Gegen Missbrauch

Kirche als Schutzraum: Giengener Heilig-Geist-Gemeinde setzt auf Schutzkonzept gegen Gewalt

Die katholische Kirchengemeinde Heilig Geist in Giengen setzt auf ein umfassendes Konzept gegen sexualisierte Gewalt, um Minderjährige und schutzbedürftige Erwachsene zu schützen.

Die katholische Kirchengemeinde Heilig Geist hat ein Konzept zum Schutz vor sexualisierter Gewalt erarbeitet. Das einschließlich einiger Anhänge 86 Seiten starke Werk stellt Minderjährige und schutz- oder hilfebedürftige Erwachsene in den Mittelpunkt: „Sie haben das Recht auf Schutz vor körperlicher, seelischer und sexueller Gewalt“, heißt es gleich im ersten Absatz des Konzepts.

Das Schutzkonzept folgt der Forderung der Diözese Rottenburg-Stuttgart, die ein solches Regelwerk und Maßnahmenpaket von allen katholischen Kirchengemeinden verlangt hatte. In Giengen sah man sich von diesem bischöflichen Auftrag allerdings nicht getrieben, man habe sich vielmehr auch vorher schon Gedanken dazu gemacht und das Konzept fristgerecht Ende 2023 verabschiedet. Danach wurde es von der Diözese ausgiebig geprüft. Gleichwohl wartete man in Giengen nicht auf grünes Licht aus Rottenburg, sondern arbeitet seit der Fertigstellung nach diesen Regeln.

Robert Werner ist in der Heilig-Geist-Gemeinde Fachreferent für Engagemententwicklung und war am Erarbeiten des Schutzkonzepts beteiligt. „Es ist eine Seite, zu verhindern, dass etwas passiert“, sagt Werner. Viel wichtiger sei aber, „eine Atmosphäre zu haben, in der man sprechfähig wird“. Keine minderjährige Person, kein schutzbedürftiger Erwachsener, soll das heißen, soll Angst davor haben oder Scham empfinden, Fehlverhalten anzusprechen. Das Ziel ist für Robert Werner klar: „Wir müssen auf ein Level kommen, auf dem wir ausschließen können, dass etwas passiert.“

Genauer Blick auf viele Situationen im Gemeindeleben

Am Verfassen des Schutzkonzepts war neben dem leitenden Pfarrer Mathias Michaelis sowie Mitarbeitenden der Kirchengemeinde und des Dekanats Heidenheim auch Dr. Gregor Polifke als gewählter Vorsitzender des Kirchengemeinderats beteiligt. Man habe sich unzählige Situationen angeschaut, in denen unterschiedliche Gruppen zusammenkommen, und dann überlegt, was dabei passieren und woran man unangemessenes Verhalten erkennen könnte. „Wenn man das einmal weiß, kann man schauen, wie es besser geht“, fasst Polifke zusammen.

Die Autorinnen und Autoren des Schutzkonzepts haben durchaus erkannt, dass bereits scheinbar beiläufige Situationen als grenzüberschreitend empfunden werden können. Robert Werner erklärt: Wenn das Gewand einer Ministrantin oder eines Ministranten nicht richtig sitzt, solle man es nicht einfach „zurechtzupfen“, sondern fragen oder darauf hinweisen. „Übergriffigkeit definiert der, den es betrifft“, fasst Werner zusammen. Es gehe darum, die „Sprachfähigkeit neu zu fördern und einzufordern“, fügt Pfarrer Michaelis hinzu.

Kirche soll wieder "Schutzraum" werden

Den achtsamen Umgang untereinander bezeichnen die Verantwortlichen für das Schutzkonzept als eines der Ziele – durchaus auch mit Blick auf Ehrenamtliche, die sich nur zur Mitarbeit bewegen ließen, wenn sie daran Freude hätten. „Wir haben Einbußen durch die Missbrauchsskandale“, sagt Michaelis in Bezug auf die in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten bekannt gewordenen Taten und Vertuschungsversuche innerhalb der Kirche. Daher hinterfrage auch niemand in der Gemeinde die Notwendigkeit des Schutzkonzepts. Es sei wichtig, dass sich die Gremien vor Ort mit diesen Fragen auseinandersetzen. Auf Basis des Schutzkonzepts, so der Pfarrer, wird so „der Grundstein dafür gelegt, dass Kirche wieder ein Schutzraum werden kann“.

Dass man sich in der Giengener Gemeinde schon früh mit der Missbrauchsprävention befasst hat, sieht der Kirchengemeinderatsvorsitzende Gregor Polifke als Vorteil: „Es ist bei vielen schon verinnerlicht, dass das Konzept Sinn macht und nicht nur eine Pflicht ist.“ Es sei wichtig, nicht nur ein Papier zu haben, sondern daraus eine Einstellung zu machen.

Im Schutzkonzept der Heilig-Geist-Gemeinde geht es ausdrücklich nicht nur um strafrechtlich relevante Taten, sondern auch um Übergriffe „unterhalb der Schwelle der Strafbarkeit“. In ihrer Risikoanalyse hat die Gruppe, die das Schutzkonzept erarbeitet hat, neben Kindern und Jugendlichen auch Situationen mit schutzbedürftigen Erwachsenen identifiziert, die besonderes Augenmerk erforderten. Dazu zählen beispielsweise Besuchsdienste oder auch Seelsorgegespräche.

Nachzulesen in allen Kirchen

Das Schutzkonzept ist auf der Homepage der Kirchengemeinde unter se-unteresbrenztal.drs.de/giengen verlinkt. Zudem ist in allen Kirchen sowie im Jugendhaus „Kaplanei“ eine Kurzübersicht aushängt mit verschiedenen Ansprechpartnern und den wesentlichen Kerngedanken des Schutzkonzeptes. Das Schutzkonzept soll in Zukunft aktualisiert werden, wenn sich Kontakte ändern oder sich neue Aspekte ergeben.

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