bull-Gründers Dietrich Mateschitz eingestiegen. Und bei Ziegler erinnert man sich nur allzu gut an die Insolvenz im Jahre 2011. Um nicht erneut in Schwierigkeiten zu geraten, streben die Unternehmen und die Gewerkschaft IG Metall eine politische Lösung an.
Nicolas Bauer ist Gewerkschaftssekretär in der Stuttgarter IG-Metall-Zentrale und koordiniert die gemeinsamen Bestrebungen. Man stehe bereits in Kontakt mit den Landtagsfraktionen. In den ersten Gesprächen habe es durchaus Aha-Effekte gegeben, weil etlichen Landtagsmitgliedern diese Beschaffungspraxis nicht klar gewesen sei. Auch auf Ministeriumsebene gab es bereits Gespräche, sagt Bauer. Eine Lösung ist aber offenbar noch nicht in Sicht. Eine Anfrage der HZ beim baden-württembergischen Innenministerium blieb zunächst unbeantwortet.
Ziel der Unternehmen und der Gewerkschaft wäre neben der Möglichkeit von Abschlagszahlungen eine Preisgleitklausel in den Verträgen, damit Preisentwicklung bei Rohstoffen und Material berücksichtigt werden können – nach oben wie nach unten. Ziegler-Vertriebschef Weber schwebt ein baden-württembergisches Leuchtturmprojekt vor, das auch Vorbild für andere Bundesländer sein könnte.
Für den Ersten Bevollmächtigten der IG Metall in Heidenheim, Tobias Bucher, birgt die bisherige Praxis noch mehr Probleme. „Wir müssen uns fragen, ob wir so eine systemrelevante Branche dauerhaft hier haben wollen“, sagt Bucher. Die drei genannten Hersteller zahlten Tariflöhne, während es Wettbewerber gebe, die günstiger im Ausland produzieren ließen. Es geht ihm also um die qualifizierten Arbeitsplätze in der Region.
Land will gesammelt ausschreiben
Ziegler-Vertriebschef Markus Weber sieht gleichzeitig eine weitere Herausforderung auf die Hersteller zukommen: 2025 will Baden-Württemberg Sammelausschreibungen für weitgehend baugleiche Löschfahrzeuge einführen. Der Zwang zur Vorfinanzierung bleibt dann gleich, die Ausschreibung birgt aber das Risiko, dass gleich der Auftrag für Dutzende Fahrzeuge an einen Wettbewerber gehen könnte.