Es gibt gute Gründe, warum nach einer großen, teilweise sogar mehrgängigen Mahlzeit doch noch Platz für ein Stückchen Kuchen ist: Nachtisch geht nicht in den Magen, sondern mit Liebe ins Herz. Auch die 36-jährige Gabriela Moraes Malandrin aus Brasilien liebt Kuchen, aber vor allem das Backen. So machte sie ihre Leidenschaft zum Beruf und eröffnet Mitte Februar ihren eigenen Laden mit selbstgebackenen Kuchen, Torten und Brot in Giengen. Das Besondere daran: Alle Waren sind laktose- und glutenfrei sowie zum großen Teil vegan.
In ihrem Onlineshop kann man die Backwaren schon länger kaufen. Dort bestellt man, Malandrin bereitet alles frisch zu und die Kundinnen und Kunden können es an der Haustür abholen. Teilweise hat sie die Bestellungen auch geliefert. „Immer häufiger kamen Leute auch einfach vorbei, haben geklingelt und wollten etwas kaufen“, sagt die 36-Jährige. Da sie alles frisch backt und davon nur so viel, wie für eine aktuelle Bestellung verlangt wird, hat sie jedoch nichts auf Vorrat, um Interessierten spontan dienen zu können. „Ich backe komplett ohne Konservierungsstoffe. Dadurch kann ich die Sachen nicht einfach aufbewahren, für den Fall dass spontan jemand kommt. Wenn keiner kommt, müsste ich es am Ende wegschmeißen.“
Lieferservice wird es ab der Eröffnung nicht mehr geben
Da Malandrin Mutter von zwei Kindern ist und den Laden alleine führen wird, war die Standortwahl eine schnell beschlossene Sache: „Es ist am unkompliziertesten, wenn ich es bei uns zu Hause mache. Wir haben den Platz und ich kann trotzdem bei meinen Kindern sein.“ Dennoch sollte der Laden nicht in den eigenen vier Wänden sein. „Die Räumlichkeiten neben unserer Garage haben wir komplett saniert, gestrichen und mit Regalen und Schränken eingerichtet. Jetzt fehlt nur noch eine Vitrine und etwas Deko, dann kann ich eröffnen“, erzählt die zweifache Mutter.
Ich backe komplett ohne Konservierungsstoffe.
Gabriela Moraes Malandrin
Insgesamt soll der Laden an drei Nachmittagen in der Woche offen haben: Mittwoch, Donnerstag und Freitag von 14 bis 18 Uhr. Montag und Dienstag möchte die Konditorin nutzen, um Einkäufe zu erledigen sowie Kuchen und Torten herzustellen. „Das Brot muss an den Öffnungstagen jeden Vormittag frisch gebacken werden.“ Der Onlineshop soll trotzdem weiter bestehen bleiben, den Lieferservice allerdings wird es nicht mehr geben.
Wird irgendwann ein Café daraus?
Zu einem guten Stück Kuchen gehört eigentlich auch eine heiße Tasse Kaffee. Die bekommt man bei Malandrin im Laden auch, jedoch nur zum Mitnehmen. Heißt: Der Laden ist kein Café. Es gibt keine Tische und Stühle, um Kaffee und Kuchen vor Ort zu essen und trinken. „Ich werde einen Stehtisch oder einen kleinen Tisch mit zwei, drei Stühlen haben, aber nur um umfangreiche Torten- und Kuchenbestellungen besprechen zu können“, sagt die Konditorin. Generell könne sie sich gut vorstellen, ihren Laden in ein Café zu erweitern, ist dafür allerdings noch mit dem Giengener Rathaus über die weitere Vorgehensweise in Gesprächen.
Wie wurde die gebürtige Brasilianerin, die ursprünglich Geschichte und Demografie in ihrem Heimatland studiert hat, überhaupt Konditorin in Giengen? Eine Diagnose öffnete ihr dafür neue Türen. „Nach meinem Studium haben mein Mann und ich geheiratet und ich bin 2014 zu ihm nach Deutschland gezogen. Er ist auch aus Brasilien, lebte aber schon seit vier Jahren in Giengen“, erzählt sie. Zu dieser Zeit sprach sie noch kein Wort Deutsch, sie eignete sich die Sprache in einem Kurs an.
Schon in Brasilien habe sie immer wieder mit starken Bauchschmerzen kämpfen müssen, ohne einen genauen Grund dafür zu kennen. Erst nach Untersuchungen in Deutschland bekam sie die Diagnose: Zöliakie, eine durch Glutenunverträglichkeit verursachte Autoimmunkrankheit, die vor allem den Darm betrifft und bei Betroffenen starke Schmerzen verursacht. Zusätzlich leidet Malandrin noch an einer Laktoseintoleranz.
Zur Konditorin in nur drei Monaten
„Da ich das Backen natürlich nicht aufgeben wollte, jedoch nicht länger mit herkömmlichen Produkten arbeiten konnte, machte ich von Giengen aus ein brasilianisches Onlineseminar für gluten- und laktosefreies Backen“, erzählt sie. Im Laufe der Zeit kamen immer häufiger Freunde, Bekannte und Verwandte und wollten, dass sie für sie backt. „Da war mir klar: Wenn ich für andere backe, dann möchte ich das richtig und nach deutschen Richtlinien machen.“
Das Problem war, dass sie wegen ihrer Krankheit nicht zu den Kursen für die Ausbildung zur Konditorin gehen konnte. Damit war der klassische Weg, die Ausbildung in drei Jahren zu absolvieren, nicht möglich. Sie brauchte eine Ausnahmebewilligung. „Ich bekam eine Liste mit allen nötigen Büchern und Materialien und konnte mir damit den Stoff eigenständig beibringen. Die Prüfung war jedoch Pflicht, um den Titel als Konditorin zu erlangen“, sagt die 36-Jährige.
Also begann Malandrin im September 2021 mit dem Büffeln. Tag und Nacht, mit wenig Deutschkenntnissen und viel Übersetzungsarbeiten ins Portugiesische, hat sie sich Stoff, der für drei Jahre Ausbildung gedacht ist, in drei Monaten beigebracht. Im November 2021 absolvierte sie erfolgreich die sechseinhalbstündige Abschlussprüfung bei der Handwerkskammer in Mannheim. „Es war eine sehr anstrengende Zeit. Meine Kinder waren ja auch noch da, aber ich bin froh, es durchgezogen zu haben“, sagt Malandrin und lacht. Die übersetzten und mit Bleistift hingeschriebenen Wörter stehen noch heute auf allen Seiten ihrer Lehrbücher.
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