Dem Bild vom skrupellosen Drogendealer entspricht der junge Mann im adretten Anzug so gar nicht. Fast schüchtern sitzt er im Gerichtssaal des Jugendschöffengerichts neben seinem Verteidiger. Zwei Jahre lang soll er einen schwunghaften Handel mit großen Mengen an unterschiedlichen Drogen von Amphetaminen über Ecstasy bis zu Kokain betrieben haben. Jetzt musste er sich dafür vor Gericht verantworten und kam am Ende mit einem blauen Auge davon.
2020 hatte der damals 19-Jährige erstmals eine vergleichsweise geringe Menge Amphetamin im Darknet bestellt. Offenbar funktionierte der Weiterverkauf mit Gewinn problemlos und schon bald nahmen die Bestellungen an Häufigkeit und Menge zu. Da wurden dann auch mal 1000 Ecstasy-Tabletten auf einmal geordert oder zwei Kilo Amphetamin, das zusammen mit einem Kumpel mit Natron gestreckt wurde und damit ein noch höherer Gewinn erzielte.
Aufgeflogen war der Angeklagte schließlich, weil die Polizei bereits seinen Kumpel im Visier hatte und dessen Smartphone auswertete. Dabei stießen die Polizeibeamten auf Chats, in denen es um „horrende Mengen“ an Betäubungsmitteln gegangen sei, wie ein Polizeibeamter als Zeuge vor Gericht aussagte. Obwohl nur unter Fantasienamen kommuniziert wurde und ein anonymer Kanal genutzt wurde, habe man Rückschlüsse auf den Angeklagten ziehen können. Endgültige Gewissheit brachte schließlich eine Hausdurchsuchung. Auf elektronischen Geräten habe man weitere Beweise für Aktivitäten auf einer bekannten Darknet-Plattform gefunden, auf der der Angeklagte Drogen bestellt und mit Bitcoin bezahlt hatte.
Hätte leicht eine mehrjährige Haftstrafe werden können
In diesen Mengen hätte eine strafrechtliche Verurteilung dem Angeklagten leicht eine mehrjährige Gefängnisstrafe einbringen können. Dessen war sich auch sein Verteidiger im Klaren, der deshalb gegenüber dem Gericht Argumente für eine Verurteilung nach dem Jugendstrafrecht für seinen Mandanten geltend machte. Richter Jens Pfrommer wollte diese Entscheidung von der Einschätzung der Vertreterin der Jugendgerichtshilfe abhängig machen, die sich mit dem Werdegang des inzwischen 23-Jährigen beschäftigt hatte.
Einer unauffälligen Kindheit in einer intakten Familie folgte ein Bruch, als sich die Eltern trennten, berichtete sie. Den damals 15-Jährigen habe das aus der Bahn geworfen. Der bis dahin gute Schüler hatte zunehmend Probleme und brach schließlich seine Schullaufbahn am Gymnasium ohne Abschluss ab. Stattdessen jobbte er mal hier und da, hing viel zu Hause am PC und verdiente sogar etwas Geld mit Wertpapierhandel. Der neue Partner seiner Mutter habe ihn darauf gebracht, sein Interesse für Finanzen zum Beruf zu machen. Das Leben des jungen Mannes stabilisierte sich offenbar wieder, und nach einem Praktikum bei einer Bank konnte er dort auch eine Ausbildung beginnen. Aufgrund seiner sehr guten Leistungen sei diese verkürzt worden und der Angeklagte stehe unmittelbar vor dem Abschluss seiner Banklehre.
Der womöglich drohende Verlust seiner Ausbildung aufgrund des Verfahrens sei erschreckend für den Angeklagten gewesen und sie habe den Eindruck, dass der Angeklagte durchaus erzieherisch erreichbar sei. Aufgrund der Einschätzung der Jugendgerichtshilfe, die dem Angeklagten eine gute Prognose für die Zukunft ausstellte, signalisierte das Schöffengericht, dass eine Verurteilung nach Jugendrecht infrage komme.
Drogen in großen Mengen direkt weiterverkauft
Der Verteidiger gab daraufhin eine Erklärung im Namen seines Mandanten ab, in der dieser die ihm zur Last gelegten Taten vollumfänglich einräumte. Die Drogen habe er meistens in großen Mengen direkt weiterverkauft. Er bereue seine Taten, die er in einer Zeit der Orientierungslosigkeit begangen habe und mit der er seine Familie sehr enttäuscht habe. „Er hofft inständig auf eine zweite Chance“, so der Anwalt. Ob der junge Mann auch selber Drogen konsumiert hatte, darüber wollte er keine Angaben machen, legte aber einen aktuellen Abstinenznachweis vor.
Der Staatsanwalt betonte, dass es für den Angeklagten anhand der großen Mengen an Betäubungsmitteln, mit denen er gehandelt habe, leicht zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren ohne Bewährung hätte kommen können. Zum Zeitpunkt der Taten habe dieser aber wohl noch nicht die Reife gehabt, die man ihm heute zuschreiben könne, auch wenn der Handel sehr professionell aufgezogen gewesen sei. Er sprach sich für die Anwendung des Jugendstrafrechtes aus, und forderte einen Einzug des Wertersatzes in Höhe von 30.000 Euro. Nach seiner Berechnung habe der Angeklagte sogar noch einen etwas höheren Gewinn aus dem Verkauf der Drogen erzielt.
Anwalt: "Die Menge ist der Wahnsinn"
„Die Menge ist Wahnsinn, das ist klar“, räumte auch der Verteidiger ein. Sein Mandant habe aber einen kompletten Lebenswandel vollzogen und bewiesen, dass er mit der Sache abschließen wolle. Den Wertersatz, den sein Mandant zu zahlen habe, berechnete er mit 14.000 Euro.
Am Ende verurteilte das Jugendschöffengericht den jungen Mann zur Zahlung eines Wertersatzes von 25.684 Euro, sowie einer Geldstrafe von 1000 Euro. Ein Gefängnisaufenthalt bleibt dem Angeklagten erspart. Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten zwar zu einer Jugendstrafe, setzte diese aber auf ein Jahr zur Bewährung aus. Sollte er gegen die Bewährung verstoßen, wird das Gericht erneut über eine Strafe beraten. Lässt sich der junge Mann nichts zuschulden kommen, wird nach einem Jahr der auch der Eintrag aus dem Bundeszentralregister gelöscht.
Gewinn aus der Straftat geht an den Staat
Verbrechen darf sich nicht lohnen, deshalb kann ein Gericht die Einziehung des rechtswidrig erlangten Vermögens anordnen. Auch wenn der Angeklagte das Geld inzwischen nicht mehr besitzen sollte, muss er den festgelegten Betrag an die Staatskasse leisten.