Nach erneuter Zulassung durch die EU

Glyphosat auf Giengener Feldern? So bewerten zwei Landwirte das umstrittene Pflanzenschutzmittel

Die EU hat die Zulassung für das Pflanzenschutzmittel Glyphosat um zehn Jahre verlängert. Die Meinungen dazu gehen auch in Giengen auseinander. Inwieweit Glyphosat von Giengener Bauern verwendet wird und was Bio-Bauer Christoph Bosch und Jörg Bayer, Obmann der Giengener Landwirte, von dem Pestizid halten.

Glyphosat auf Giengener Feldern? So bewerten zwei Landwirte das umstrittene Pflanzenschutzmittel

Glyphosat ist nicht nur das am häufigsten eingesetzte, sondern wohl auch das umstrittenste Totalherbizid der Welt. Weil die EU-Kommission die Zulassung des Mittels um zehn Jahre verlängert hat, kochte die Diskussion um das Pflanzenschutzmittel zuletzt wieder hoch. Christoph Bosch von der Biotal-Hofgemeinschaft Eselsburg ist ein klarer Gegner dieses Pestizids. Er findet: „Wir brauchen Glyphosat nicht. Glyphosat muss weg.“ Jörg Bayer ist Obmann der Giengener Landwirte und führte bis 2018 selbst einen Hof mit konventioneller Landwirtschaft – und setzte dabei mitunter auch Glyphosat ein. "Man sollte Glyphosat vernünftig, also nur punktuell und nicht als Ernteerleichterung einsetzen", sagt er.

Als Totalherbizid kann Glyphosat nicht selektiv eingesetzt werden. Sprich: Das Mittel beeinflusst praktisch alles, mit dem es in Berührung kommt. Trotz der radikalen Wirkung wird es von Landwirten eingesetzt, um hartnäckige Unkräuter und Ungräser zu bekämpfen, erklärt Bayer, der über 40 Jahre rund 120 Hektar bewirtschaftete. „Auf fünf bis zehn Prozent der Fläche habe ich das Mittel alle paar Jahre eingesetzt“, berichtet er und fügt an: "In Giengen wird Glyphosat nicht zur Ernteerleichterung eingesetzt."

Was ist das Problem an Glyphosat?

Warum wird Glyphosat von vielen eigentlich so kritisch gesehen? Ein Punkt ist die offene Frage: Ist Glyphosat krebserregend? Laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung sei kein krebserzeugendes Risiko zu erwarten, die WHO stuft das Totalherbizid hingegen als „wahrscheinlich krebserregend“ ein. Christoph Bosch, der als Bio-Bauer keine künstlich hergestellten Pestizide wie Glyphosat einsetzen darf, erklärt: „In gespritzten Produkten bleiben Rückstände von Glyphosat. Obwohl das eine sehr kleine Menge ist, besteht die Gefahr, dass die Gesundheit beeinträchtigt wird.“ Der 39-Jährige ist aber der Meinung, dass sich die Diskussion um Glyphosat zu sehr um das Thema Krebs dreht.

Entschiedener Gegner von Glyphosat: Christoph Bosch von der Biotal-Hofgemeinschaft Eselsburg Rudi Penk

Wie der Eselsburger erklärt, soll das Herbizid Glyphosat als Unterart der Pestizide auf Pflanzen einwirken, während etwa Insektizide gegen Insekten und Fungizide gegen Pilze gedacht sind. „Es ist aber einfach so, dass Glyphosat mehr schädigt als den Zielorganismus Pflanze“, so der Landwirt, der rund ein Drittel seiner Felder auf Giengener Gemarkung hat. Das Mittel zerstöre Lebensraum für Insekten, schade Pilzen und Mikroorganismen und verringere die Artenvielfalt. Ein weiterer Aspekt sei Bosch zufolge, dass das Gift ins Grundwasser gelangt und dieses verschmutzt.

Bodenbearbeitung und Fruchtfolge

In der Biotal-Hofgemeinschaft Eselsburg ist Bosch unter anderem für den Ackerbau zuständig. Weil er keine künstlichen Pflanzenschutzmittel verwendet, muss er seinen Bestand mit aufwendigeren Methoden schützen. „Ich mache sehr viel Bodenbearbeitung, und auch die Fruchtfolge, also dass ich nicht immer dasselbe anbaue, ist sehr wichtig“, erzählt er. Zudem gebe es eine starke Entwicklung von effizienten Maschinen zur Unkrautbekämpfung. „Die Landwirtschaft weltweit ist hochgradig abhängig von Glyphosat. Das ist eine Katastrophe“, findet Bosch.

Im Falle eines Verbots von Glyphosat befürchtet Bayer Nachteile für die Landwirte im wirtschaftlichen Wettbewerb. Deshalb betont er, dass es darum gehe, das Pflanzenschutzmittel vernünftig einzusetzen. „Bei uns in Süddeutschland wird Glyphosat nur als Feuerwehrmittel, also punktuell, wenn eine klare Notwendigkeit besteht, verwendet. Im Osten von Deutschland oder in Südeuropa ist das etwas ganz anderes, da wird das Mittel großflächig ausgebracht“, sagt der Giengener. Und weiter: „Es wird öffentlich oft so dargestellt, als ob wir alle regelmäßig Glyphosat spritzen würden.“ Wer Glyphosat spritzen möchte, müsse einen gültigen Sachkundenachweis vorlegen können und sein Spritzgerät regelmäßig vom TÜV prüfen lassen.

Appelliert, Glyphosat nur punktuell einzusetzen: Jörg Bayer, Obmann der Giengener Landwirte Rudi Penk

Verwunderung über Länge der Zulassung

Die EU-Kommission hat mehrere Bedingungen an die erneute Zulassung geknüpft. So sollen die Landwirte etwa einen fünf Meter breiten Pufferstreifen einhalten. „Aktuell kommt es immer wieder vor, dass Nachbarn beim Spritzen Teile unserer Felder erwischen und wir Bestände wegschmeißen müssen“, berichtet Bosch, der sich fragt, wie die Einhaltung des Pufferstreifens kontrolliert werden soll.

Als zweite Bedingung sollen die EU-Mitgliedstaaten die Menge und Häufigkeit für den Einsatz des Mittels beschränken können. In Deutschland sollte das Gift laut Koalitionsvertrag eigentlich Ende 2023 vom Markt genommen werden. Inzwischen hat Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir von den Grünen eine Eilverordnung verabschiedet, die das geplante Verbot aufhebt und Glyphosat ein halbes Jahr lang weiter zulässt. Der Minister betonte bereits mehrfach, dass er die Entscheidung der EU-Kommission für falsch halte.

Christoph Bosch ist vor allem über die Länge der erneuten Zulassung durch die EU verwundert. „Die Datenlage zu Glyphosat ist dünn, deshalb wurde die Zulassung zuletzt immer nur um wenige Jahre verlängert. Gerade deswegen ist diese lange Verlängerung sehr fragwürdig“, so der 39-Jährige. Bayer findet hingegen: „Zehn Jahre sind ein relativ kurzer Zeitraum in der Landwirtschaft, erst dann sieht man, wie sich Dinge auswirken.“

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