Jeder, der sich mit dem Auto schon mal von Giengen aus in Richtung Ulm aufgemacht hat, um über die B 10 zum schwedischen Möbelhaus, nach Ravensburg, Biberach oder an den Bodensee zu fahren, kennt das Blaubeurer Tor: Mit der Brücke, die gewissermaßen auf das Blaubeurer Tor zementiert wurde, und dem Kreisel, der auf der Rückfahrt von Ikea so manchem Fahrer Schweißperlen auf die Stirn getrieben hat.
Wer in den vergangenen Wochen dort unterwegs war, wird festgestellt haben, dass Bauarbeiten begonnen haben. Dabei handelt es sich nicht um Sanierungen beliebiger Art im Mini-Format – vielmehr sind die Arbeiten der Auftakt zum größten und teuersten Ulmer Bauvorhaben der vergangenen Jahrzehnte. Das Mammutprojekt wurde in rekordverdächtiger Zeit geplant und schlägt mit Kosten von gut 200 Millionen Euro zu Buche. Selbst für die Stadt Ulm ist das eine riesige Summe.
Das 2023 vom Ulmer Gemeinderat beschlossene und jetzt gestartete Vorhaben wird das Gesicht der Stadt verändern: Das denkmalgeschützte Blaubeurer Tor, das aktuell direkt vom Brückenbauwerk im Zuge der Stadtautobahn der B 10 überspannt wird, soll untertunnelt werden, der bestehende mehrspurige Kreisverkehr als bedeutender Verkehrsknoten wird durch zwei ampelgesteuerte Einmündungen ersetzt.

Einhergehend muss die in die Jahre gekommene Wallstraßenbrücke, als zentrales Brückenbauwerk im Zuge der B 10 über die Bahn, aufgrund gravierender Bauwerksschäden bereits mit vorliegendem Vorhaben erneuert werden.
Bausünden aus einer Zeit der Automobilfreundlichkeit
Damit werden gleichzeitig die Bausünden aus einer Zeit beseitigt, in der das Automobil im Mittelpunkt der Stadtplanung stand und der historische Festungsbau, das Blaubeurer Tor, mit viel Beton überbaut wurde.
An der Umgestaltung im XXL-Format in Ulm sind große Planungsbüros und namhafte Architekten, etwa aus London, beteiligt. Im Vorhaben an der Donaustadt steckt allerdings auch ein Stück Giengen – in Form des Büros G+H Ingenieurteam, das seinen Sitz an der Heidenheimer Straße hat. Als Ingenieurbüro planen und realisieren die Geschäftsführer Wolfgang Groll, Daniel Kettler und Christian Wenzlaw mit ihrem Team Vorhaben für staatliche, kommunale und gewerbliche Auftraggeber auf den Gebieten Vermessung, Straßenbau, Tiefbau oder Bauleitplanung. Das Büro hat beispielsweise bei der Umgestaltung am Industriepark an der A7 sowie einigen Streckenabschnitten der A7 selbst (zuletzt der 10,1 km lange Abschnitt Giengen bis zur Kreisgrenze Richtung Ulm) entscheidend mitgewirkt oder ist in Königsbronn für die Planung von Verbesserungen auf der Hauptverkehrsachse zuständig.
Ein dicker Fisch für das Büro in Giengen
Der Auftrag in Ulm ist zweifelsohne ein ganz dicker Fisch für Groll und seine Mannschaft. Dass das Giengener Büro mit zum Zug kam, dürfte in erster Linie Ergebnis jahrelanger vertrauensvoller Zusammenarbeit mit der Stadt Ulm sein, und dort im Speziellen mit dem „Macher“ des B-10-Umbaus, Gerhard Fraidel, der im Ulmer Rathaus bei der Erneuerung der B 10 den Hut aufhat.

Das Giengener Büro arbeitet nach Aussagen von Grolls Co-Geschäftsführer Daniel Kettler seit etwa 15 Jahren mit der Ulmer Verwaltung zusammen und war quasi bei einer „Vorstufe“ des Mammutprojekts mit im Boot. „Wir sind stolz, als Ingenieurteam an dieser Maßnahme mitwirken und unsere Kompetenz und Lösungsansätze einbringen zu dürfen“, sagt Groll, der zusammen mit Kettler an zig Besprechungen zum Vorhaben bisher teilgenommen hat. „Zum Glück gibt es heutzutage Video-Calls“, so Groll hinsichtlich der vielen unterschiedlichen Beteiligten im Prozess.
Wir sind stolz, unsere Kompetenz einbringen zu dürfen
Wolfgang Groll, Geschäftsführung G+H, Giengen
Die Rolle der Giengener – das Büro ist für die Verkehrsanlagen zuständig – ist zwar nicht die größte auf dem Weg zu Tunnel und neuer Brücke, einen gewichtigen Beitrag leisteten sie aber auf jeden Fall: „Ein Vorschlag von uns im Zuge einer Machbarkeitsuntersuchung hin zu einer Untertunnelung des Blaubeurer Tors wurde zur Vorzugsvariante und ermöglichte neue Perspektiven für die Gestaltung rund um das Blaubeurer Tor“, sagt Kettler.
Nach der Machbarkeitsuntersuchung habe G+H die gesamte weiterführende Verkehrsanlagenplanung unter Integration aller an der Planung Beteiligten in ihre Planunterlagen erbracht. Hierbei sei die zentrale planerische Vernetzung der Verkehrsanlagen und Ingenieurbauwerke übernommen worden. Somit sei die „Grundgeometrie für die nachfolgende Planung aller Fachdisziplinen“ vorgenommen worden. „Wir haben damit maßgeblich zur Realisierung dieses wegweisenden Projekts beigetragen“, so Geschäftsführer Groll, der eher im Spaß von einer „Schnapsidee mit dem Tunnel“ spricht, die nun Realität wird.
Mehr als 7000 Quadratmeter versiegelte Flächen werden zu lebenswertem Stadtraum.
Wolfgang Groll
Viel Zeit bleibt allen Beteiligten nicht, denn es gibt einen Anlass, zu dem die Arbeiten fertig sein müssen: Ulm hat den Zuschlag für die Landesgartenschau 2030 bekommen – das Areal am Blaubeurer Tor spielt dabei eine prägende Rolle. „Über den Anstoß der Landesgartenschau werden mit Tunnel und Brückenneubau insgesamt mehr als 7000 Quadratmeter bisherige Verkehrsdominanz und versiegelte Flächen zu lebenswertem Stadtraum und Grünanlagen aufgewertet und entsiegelt, bei gleichzeitiger Erhaltung der Verkehrseffektivität der B 10 als zentrale Hauptschlagader und zentraler Umschlagplatz für die Erreichbarkeit der Stadt Ulm“, sagt Groll, nicht ohne Stolz. Um das Ziel zu erreichen und damit alle Rädchen nahtlos ineinandergreifen, sei neben einem hohen Maß an Einsatzbereitschaft auch hohe und innovative Ingenieurskunst aller Beteiligten aus Verwaltung, Planung und Bau sowie eine straffe Gesamtorganisation und Projektleitung nötig.
Spezielles Verfahren zur Einhaltung des Zeitplans im Einsatz
Der Zeitplan für die Erneuerung der B 10 im Westen von Ulm ist ambitioniert. Anfang dieses Jahres startete der Umbau des Kreisverkehrs, zahlreiche provisorische Verkehrsführungen müssen eingerichtet werden. Außerdem startet der Tunnelbau. Von 2026 bis 2029 ist der Neubau der Wallstraßenbrücke in zwei Bauphasen vorgesehen. Die Fertigstellung des Tunnels ist für 2028 vorgesehen, und bis 2030 sollen die Freianlagen und Grünflächenanlagen im Zuge der anstehenden Landesgartenschau gestaltet werden.
Um den Zeitplan einhalten zu können, wurde ein sogenanntes Partnering-Verfahren gewählt. Im Vergleich zur herkömmlichen Ausschreibung der Bauleistungen wird hierbei der Baupartner über ein Bieterverfahren bereits frühzeitig in den Planungsprozess eingebunden. Davon verspricht man sich eine terminlich verkürzte Vorgehensweise, die Einbindung des Know-hows des Baupartners sowie eine wirtschaftlichere Realisierung des Gesamtprojekts. Das Partnering-Verfahren findet seit geraumer Zeit bereits Anwendung im Hochbau. Im Bereich Tief- und Straßenbau handelt es sich um eine Neuheit, die zum ersten Mal zum Einsatz kommt.