Auch nach längerer Diskussion konnte sich der Giengener Gemeinderat am vergangenen Donnerstag nur die Entscheidung abringen, eigentlich nichts zu entscheiden. Abgestimmt wurde über den etwas verzwickt klingenden Antrag der Stadtverwaltung, der Rat möge die Verwaltung damit beauftragen, gegenüber dem Regionalverband Ostwürttemberg eine Stellungnahme zum Anhörungsentwurf für die „Teilfortschreibung Windenergie 2025“ des Regionalplans abzugeben. Dabei handelt es sich um einen von mehreren Verfahrensschritten, um sogenannte Vorranggebiete für die Windkraft festzulegen. Die endgültige Entscheidung darüber, auf welchen Flächen Windkraftanlagen in Zukunft grundsätzlich gebaut werden könnten, trifft der Regionalverband erst in der zweiten Jahreshälfte 2025.
Das Thema war für den Rat nicht neu: Bereits im Februar hatte das Gremium umfangreich über mögliche Windkraftflächen beraten, dabei beschlossen, die Abstandsflächen zwischen Anlagen und Bebauung zu verringern. Auch die Entscheidung, zwei potenzielle Vorrangflächen im Bereich Kirnberg und Hoher Stich an den Regionalverband zu melden, fiel damals. Das Ergebnis im Februar war vergleichsweise knapp: 13 Ratsmitglieder stimmten dafür, neun dagegen.
Patt im Giengener Gemeinderat
Am Donnerstag kam es dagegen zum Patt: Zehn Rätinnen und Räte stimmten dafür, zehn dagegen, vier enthielten sich. In der Folge, das hatte Oberbürgermeister Dieter Henle vorab erklärt, wird die Stadt in dieser Phase der Anhörung keine Stellungnahme abgeben. Das bedeutet freilich nicht, dass die mögliche Nutzung der beiden Gebiete für den Bau von Windparks damit ausgeschlossen ist. Die Entscheidung liegt ohnehin beim Regionalverband. Henle ist Vertreter der Stadt Giengen im Regionalverband.
Bereits in der Bürgerfragestunde zu Beginn der Gemeinderatssitzung war die Wandkraft Thema gewesen. Dabei wurde etwa der Vorwurf laut, von möglichen Windparks an diesen Standorten gehe Gesundheitsgefährdung aus, die Stadtverwaltung handle „ignorant“. Dagegen verwahrte sich Henle. Zwar sei es richtig, dass es unterschiedliche Kategorien von Vorranggebieten gibt und dass die beiden von der Stadt Giengen gemeldeten Flächen „konfliktbehaftet“ sind. Die Entscheidung darüber, ob diese Flächen dennoch zu Vorranggebieten erklärt werden, treffe jedoch die Vollversammlung des Regionalverbands, auch auf Basis aller bis dahin eingehenden Stellungnahmen.
Bürgermeister Alexander Fuchs erinnerte nochmals daran, dass sich Gemeinderat und Stadtverwaltung das „hohe Ziel“ gegeben haben, bis 2035 klimaneutral zu werden. Daher müssen man sich vom bisherigen Strommix wegbewegen. Es sei bekannt, so Fuchs, dass die vorgeschlagenen Flächen vergleichsweise geringe Windausbeute versprechen, dennoch haben man Flächen anbieten wollen. „Wenn sie nachher herausfallen, dann ist es eben so“, sagte Fuchs.
Die Diskussion im Rat spiegelte bereits das spätere Entscheidungsergebnis wider. „Windräder gehören nicht in den Wald“ erklärte Stadträtin Ute Goppelt (SPD). Man können sie entlang der Autobahn oder in Industriegebieten bauen. Bürgermeister Fuchs entgegnete, Wald habe einen hohen Wert, „den sprechen wir aber auch der Windkraft zu“.
Stadträte sorgen sich um Naherholungsgebiet
Werner Bader (CDU-Wählerblock) vertrat eine konträre Meinung: „Wir sollten uns der Entwicklung nicht verschließen.“ Sollte der Regionalverband die Flächen aufnahmen, hätte die Stadt dank überwiegender Eigentümerschaft immer noch die Möglichkeit, einen Bau abzulehnen. Klimaschutz und Nachhaltigkeit seien wichtig, so Bader, in der Konsequenz würden Windparks oder Freiflächen-PV-Anlagen dennoch immer wieder abgelehnt. „Wir wollen nix, aber saubere Energie, da müssen wir Kompromisse eingehen“, so Bader.
Er nehme wegen des Standorts starke Unruhe in Giengen wahr, nicht zuletzt, weil sich in diesem Bereich das Naherholungsgebiet vieler Giengener befinde, berichtete der fraktionslose Stadtrat Martin Herrmann. Es sei wichtig, Akzeptanz für erneuerbare Energien zu gewinnen, die genannten Gebiete hätten aber viele Nachteile.
Dass Wald wichtig ist, sei unbestritten, betonte Gaby Streicher (SPD). Allerdings setze der durch den Menschen beschleunigte Klimawandel auch dem Wald zu. „Uns läuft die Zeit davon, wir müssen massiv gegensteuern“, so Streicher. Baden-Württemberg hänge beim Windkraftausbau weit hinterher.
Giengener Entscheidung hat wenig Auswirkungen
Er sei „total für Windkraft“, aber eben nicht in diesem Naherholungsgebiet, sagte Oswald Satzger (CDU-Wählerblock). Er sei dafür, lieber keine Stellungnahme abzugeben. OB Henle warnte davor, es sich zu einfach zu machen: „Man muss einen Standpunkt haben.“ Er halte nichts vom Sankt-Florians-Prinzip, immerhin gebe es einen gültigen Ratsbeschluss, diese Flächen anzumelden.
Dennoch hatte sich am Ende bei der Abstimmung das Stimmengewicht im Rat leicht zugunsten der Gegner verschoben. Die Verwaltung ging in einer ersten Einschätzung nicht davon aus, dass das Ausbleiben einer Stellungnahme die Entscheidung des Regionalverbands beeinflussen werde.
Der Fahrplan für den Windkraft-Plan
Die Kommunen und die sogenannten Träger öffentlicher Belange in der Region haben bis zum 15. Juli Zeit, Stellungnahme zum Planentwurf des Regionalverbands abzugeben. Nach Auswertung der erwarteten dreistelligen Zahl von Stellungnahmen wird der Plan womöglich erneut offengelegt. Spätestens bis zum 30. September 2025 muss der Verband einen Satzungsbeschluss fassen.