Ein paar Hundert Meter außerhalb von Hohenmemmingen ereignete sich im August 2023 ein Übergriff, der für das Opfer sowohl körperlich als auch psychisch schwerwiegende Folgen hatte. Ein Paar aus Augsburg griff einen ehemaligen Polizisten brutal an, fesselte ihn und verletzte ihn mit einer Schreckschusspistole. Der Fall, der seinerzeit vor Ort für viel Aufsehen sorgte, wurde nun vor dem Landgericht Ellwangen verhandelt. Das Urteil war eindeutig: zwei Jahre und neun Monate Haft für den 27-jährigen Haupttäter. Die Mitangeklagte erhielt eine deutlich mildere Strafe, bestehend aus 20 Stunden gemeinnütziger Arbeit und der Möglichkeit, ein weiteres Jahr in einer Mutter-Kind-Einrichtung zu bleiben.
Brutaler Angriff: Eine Panik eskaliert
Am 20. August 2023 kam es in Hohenmemmingen zu einem Vorfall, der das Leben eines ehemaligen Polizisten für immer veränderte. Was zunächst wie eine harmlose Situation wirkte – der später Geschädigte wollte lediglich ein Foto von einem abgestellten Roller machen – eskalierte schnell. Das Paar aus Augsburg, das sich auf der Flucht vor der Polizei befand, reagierte panisch, weil es bemerkte, dass es fotografiert wurde. Der Angeklagte entriss dem Polizisten das Handy und schlug ihm mehrfach mit einem Teleskopstab, den ihm seine Verlobte übergab.
Doch der Übergriff nahm eine dramatische Wendung, als der Täter von seiner Verlobten eine Schreckschusspistole erhielt und dem Opfer einen Schuss in Richtung Kopf versetzte. Stark verletzt und unter Schock stehend, wurde der ehemalige Polizist anschließend mit Panzertape an den Fahrersitz seines Autos gefesselt. Die Autoschlüssel nahm der Angeklagte mit. Glücklicherweise konnte sich der Ex-Polizist mit einem Taschenmesser befreien und sofort seine Kollegen informieren, die eine Fahndung einleiteten. Der Mann erlitt schwere Verletzungen, darunter Platzwunden und eine Gehirnerschütterung, die ihn für mehrere Wochen außer Gefecht setzten.
Die Angeklagte, die ebenfalls in den Vorfall verwickelt war, räumte ein, auf Anweisung ihres Verlobten ihm den Teleskopstab und die Schreckschusspistole gereicht und das Opfer gefesselt zu haben. Beide Angeklagten entschuldigten sich bei dem Geschädigten. Dieser verweigerte die Entschuldigung des Angeklagten und nahm nur die der Verlobten zur Kenntnis.
Ein Leben voller Herausforderungen und Fehltritten
Der 1997 geborene Angeklagte blickt auf eine schwierige Vergangenheit zurück. Bereits mit 20 Jahren verbüßte er eine Jugendstrafe von mehr als zwei Jahren. Nach abgebrochenen Ausbildungen zum Energie- und Gebäudetechniker sowie zum Mechatroniker geriet er erneut in Konflikt mit dem Gesetz und floh im März 2021 vor einer Verhandlung, die ihm in Abwesenheit eine sechsmonatige Haftstrafe einbrachte.
Auch seine Beziehungen waren oft von Instabilität geprägt. Bereits im Teenageralter führte er eine dreimonatige Beziehung zu einer Partnerin, die am Borderline-Syndrom litt. Eine kurze Partnerschaft folgte im Alter von 18 Jahren nach einem Aufenthalt in einer Einrichtung. Während seiner Haft führte er eine konfliktreiche Beziehung mit einer Frau aus einem Mutter-Kind-Heim, die von Eifersucht und Gewalt überschattet war, als er sie mit einem Baseballschläger angriff – einem Geschenk, das er ihr gemacht hatte. Mit sarkastischem Unterton kommentierte Richter Jochen Fleischer später: „Den können Sie zurückfordern wegen Undanks.“ Seit 2021 lebt er mit seiner Verlobten zusammen, die ihn als liebevoll und hilfsbereit beschreibt und mit der er eine gemeinsame Tochter hat.
Zwischen Reue und Verantwortung: Das Urteil im Blick
In ihrem Schlussplädoyer betonte die Staatsanwältin, dass das künftige psychische Wohl des Angeklagten berücksichtigt werden müsse. Sie empfahl eine dreijährige psychiatrische Unterbringung, während sie die 2005 geborene Mitangeklagte als leicht beeinflussbare Mitläuferin einschätzte. Der Verteidiger des Angeklagten argumentierte, sein Mandant habe aus Angst um seine Familie gehandelt, sei jedoch keine Gefahr für andere. Der Angeklagte selbst entschuldigte sich für die entstandenen Umstände. Aufgrund ihrer bisherigen Straflosigkeit hob der Anwalt der Angeklagten hervor, dass sie als Mutter Verantwortung übernehme, weshalb ein Verbleib in einer Mutter-Kind-Einrichtung für sie der passende Weg sei.
Das Gericht verurteilte den Angeklagten zu zwei Jahren und neun Monaten Haft. Zudem wurde ihm eine Sozialtherapie in der JVA nahegelegt. Richter Fleischer erkannte keine schwere seelische Störung nach § 20 und § 21 (siehe Info) an und hielt eine strenge Strafe für nötig. Die 19-jährige Mitangeklagte muss ein weiteres Jahr in der Mutter-Kind-Einrichtung bleiben und 20 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.
Zurechnungsfähigkeit und Unterbringung
§ 63 StGB: Ein Täter mit psychischer Störung, der eine Gefahr darstellt, kann bei eingeschränkter Schuldfähigkeit in eine Psychiatrie kommen – zur Behandlung und zum Schutz der Gesellschaft.
§ 20 StGB: Eine Person ist schuldunfähig, wenn sie wegen einer psychischen Störung die Tat nicht erkennen oder danach handeln konnte. In diesem Fall wird sie in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen, statt bestraft.
§ 21 StGB: Bei einer weniger schweren psychischen Störung, die das Verhalten einschränkt, wird die Strafe zwar gemildert, der Täter bleibt jedoch straffähig.