Der Giengener Gemeinderat hat bei zwei Enthaltungen eine Erhöhung des Grundsteuerhebesatzes beschlossen. Der für private Grundstücksbesitzer entscheidende Hebesatz für die Grundsteuer B wurde durch den Ratsbeschluss auf 590 Prozent festgelegt. Damit sollen aber keine höheren Grundsteuereinnahmen einhergehen. Dieser scheinbar paradoxe Umstand beschäftigt derzeit Verwaltungen und Räte im ganzen Land.
Nachdem das Bundesverfassungsgericht 2018 die bisherigen Vorschriften für die Erhebung der Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt hatte, wurde in Baden-Württemberg ein neues Verfahren ausgeknobelt. Im Falle der sogenannten Grundsteuer B, die alle privaten, nicht land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke umfasst, ist künftig nur noch das reine Grundstück entscheidend, unabhängig von der Bebauung. Die örtlichen Gutachterausschüsse haben dafür neue Bodenrichtwerte festgelegt. Aus Fläche, Bodenrichtwert und der gesetzlich vorgeschriebenen Steuermesszahl haben die Finanzverwaltungen einen Grundsteuermessbetrag gebildet.
Aufkommensneutral: Reform soll Giengen nicht reicher machen
Weil sich damit auch die bisherige Basis für die Berechnung der Grundsteuer geändert hat, müssen die Kommunen auch ihre Hebesätze anpassen, mit denen der Messbetrag multipliziert wird. Maßgeblich ist für die Giengener Stadtverwaltung dabei, dass die Grundsteuerreform „aufkommensneutral“ sein soll. Sprich: Unterm Strich sollen durch die Reform nicht nennenswert mehr Steuern in die Stadtkasse fließen. Kalkuliert wird seitens der Kämmerei für 2025 mit 3,7 Millionen Euro. Für 2024 rechnete Kämmerer Dr. Martin Brütsch mit 3,6 Millionen Euro. In den Dreivierteljahreszahlen der Stadt, die im Oktober veröffentlicht wurden, zeichnete sich bereits ab, dass dieser Ansatz um rund 50.000 überschritten werden dürfte.
Dennoch kann es zu teils deutlichen Unterschieden kommen. Für manche Grundbesitzer kann die Grundsteuer steigen, für andere sinken. „Es wird definitiv Belastungsunterschiede geben“, sagte Kämmerer Brütsch vor dem Ratsbeschluss. Gewerbeflächen würden tendenziell entlastet, während für Wohnzwecke genutzte Flächen eher stärker belastet würden. In Neubaugebieten seien kaum Veränderungen zu erwarten, weil sich dort die Bodenrichtwerte wenig verändert hätten.
Hebesatz ist nicht in Stein gemeißelt
Genauer könne es die Verwaltung allerdings nicht beziffern, weil man nicht erfahre, welche Grundbesitzer beispielsweise Einspruch gegen den Bescheid des Finanzamts eingelegt hätten. Der Vorschlag für den Hebesatz sei dennoch „nicht fiktiv“ ausgearbeitet worden, sondern auf Basis der vorliegenden Daten der Finanzverwaltung.
Jörg Bayer (CDU-Wählerblock) mahnte, es sei „ein sozialer Punkt“, wenn etwa bei einem Einfamilienhaus auf einem großen Grundstück mehr Steuer zu bezahlen sei. Brütsch erwiderte, die Steigerung sei abhängig vom jeweiligen Ort, aber auch eine Erhöhung werde „sicher nicht im vierstelligen Bereich“ liegen.
„Wenn sich herausstellt, dass das Grundsteueraufkommen höher ausfällt, können wir den Hebesatz ja wieder heruntersetzen“, zeigte sich Gaby Streicher (SPD) pragmatisch. Oberbürgermeister Dieter Henle bestätigte dies.