Grundlagenforschung bei Orgelmanufaktur Link in Giengen an der Brenz
Dort wandeln sie auf Schritt und Tritt eindeutig auf historischem Boden, denn die Firma Link ist in Giengen nicht nur seit über 150 Jahren präsent, sondern gleichzeitig auch die einzige deutsche Orgelbaufirma aus dem 19. Jahrhundert, die noch existiert.
Gegründet wurde die Firma im Jahr 1851 von den Zwillingsbrüdern Paul und Johannes Link, die sich seinerzeit in Giengen niederließen, da sie mit dem Neubau der Orgel für die Stadtkirche betraut waren. Seit 1856 ist die Firma dort ansässig, wo man sie noch heute findet, am Memminger Torplatz, Hausnummer 10, wo sich seitdem gar nicht so viel verändert hat und wo nach wie vor direkt vor der Manufaktur die beiden Gebäude stehen, die sich die Brüder Link damals als Wohnhäuser hatten bauen lassen.
Link-Orgeln sind auf fast allen Kontinent zu finden
Die Firma wuchs rasch. Über 60 Mitarbeiter beschäftigte Link in den goldenen Jahren von 1890 bis zum Ersten Weltkrieg, in denen allein 500 Orgeln entstanden. Diese Zeiten sind vorbei. Mit acht Mitarbeitern ist Link trotzdem noch ein immerhin mittelgroßer Orgelbauer. Link-Orgeln sind auf fast allen Kontinent zu finden, lediglich Australien ist nicht auf der Weltkarte des Hauses verzeichnet. China, Chile, Argentinien, Japan, Korea, Brasilien oder Indien sind die exotisch klingende Lieferadressen, Frankreich zum Beispiel ist gut bestückt, vor allem aber selbstverständlich Süddeutschland. Geschäftsführer von Gebrüder Link ist Thomas Wohlleb. Und dieser wiederum hat sich unserer Orgeltester angenommen und sie vor Ort mit den Grundlagen des Orgelbaus vertraut gemacht.
Damit eine Orgel klingen kann, muss sie zunächst mit Wind, also mit der Orgel zugeführter komprimierter Luft, versorgt werden. Heute besorgt dies ein Elektromotor, früher mussten dazu durch Treten mit den Füßen große Blasebälge in Bewegung gesetzt werden. Der Wind wird durch hölzerne Windkanäle in die sogenannte Windlade weitergeleitet, die das Kernstück der technischen Anlage einer Orgel darstellt.
Sehr filigrane und ausgeklügelte Konstruktionsarbeit
Dort vollziehen sich die mechanischen, pneumatischen oder elektrischen Schaltvorgänge, um die vom Spieler gewünschten Pfeifen ertönen zu lassen. Dies geschieht, sehr vereinfacht formuliert, so: Das Drücken einer Taste der Klaviatur wird durch eine mechanische Bewegung über feine Holzleisten in die Windlade weitergegeben, wo die Mechanik, so ein Register gezogen wurde, auch dafür sorgt, dass das der Taste zugeordnete Windventil geöffnet wird, auf der die zugehörige Pfeife des mittels Taste gewählten Tones steht. Es wird also, noch ein wenig grober formuliert, nachdem eine Taste gedrückt wurde, ein Gestänge in Bewegung gesetzt, das letztlich am Tonventil endet und den Wind unter der Pfeife freigibt. Was sich kinderleicht anhört, ist freilich filigrane und ausgeklügelte Konstruktionsarbeit.
Das Stichwort Pfeife ist ebenfalls schon gefallen. Es gibt Holz- und es gibt Metallpfeifen, wobei bei den Metallpfeifen noch zwischen den sogenannten Labial-oder Lippenpfeifen, die nach dem Prinzip Blockflöte funktionieren, und den sogenannten Lingual- oder Zungenpfeifen unterschieden wird. Bei letzteren, denen das Klarinettenprinzip zugrunde liegt, versetzt der Wind ein dünnes Messing- oder Kupferplättchen in Schwingung.
Grundsätzlich kann man sagen, dass, bei gleicher Länge, eine Pfeife umso voluminöser klingt, je weiter sie im Durchmesser gebaut, also mensuriert ist. Je enger sie gebaut ist, desto heller und obertonreicher klingt sie – und je länger, desto tiefer. Bei Metallpfeifen spielt allerdings auch noch der Bleianteil in der Zinn-Blei-Legierung, aus der die Pfeifen in der Regel hergestellt sind, eine Rolle. Je höher der Bleianteil ist, desto weicher ist das Material und desto weicher klingt der Ton. Bei Holzpfeifen klingt eine Pfeife aus Ahorn beispielsweise härter als eine aus Nadelholz, aus dem in der Regel die großen und tief klingenden Pfeifen gebaut sind.
Dank eines Tricks klingt eine 8-Fuß-Pfeife wie 16 Fuß
Eine oben mit Deckel versehene, gedeckte oder gedackte Pfeife, klingt eine Oktave tiefer, da in ihr die entstehenden Luftsäule am Deckel reflektiert und somit verdoppelt wird. Um das tiefe C, den tiefsten Ton auf der Klaviatur, abzubilden, benötigt man eine Pfeife von 2,40 m Länge, was in der Orgelsprache im alten Maß, also mit 8 Fuß angegeben wird. Es gibt auch noch längere Pfeifen und tiefere Töne, die dann zumeist vom Pedal aus gespielt werden. Für ein C eine Oktave unter dem tiefen C benötigt man demzufolge eine Pfeife, die 16 Fuß oder 4,80 m lang ist. Noch eine Oktave tiefer wären wir bei 32 Fuß oder 9,20 m angelangt. Deckelt man nun beispielsweise, wie oben beschrieben, eine 8-Fuß-Pfeife, erzielt man denselben tiefen Ton, für den man bei offener Bauweise eine 16-Fuß-Pfeife benötigen würde.
Holzpfeifen übrigens stellt Link noch selbst her. Die eigene Pfeifenwerkstatt mit Pfeifengießerei für Metallpfeifen war 1970 geschlossen worden. Heute kommen die Metallpfeifen von der 2002 gegründeten Firma Wörle in Syrgenstein, zuvor hatte die bis 2003 existierenden Firma Bier in Giengen Link geliefert.
Nach wie vor aber werden erst bei Link, wenn man so will, den Pfeifen die Flötentöne beigebracht. Dies geschieht in der sogenannten Intonierstube, wo die klangliche Gestalt jeder Pfeife einer Orgel maßgeschneidert wird. Denn ein Pfeifenrohling, der übrigens, nahezu wie vor 300 oder mehr Jahren, nach wie vor ausschließlich in Handarbeit hergestellt wird, klingt noch reichlich unausgegoren.
Das vollständige Pfeifenwerk einer Orgel wiederum besteht aus mehreren Pfeifenreihen, in denen jeweils Pfeifen gleicher Bauart und Klangfarbe stehen, die Register genannt werden und über die Registerzüge vom Spieltisch an- und abgeschaltet werden. Die Zusammenstellung der Register einer Orgel wird Disposition genannt und bestimmt die Einsatzmöglichkeiten einer Orgel, etwa ob sie lediglich im Gottesdienst erklingen oder auch als Konzertinstrument gespielt werden soll. Die größte Orgel im Landkreis Heidenheim, die Stadtkirchenorgel zu Giengen, hat 51 Register.