Sicherheitskontrolle im Gericht

Leere Zeugenbank und „Stück aus dem Tollhaus“: Gericht stellt Verfahren gegen Giengener Bauherrn ein

Auch dem zweiten Verhandlungstag gegen einen Mann aus Giengen blieben wichtige Zeugen fern. Richter Dr. Christoph Edler stellte das Verfahren schlussendlich gegen eine Geldauflage ein. Warum die Verteidigung dennoch von einem „Tollhaus“ sprach.

Wer am Freitag Saal 2 des Heidenheimer Amtsgerichts betreten wollte, musste seine Taschen leeren, alle persönlichen Gegenstände einschließen und durch einen Metalldetektor treten, alles unter dem strengen Blick mehrerer Justizwachtmeister und einer Wachtmeisterin.

Der Sicherheitsaufwand galt nicht etwa dem Angeklagten, er war vielmehr aufgefahren worden mit Blick auf die geladenen Zeugen – ein Paar, das dem Gericht gut bekannt ist. Vor allem der Mann, der als vermeintlicher Geschädigter als Zeuge hätte aussagen sollen, wird dem sogenannten Reichsbürgermilieu zugerechnet. Dazu gehört auch, der Justiz zumindest mit Geringschätzung zu begegnen.

So blieb die Zeugenbank dann auch leer. Richter Dr. Christoph Edler verlas eine Nachricht, die der Zeuge ihm geschickt hatte. Danach konnte der Mann dem Gericht aus privaten Gründen „keine Aufmerksamkeit“ widmen, „ob Sie dafür Verständnis haben oder nicht“.

Verteidigung: „Stück aus dem Tollhaus“

Noch bemerkenswerter zeigte sich das demonstrative Desinteresse im Falle der Zeugin, die mit ihrer Aussage den Angeklagten hätte entlasten können. Die Frau war schon zwei Wochen zuvor nicht zu ihrer Aussage vor Gericht erschienen und war deshalb mit einem Ordnungsgeld belegt worden. Zudem hatte Richter Edler die Vorführung verfügt, deshalb versuchten Polizeibeamte am Morgen der Verhandlung die Frau zuerst an ihrem Arbeitsplatz und dann in ihrer Wohnung abzuholen. Dort war sie allerdings nicht aufzufinden, Anrufversuche blieben erfolglos. Es war nicht zuletzt ein Verhalten wie dieses, das den Verteidiger mehrmals von einem „Stück aus dem Tollhaus“ sprechen ließ.

Angeklagt war ein Mann aus Giengen, der den abwesenden Zeugen, einen damals selbstständigen Elektriker, mit Arbeiten an seinem Haus beauftragt hatte (wir berichteten). Nach einer Anzahlung in fünfstelliger Höhe beschaffte der Handwerker Material und begann mit der Installation. Zwischenzeitlich geriet er jedoch in den Fokus der Justiz und wurde letztlich zu mehr als zwei Jahren Haft verurteilt, die er mittlerweile abgesessen hat.

Aktenlage sprach gegen den Angeklagten

Der Bauherr wiederum suchte nach einer Möglichkeit, auf seiner Baustelle voranzukommen. Nach seiner Darstellung erhielt er von der Lebensgefährtin des Elektrikers die Erlaubnis, zumindest das bereits angezahlte Material aus einem Lagerraum in Herbrechtingen zu holen. Zum vereinbarten Termin erschien jedoch nicht die Frau, sondern ein Lehrling. Einige Zeit später zeigte der Handwerker seinen Kunden dann wegen Diebstahls an.

Richter Edler ließ in der Verhandlung keinen Zweifel daran, dass dieser „besondere“ Fall ihm nicht behagte. Rein rechtlich sei es korrekt, den Giengener wegen Diebstahls anzuklagen, da es keinen Beleg dafür gebe, dass er die Erlaubnis für das Abholen des Materials hatte: „Das Delikt ist nach Aktenlage erfüllt, wenn auch ganz, ganz, ganz weit unten im Schuldgehalt.“ Aus moralischer Sicht könne er das Handeln des Angeklagten aber nachvollziehen. „Wir müssen schauen, wie wir da rauskommen“, so Edler. Er regte an, das Verfahren gegen eine Geldauflage in Höhe von 1000 Euro einzustellen.

Die Alternative wäre laut Edler gewesen, erneut einen Verhandlungstermin anzusetzen und mit großem Aufwand zu versuchen, die beiden Zeugen nach Heidenheim zu bringen. Als problematisch sah Edler auch an, dass der Angeklagte bei einer noch so geringen Bestrafung Ersatz für das zurückgeholte Material hätte leisten müssen.

Es sei schwierig, vor Gericht mit Moral zu argumentieren, sagte der Verteidiger. Seinem Mandanten habe jedoch der Vorsatz für eine Straftat gefehlt, er sei gutgläubig gewesen und habe angenommen, rechtmäßig zu handeln. Daher und auch, um das Verfahren nicht weiter „aufzublähen“, stimmte der Anwalt im Namen seines Mandanten der Einstellung zu. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft schloss sich an.

Durch die Einstellung des Verfahrens hat der Elektriker, der seinen Kunden angezeigt hatte, auch praktisch keine Möglichkeit mehr, zivilrechtlich gegen den Mann vorzugehen.

Strafrecht und Zivilrecht

Endet ein Strafverfahren mit einer Verurteilung, kann das Urteil eine Grundlage für einen Zivilprozess darstellen. Das Opfer einer Straftat kann auf diesem Wege Schadenersatz oder Schmerzensgeld geltend machen. Wird ein Strafverfahren eingestellt, sind damit in der Regel auf zivilrechtliche Ansprüche erledigt, wenn sie sich auf die vorgeworfene Straftat stützen.

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