Leserbrief

Patienten aus Heidenheim warten ohnehin schon lange

Leserbrief zum Beitrag „Giengener Reha-Klinik droht das Aus“ (Ausgabe vom 5. Dezember):

Patienten aus Heidenheim warten ohnehin schon lange

Es ist ein Armutszeugnis, wenn unser Gesundheitswesen rein nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet, behandelt und somit der Mensch zur reinen Zahl degradiert wird. Die Schließung der Geriatrischen Rehaklinik in Giengen wird definitiv negative Konsequenzen für ältere Menschen nach sich ziehen, welche besonders nach einem operativen Eingriff einen Reha-Anschlussplatz benötigen. Mit einem solchen konnten zahlreiche Menschen rechnen, die im Heidenheimer Klinikum behandelt wurden, da die Rehaklinik Giengen zum Heidenheimer Klinikum gehört.

Weiter entfernt liegende Rehakliniken wie in Aalen, Ulm, Göppingen oder Ichenhausen versorgen zurecht zunächst wohnortnahe Patienten. Es geht also nicht um die Frage, ob ausreichend Einrichtungen in erreichbarer Nähe vorhanden sind, sondern wann überhaupt eine Reha-Aufnahme nach Entlassung aus dem Heidenheimer Klinikum möglich sein wird, sobald die Giengener Einrichtung nicht mehr zur Verfügung steht. Bereits jetzt müssen geriatrische Patienten aus Heidenheim mit langen Wartezeiten von bis zu zwei Monaten rechnen, um überhaupt einen Platz bei einer der umliegenden Rehakliniken zu erhalten.

Da auch im Heidenheimer Klinikum die operative Nachbehandlung begrenzt ist, wird es darauf hinauslaufen, dass für diese Menschen nur zwei Möglichkeiten der Zwischenversorgung bleiben: häusliche Versorgung oder Kurzzeitpflege. Die häusliche Versorgung ist allerdings oft nicht realistisch, da zahlreiche Patienten besonders nach einer Operation nicht einmal den Toilettengang selbstständig durchführen können.

Da hilft dann auch nicht die Organisation eines Pflegedienstes, welche oft überlastet sind und keine Neuaufnahmen übernehmen können. Bleibt also nur noch die Kurzzeitpflege, in der es sich um eine vorübergehende Versorgung in einem Pflegeheim handelt. Doch schon jetzt ist die Nachfrage nach einem Kurzzeitpflegeplatz um einiges größer als das Angebot. Des Weiteren klagen zahlreiche Pflegeheime über Personalmangel, weswegen freie Kurzzeitpflegeplätze nicht belegt werden können.

Die Schließung der Rehaklinik ist keine langfristig durchdachte Lösung. Unsere Eltern und Großeltern, welche den Krieg erlebt und den Wiederaufbau mit Mühe vorangebracht haben, werden hierbei wie Abfall in entlegene Pflegeheime entsorgt, weil kein wohnortnaher Kurzzeitpflegeplatz für die Zwischenversorgung gefunden wurde.

Vor allem ältere Menschen machen sich Vorwürfe, wenn Sie auf Hilfe angewiesen sind. Auch die Beantragung von ihnen zustehenden Leistungen der Pflegeversicherung ist vielen entweder nicht bekannt, oder sie betrachten diesen Schritt als Almosengabe.

Laut einer Studie des Sozialverbandes VdK im Jahr 2022 werden pro Jahr mindestens zwölf Milliarden Euro an Leistungen der Pflegeversicherungen nicht in Anspruch genommen, weil sie von den berechtigten Versicherten nicht beantragt werden. Unsere älteren Mitmenschen haben demnach mehr für die Gesamtgesellschaft eingespart, als wir es uns je ausdenken können.
Kadir Cildir, Heidenheim

Jetzt einfach weiterlesen
Jetzt einfach weiterlesen mit HZ
- Alle HZ+ Artikel lesen und hören
- Exklusive Bilder und Videos aus der Region
- Volle Flexibilität: monatlich kündbar