Prozess am Amtsgericht Heidenheim

21-jähriger Giengener wegen Handels mit Marihuana und Kokain verurteilt

Ein 21-jähriger Mann aus Giengen stand vor Gericht, weil er Marihuana und in einem Fall auch Kokain verkauft hat. Er wurde zu zwei Jahren Haft verurteilt. Warum er trotzdem nicht ins Gefängnis muss:

Die Chance, seine Ausbildung fortzusetzen und den Einstieg in ein geregeltes Leben zu finden, bekam ein 21-jähriger Giengener vom Jugendschöffengericht in Heidenheim. Richter Jens Pfrommer verurteilte den jungen Mann zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, die aber für drei Jahre zu Bewährung ausgesetzt wird. Außerdem muss der Angeklagte 10.020 Euro als Wertersatz dafür bezahlen, was er mutmaßlich mit dem Drogenhandel eingenommen hat, der ihm vor Gericht zur Last gelegt wurde.

Drogenhandel aus dem Kellerraum

Was war geschehen? Der Giengener, der mit seiner Mutter zusammen in einem Mehrfamilienhaus lebt, hat aus einem zur Wohnung gehörigen Kellerraum einen Drogenhandel aufgezogen. Nachgewiesen werden konnte ihm dieser zwischen Mitte Juni 2022 und Anfang März 2023. Am 6. März durchsuchte die Polizei seine Wohnung und fand dort neben 10,5 Gramm Marihuana und 1,5 Gramm Haschisch auch 1.020 Euro Bargeld in einer Box im Kellerraum und typische Utensilien für den Drogenverkauf wie eine Feinwaage, Plastiktütchen mit Druckverschluss und ein Vakuumiergerät mit entsprechender Folie.

Wie eine Beamtin der Rauschgiftermittlungsgruppe berichtete, wurde bei der Durchsuchung auch das Handy des 21-Jährigen sichergestellt. Auf dem iPhone befanden sich zahlreiche Chats, in denen es um Drogenverkäufe ging. Außerdem fand die Polizei ein Video, auf dem jemand aus einer Einkaufstüte rund 13 mit Marihuana befüllte Beutel ausschüttet. Das Video ist in dem Kellerraum des Angeklagten aufgenommen worden, zudem ist er anhand seiner auffälligen Turnschuhe identifizierbar. Anhand der Metadaten des Videos sei nachweisbar, dass es auch mit dem Handy aufgenommen wurde, auf dem die Polizei es sicherstellte, erläuterte die Ermittlerin. Experten des Landeskriminalamtes schätzen das Marihuana, das im Video zu sehen ist, auf eine Menge von 1 bis 1,5 Kilogramm.

War es gar kein Marihuana?

Der Angeklagte selbst machte während der Verhandlung keinerlei Angaben. Sein Verteidiger, Rechtsanwalt Cornelius Schöffler, versuchte, das Video zu relativieren, in dem er auf entsprechende Filmchen in sozialen Netzwerken hinwies, in denen Jugendliche nur so tun, als würden sie große Mengen an Drogen besitzen. Es könnte ja auch schwarzer Tee sein, der in den Beuteln zu sehen ist, so Schöffler. Dem widersprach die Polizeibeamtin deutlich: Marihuana enthalte charakteristische Blüten, die man auch auf dem Video in ihrer Struktur erkennen könne. Außerdem sei an den Chatprotokollen zu erkennen, dass nach dem 11. Februar, an dem das Video aufgenommen wurde, eine rege Verkaufstätigkeit stattfand.

Vier Männer, alle Anfang 30, waren als Zeugen geladen, weil sie Marihuana und in einem Fall Kokain bei dem Giengener gekauft haben. In allen vier Fällen wurde der Kauf bereits mittels eines Strafbefehls geahndet. Da die Männer die Strafbefehle akzeptiert hatten, konnten sie die Käufe vor Gericht auch nicht verleugnen. Darüber Auskunft geben wollten aber alle vier nur sehr ungern, alle machten Erinnerungslücken geltend und versuchten, möglichst vage zu bleiben. Da aber die Drogenkäufe in den Chats mit Datum und Uhrzeit, meist auch mit der Verkaufssumme genannt wurden, konnten sie den Angeklagten dadurch nicht entlasten. Zwei weitere Zeugen, die zur Verhandlung geladen waren, sind nicht aufgetaucht und waren auch telefonisch nicht erreichbar. Richter Pfrommer erließ gegen beide ein Ordnungsgeld von je 250 Euro für ihr unentschuldigtes Fernbleiben.

Nachbarinnen erstatteten Anzeige

Aufgeflogen waren die Drogengeschäfte des 21-Jährigen durch Anzeigen beim Polizeirevier in Giengen. Im Oktober 2022 hat ein Zeuge beobachtet, wie zwei Schüler auf dem Schulhof der Bühlschule Geld an den Angeklagten übergeben haben. Diese Tat konnte ihm aber nicht nachgewiesen werden, weshalb das Verfahren in diesem Fall eingestellt wurde. Im Dezember 2022 wandten sich zwei Nachbarinnen, die im selben Haus leben wie der 21-Jährige, an die Polizei. Eine von ihnen sagte auch vor Gericht als Zeugin aus. Es habe im ganzen Haus jeden Tag nach Marihuana gerochen, weil der Angeklagte im Kellerraum geraucht habe, berichtete die Rentnerin. Zudem habe die andere Nachbarin sie darauf hingewiesen, dass immer Autos vor dem Haus hielten, der 21-Jährige dann in den Keller ging und an die Insassen des Autos etwas übergeben habe. Die Vermutung, dass es sich dabei um Drogen handelte, lag nahe, auch wenn die Zeugin nicht sehen konnte, was da ausgeliefert wurde. Den „Drogen-Drive-in“ beobachteten die Frauen tagsüber, aber auch nachts.

Staatsanwalt Armin Burger war in seinem Plädoyer über das Verhalten des Angeklagten, der bis zu diesem Zeitpunkt keinerlei Einsicht oder Reue zeigte, nicht amüsiert. „Es geht um umfangreiche Drogengeschäfte“, so der Jurist. Er widersprach auch der Vertreterin der Jugendgerichtshilfe ganz deutlich, die dem Angeklagten Retardierungen bescheinigte. Eine Verzögerung in der altersgemäßen Entwicklung wäre die Voraussetzung dafür gewesen, den 21-Jährigen nach Jugendstrafrecht zu verurteilen. Dies mit der Abwesenheit des Vaters zu erklären, der seit dem dritten Lebensjahr des jungen Mannes von der Mutter getrennt ist, ließ Burger nicht gelten. „Irgendwas ist immer bei 20-Jährigen“, sagte er. Der Staatsanwalt plädierte auf die Anwendung des Erwachsenenstrafrechts und wollte den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt sehen, die dann auch nicht zur Bewährung hätte ausgesetzt werden können.

Verteidiger Schöffler zielte in seinem Plädoyer darauf ab, dass das Video nur ein Fake sei und der junge Mann beeinflussbar sei und cool sein wollte. „Es mag sein, dass es ein paar Taten gab“, so der Rechtsanwalt. Aber schädliche Neigungen seien beim Angeklagten nicht erkennbar, er habe eine feste Arbeit und eine Freundin, die ihn auch zur Verhandlung begleitete. Schöffler plädierte darauf, ihn nach Jugendstrafrecht zu verurteilen und seine Strafe auf jeden Fall zur Bewährung auszusetzen.

Die letzte Chance, um zu seinen Taten selbst Stellung zu nehmen, nutze der Angeklagte in seinem Schlusswort. Er wolle sich entschuldigen für das, was er getan habe. Er versprach, sich zu bessern, da er seine Arbeit möge. Richter Pfrommer erkannte diese Entschuldigung des Giengeners in seiner Urteilsbegründung auch an. „Wir gehen davon aus, dass dieses Kapitel für ihn abgeschlossen ist“, sagte er im Namen des Jugendschöffengerichts. Geurteilt wurde allerdings nach Erwachsenenstrafrecht, sodass der 21-Jährige in den normalen Strafvollzug kommen würde, wenn er gegen seine Bewährungsauflagen verstößt oder noch einmal straffällig wird.

Cannabis-Legalisierung steht bevor

In Deutschland soll der Besitz von Cannabis legalisiert werden. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Erwachsene ab 1. April 25 Gramm der Substanz straffrei besitzen dürfen. Privat sollen maximal drei Pflanzen angebaut werden dürfen. In Cannabis-Clubs sollen Vereinsmitglieder die Droge gemeinschaftlich anbauen und gegenseitig abgeben dürfen. Der unerlaubte Handel mit Cannabis soll aber weiterhin bestraft werden, insofern wären die Taten, für die der 21-Jährige verurteilt wurde, auch in Zukunft gesetzwidrig.

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