Nähe und Ferne sind relative Begriffe. Man kann sich einem Ort in unmittelbarer räumlicher Nähe fern fühlen oder ihm aus der Ferne tief verbunden bleiben. Es sei einmal unterstellt, dass Letzteres auf Anja Edelmann, Christel Fetzer und Patrick Cierpka zutrifft. Alle drei wurden in Giengen geboren und leben und arbeiten heute in Berlin. Giengen ist aber nicht aus ihren Leben verschwunden: Noch bis zum 24. November ist in der Schranne die Ausstellung „In weiter Ferne so nah“ mit ihren Werken zu sehen.
Dass man die in der Hauptstadt etablierten Künstlerinnen und den Künstler in Giengen nicht vergessen hat, belegte gleich zu Beginn der Vernissage die Tatsache, dass alle Plätze im Bürgerhaus restlos besetzt waren. „Investieren wir unsere Neugier“, forderte Oberbürgermeister Dieter Henle die Besucher auf. Ob es die faszinierenden und zugleich vollkommen unterschiedlichen Bilderwelten von Cierpka und Edelmann sind oder das Wechselspiel Fetzers zwischen Bildwelten und Skulptur – der erste Blick auf die Werke erkläre nicht alles, so Henle. Und weiter: „Die Kunst wird zum Lehrstück in vielen Bereichen“, wenn man sich darauf einlasse, Hintergründe zu erkunden und Bezüge neu herzustellen.
Drei etablierte Künstler aus einer Generation
In seiner Einführung in die Ausstellung wollte sich Dr. René Hirner einen Seitenhieb auf Heidenheim nicht verkneifen. Bemerkenswert sei es, dass das kleine Giengen mit heute etwas mehr als 20.000 Einwohnern gleich drei Kunstschaffende aus einer Generation hervorgebracht habe, die sich in der Kunst behaupten können. Die ungleich größere Kreisstadt könne in derselben Generation auf „ein oder zwei etablierte Künstler“ verweisen. Die Kunst, so der frühere Leiter des Heidenheimer Kunstmuseums, sei ein „hartes Geschäft“, wer sich mit über fünfzig noch in dieser Szene bewege, brauche Stehvermögen, ein auskömmliches Einkommen sei nur wenigen vergönnt.
„Am Ende muss mich ein Bild überraschen“, zitierte Hirner die 1970 geborene Anja Edelmann. Ihre eher abstrakten Bilder, die einen Schwerpunkt ihres Schaffens bilden, beginne die Künstlerin mit einem langen Pinselstrich, aus dem sich im Laufe ihrer Arbeit Brüche und Korrespondenzen entwickelten. In einem ähnlichen Stil, aber weit konkreter, schafft Edelmann gegenständliche Bilder, von denen ebenfalls einige in der Schranne zu sehen sind.
Realistische Darstellungen und Arbeiten mit Holz
Patrick Cierpka spielt nicht nur mit Farben, sondern mit der Wahrnehmung des Betrachters, wie Hirner anhand zweier großformatiger Bilder belegte, die fast den gesamten Bühnenhintergrund füllen. Ob es der senkrechte, geradezu fotorealistische Blick ins Blätterdach eines Waldes ist, oder das vermeintlich unscharfe Glitzern auf einer Wasseroberfläche: Der 1967 geborene Cierpka lote damit die Dimensionen der Wahrnehmung aus und liefere einen originellen Beitrag zur heutigen Malerei.
Christel Fetzer, ebenfalls 1967 geboren, arbeitet zwar ebenfalls mit Farben, allerdings trägt sie diese nicht auf Leinwand auf, sondern arbeitet mit Materialien, die man auf jeder Baustelle finden könnte: Latten, Bretter, Abschnitte von Parkett. Im Geiste der Minimal Art, so Hirner, nutze sie die plastischen Möglichkeiten des Materials, zugleich verändere Fetzer durch das (teilweise) Bemalen ihrer Skulpturen „alles“: „Aus seriellen Skulpturen werden Bildobjekte.“
Edelmann, Cierpka und Fetzer „zeigen uns die Vielfältigkeit und Originalität zeitgenössischer Kunst“, schloss Hirner. Die Ausstellung zeuge von hoher Professionalität.
Zu sehen bis zum 24. November
„In weiter Ferne so nah“ ist im Giengener Bürgerhaus Schranne bis zum 24. November jeweils von Dienstag bis Sonntag von 14 bis 18 Uhr zu sehen.