Am Dienstagabend ging zweimal ein Raunen durch die Güssenhalle. Einmal ging es um viel Geld, das andere Mal um viel Zeit. Das Regierungspräsidium Stuttgart (RP), die Stadt Giengen und die Gemeinde Hermaringen hatten eingeladen, um aktuelle Planungsvarianten vorzustellen, wie der Bahnübergang am Giengener Ortsausgang beseitigt werden könnte.
Favorisiert wird von den RP-Planern die Variante eines Tunnels, der auf Höhe Hohweiher beginnen, unter dem Bahnübergang hindurchtauchen und in der Bahnhofstraße enden würde. Vorteile seien geringer Flächenverbrauch und keine Eingriffe in fremdes Eigentum. Aus Sicht des Umweltschutzes wäre auf knapp 400 Quadratmeter ein Eingriff in einen submediterranen Trockenrasen nötig, aus Sicht des Artenschutzes wäre die Variante unauffällig. Die kalkulierte Bauzeit beträgt ungefähr zwei Jahre.
Der Tunnel unter dem Giengener Bahnübergang soll 210 Meter lang werden
Aber: Für die insgesamt 1,2 Kilometer lange Trasse und den gut 200 Meter langen Tunnel wären nach heutigen Baupreisen rund 67 Millionen Euro bezahlen. Das erste Raunen im Saal. Das zweite war nach der Antwort auf die Frage zu hören, wann denn mit einem Baubeginn zu rechnen sei. Uwe Rübl, stellvertretender Leiter des RP-Referats Straßenplanung, sagte: „Nicht vor 2031.“
Das liegt auch daran, dass noch viele planerische Schritte zu gehen sind, bevor sich Politik und Bauverantwortliche zum obligatorischen Spatenstich aufreihen werden. Die Zeichnungen, die in der Güssenhalle präsentiert wurden, wirken zwar schon weit gediehen, aber es stehen noch etliche Planungen, Untersuchungen und Verhandlungen an. Wenn ein Architekt ein Haus plant, fertigt er zuerst eine Skizze an, auf deren Basis er das Gebäude weiterentwickelt, lange bevor ein Baugesuch eingereicht oder eine Ausschreibung erstellt wird. An diesem Punkt sind auch die Planungen für die Beseitigung des Bahnübergangs.
Hinzu kommt: Das Vorhaben steht zwar im sogenannten Maßnahmenplan des Landes, zusammen mit 116 anderen Straßenbaustellen, davon 17 weiteren zu beseitigenden Bahnquerungen. Dieser Maßnahmenplan wird aber 2025 vom Land wieder überprüft, dann entscheidet sich, welchen Stellenwert der Giengener Bahnübergang hat. Rübl ging auf Nachfrage aus dem Publikum aber davon aus, dass das Vorhaben nicht gestrichen wird. Kommt es zum Bau, müssten sich Land, Bund und Bahn die Kosten teilen.
Varianten wären billiger, aber schlechter für Natur und Umwelt
Geprüft wurden bislang auch zwei Varianten zum Tunnel. Eine davon sollte vor Hohweiher von der bestehenden Trasse abbiegen, über eine Brücke über die Bahnlinie führen und in den Giengener Weg einbiegen. Die Kosten dafür lägen mit geschätzten 37 Millionen Euro zwar deutlich niedriger, die Bauarbeiten würden aber in ein teils überdecktes Niedermoor einschneiden, in dem aufwändige Fundamente für den Straßenbau hergestellt werden müssten.
Die dritte Variante würde direkt an die B492 bei Hermaringen anschließen und am Giengener Weg entlang bis in die Giengener Bahnhofstraße führen. Die Kosten lägen aus heutiger Sicht ebenfalls bei 37 Millionen Euro, allerdings beträfe diese Variante entlang der Brenz noch weitere sensible Bereiche. Zudem müssten, so Projektleiterin Dorothea Roth vom RP, entlang des Giengener Wegs mehrere Wohnhäuser abgerissen werden, weil der Trassenverlauf sonst zu schmal wäre. Auch dies ein Moment, in dem es kurz ein, zwei Grad kühler wurde in der Halle.
In der Diskussion meldete sich der Giengener Altstadtrat Rudolf Boemer zu Wort. Die Tunnelvariante bringe für die Anbindung der Filzfabrik keine Verbesserung. Gerade diese ist aber ein wichtiger Punkt für den Umbau des Bahnübergangs, weil in der Vergangenheit mehrmals regelwidrig abbiegende Lkw-Fahrer Unfälle verschuldetet haben. Außerdem, so Boemer verbaue sich Giengen mit der Tunnellösung die Anbindung an die geplante Stadtrandstraße. Bei den Häusern, schloss Boemer, handle es sich nicht gerade um erhaltenswerte Substanz, weshalb er eine Variante über den Giengener Weg bevorzuge.
Ist die „Wahnsinnssume“ unnötig?
Giengens Oberbürgermeister Dieter Henle widersprach: Die Stadtrandstraße könne übers Ried auch an die Tunnelvariante angeschlossen werden, auch wenn man vor seiner Amtszeit in Giengen stets eine Querung der Bahn südlich von Hohweiher favorisiert habe. Die Tunnellösung gehe aber schonender mit sogenannten Schutzgütern um, dazu zählt neben Umwelt und seltenen Arten auch der Mensch. Auch deshalb, betonte Henle, wolle er sich kein Urteil über bestehende Häuser anmaßen.
Der frühere Hermaringer Gemeinderat Hans-Dieter Diebold hielt es für unnötig, eine „Wahnsinssumme“ für die Beseitigung des Bahnübergangs auszugeben. Nach einer Verkehrsschau habe man nur „ein läppisches Schild“ angebracht und, so Diebold weiter, weitere Möglichkeiten nicht ausgeschöpft. Henle warf er direkt vor, nicht nur die Sicherheit im Blick zu haben, sondern vor allem die Anbindung an die Stadtrandstraße anzupeilen.
Wenn sich der Verkehr durch die Stadt quält, ist das nichts Gutes.
Dieter Henle, Oberbürgermeister
Henle widersprach erneut. Verkehrsrechtlich sei der Bereich am Bahnübergang ausgereizt. Dass Giengen die Anbindung übers Ried anstrebe, sei kein Geheimnis: „Wenn sich der Verkehr durch die Stadt quält, ist das nichts Gutes.“ Giengens Bürgermeister Alexander Fuchs fügte hinzu, die Planungen für Stadtrandstraße und die Anbindung übers Ried seien in einem noch früheren Stadium als die Beseitigung des Bahnübergangs. Sie funktionierten zwar beim Blick auf den Lageplan, ohne weitergehende Untersuchungen sei es jedoch schwer zu sagen, ob diese Pläne realisiert werden können.
Mehrere Landwirte aus Giengen und Hermaringen sprachen sich für die Tunnellösung aus, die aus ihrer Sicht den geringsten Flächenverbrauch verursache. Anwohner Eberhard Fetzer regte an, die enge Kurve entlang seines Grundstücks zu entschärfen und Richtung Westen zu strecken, die bei der Begegnung von Lkw immer wieder zu Unfällen führe. Dies sei nicht möglich, so Naturschutzplanerin Marlies Kanebley, weil damit ein FFH-Gebiet berührt würde.
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