Es ist schon bemerkenswert, wenn ein Arbeitgeber seinen Mitarbeiter zu einem Gerichtsprozess begleitet, obwohl der richtig großen Mist gebaut hat. Der 22–Jährige saß wegen schwerem sexuellem Missbrauch eines damals 13-jährigen Mädchens auf der Anklagebank des Heidenheimer Jugendschöffengerichtes. Im Prozess wurde deutlich, dass genau dieser Job der einzige Halt im Leben des jungen Mannes zu sein scheint.
Im Herbst 2022 hatte die zweifelhafte Beziehung zwischen dem damals 20-jährigen Angeklagten und dem jungen Mädchen begonnen. Sie hatten einen gemeinsamen Freundeskreis, in dem offenbar auch Betäubungsmittel eine Rolle spielten. Nach ersten Küssen des unterschiedlichen Paares forderte der Angeklagte mehr. Laut Anklage kam es im Verlauf der Treffen, bei denen das Mädchen auch beim Angeklagten übernachtete, an verschiedenen Tagen zum versuchten und vollzogenen Geschlechtsverkehr und zu Oralverkehr.
Das Mädchen habe sich darauf eingelassen, in der Erwartung als Gegenleistung unterschiedliche Drogen zu bekommen, so die Staatsanwältin in der Anklageschrift. Konsumiert wurden offenbar vom Marihuana über Kokain bis zu Ecstasy, die der Angeklagte über einen Bekannten bezog.
Opfer vertraute sich einer Polizeibeamtin an
Nach der Einnahme einer solchen Ecstasy-Pille war das Mädchen zusammengebrochen und im Klinikum gelandet. Dadurch rückte die 13-Jährige ins Blickfeld der Polizei, die gegen den Verkäufer der Drogen bereits ermittelte. Im Zuge ihrer Zeugen-Vernehmung wandte sich das Mädchen an eine Polizeibeamtin und schilderte den sexuellen Missbrauch, der daraufhin angezeigt wurde.
Noch bevor der Angeklagte Angaben zur Sache machte, wurde die Verhandlung unterbrochen, weil seine Verteidigerin ein Rechtsgespräch anregte. Dabei ging es offenbar darum, auszuloten, wie eine mögliche Strafe aussehen könnte, wenn der Angeklagte zu einem Geständnis bereit wäre. Im Gegenzug verlangte die Verteidigung, einige Anklagepunkte fallen zu lassen, in denen es in der Hauptsache um die Abgabe von Betäubungsmitteln ging.
Damit tat sich die Staatsanwältin nicht leicht, stimmte aber letztendlich zu. Ebenso der Nebenklagevertreter, der die Interessen des geschädigten Mädchens vertrat. Der Angeklagte räumte schließlich den sexuellen Missbrauch ein und ersparte damit dem Opfer die unangenehme und belastende Situation, vor Gericht aussagen zu müssen.
Gehört wurde aber die Polizeibeamtin, an die sich die 13-Jährige gewandt hatte. Sie erklärte, dass das Mädchen ihr gegenüber berichtet habe, dass sie die sexuellen Handlungen nicht wollte und das anfangs auch gesagt habe. Weil sie sich aber die Drogen nicht hätte leisten können, habe sie es hingenommen. Später sei sie dann so unter dem Einfluss der Betäubungsmittel gestanden, dass sie nicht mehr gewusst habe, was sie da eigentlich mache.
Arbeitgeber nahm Kontakt zur Jugendgerichtshilfe auf
Einen Einblick in das Leben des Angeklagten vermittelte der Vertreter der Jugendgerichtshilfe. Das Verfahren, das da auf ihn zukomme, habe der Angeklagte offenbar lange Zeit einfach verdrängt. Erst als der Druck zu groß geworden sei, habe sich der Angeklagte seinem Arbeitgeber anvertraut und dieser habe dann Kontakt zur Jugendgerichtshilfe aufgenommen. Das Verhältnis des jungen Mannes zu den Eltern sei schwierig. Eine bereits im Grundschulalter diagnostizierte und lange mit Medikamenten behandelte ADHS-Erkrankung habe das Leben des Angeklagten wohl geprägt. Bis zur achten Klasse habe er die Schule für Erziehungshilfe besucht und dann trotz einer Gymnasialempfehlung auf die Realschule gewechselt, von der er verwiesen wurde, nachdem er dort Feuer gelegt hatte. Er habe zwar die Schule gewechselt, diese dann aber ohne Abschluss verlassen. Trotzdem habe ihm sein jetziger Arbeitgeber die Chance für ein Praktikum gegeben und ihn in eine Ausbildung übernommen, die der Angeklagte erfolgreich abgeschlossen habe. Etliche „Ausrutscher“ hätten bei einem weniger verständnisvollen Chef sicher zu einer Entlassung geführt. Die Arbeitsstelle sah der Vertreter der Jugendgerichtshilfe als zentralen Lebensmittelpunkt des Angeklagten, der ihm sehr wichtig sei. Zusammengefasst gebe es ausreichend Indizien, dass bei dem Angeklagten Jugendstrafrecht angewandt werden könne, so der Jugendgerichtshelfer.
Dieser Ansicht war auch die Staatsanwältin, die auch das Geständnis positiv wertete. Ein Altersunterschied von sieben Jahren zwischen Opfer und Täter sei aber in dieser Altersspanne ein enormer Unterschied, und der Angeklagte habe sich des schweren sexuellen Missbrauchs schuldig gemacht. Sie fordere eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt, eine Zahlung von 2500 Euro an die Geschädigte sowie 80 Stunden gemeinnützige Arbeit.
Die Verteidigerin verwies darauf, dass das Verfahren ohne das Geständnis ihres Mandanten wohl einen fraglichen Ausgang genommen hätte. Es habe sich gezeigt, dass die Polizei hier nicht umfangreich ermittelt habe. Eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten zur Bewährung hielt sie für angebracht.
Das Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Jens Pfrommer verurteilte den Angeklagten schließlich nach dem Jugendstrafrecht zu einer Freiheitstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf zwei Jahre zur Bewährung. Der Angeklagte sei zur Tatzeit Heranwachsender gewesen, in etlichen Punkten habe jedoch noch Unreife vorgelegen, erklärte Richter Pfrommer. Er betonte in seiner Urteilsbegründung aber auch, dass der Angeklagte „schwerwiegende Taten“ gegenüber einem sehr viel jüngerem Opfer begangen habe. Dass er dem Opfer durch sein Geständnis die Aussage erspart habe, sei ihm hoch anzurechnen, zumal eine Situation, in der Aussage gegen Aussage stehe, immer schwierig sei.
Zusätzlich muss der Angeklagte 2.500 Euro Schmerzensgeld an die Geschädigte zahlen.