Streik vor dem Rathaus

Punkrock und Protest: Textilarbeiter fordern 6,5 Prozent mehr Lohn bei Warnstreik in Giengen

Dicke Luft vor der Verhandlungsrunde: Mehrere Hundert Beschäftigte der Textilindustrie fordern beim Warnstreik in Giengen mehr Lohn.

Wenn es um gerechten Zorn geht, ist Punkrock immer noch ein idealer Soundtrack. Viele Beschäftigte in der Textil- und Bekleidungsindustrie sind zornig, sie erwarten mehr Geld für ihre Arbeit, für die bisherigen Angebote der Arbeitgeberseite haben sie kein Verständnis. Also traten mehrere Hundert Menschen gestern vor dem Giengener Rathaus in den Warnstreik – und aus den Lautsprechern dröhnten „The Offspring“ und die „Broilers“.

Versammelt hatten sich Beschäftigte von Steiff und Hartmann, von den Vereinigten Filzfabriken Giengen und von Ziegler. Der Hersteller von Feuerwehrfahrzeugen zählt zur Textilindustrie, weil das Unternehmen seine Wurzeln in der Herstellung von gewebten Feuerwehrschläuchen hat. Der Vorsitzende des Ziegler-Betriebsrats, Jochen Brachert, freute sich über die zahlreichen Teilnehmenden und hob insbesondere das Team der Betriebskantine hervor, das dafür gesorgt habe, dass die Küche gestern kalt blieb. Nach Angaben der IG Metall, die als Gewerkschaft auch die Beschäftigten im Bereich Textil und Bekleidung vertritt, beteiligten sich etwa 700 Menschen am zeitweiligen Ausstand.

Die Beschäftigten wollen 6,5 Prozent mehr Lohn

Brachert wie auch Gewerkschaftssekretärin Katja Kalkreuter von der IG Metall Heidenheim schworen die Streikenden auf das Ziel der Verhandlungsrunde ein, die am Mittwoch, 12. März, fortgesetzt wird: Die Beschäftigten der Branche wollen 6,5 Prozent mehr Geld, mindestens jedoch 200 Euro. Diese Minimalforderung resultiert aus der Tatsache, dass in den unteren Lohngruppen der Lohn so niedrig ist, dass selbst ein Plus von 6,5 Prozent noch weniger als 200 Euro pro Monat wäre. Auch die Auszubildenden sollen von höheren Vergütungen profitieren.

Ohnehin gelte es, so Ziegler-Mann Brachert, die Berufe in der Branche für junge Menschen wieder interessanter zu machen. „Der demografische Wandel kommt ja nicht überraschend“, sagte er, allerdings sei in der Vergangenheit „viel zu wenig ausgebildet“ worden, was sich in einem eklatanten Mangel an Fachkräften bemerkbar mache. „Unsere Branche muss wieder attraktiver werden“, forderte Brachert.

Alle sollen gut von ihrer Arbeit leben können

Katja Kalkreuter, IG Metall

Aus Sicht von Katja Kalkreuter ist das Ziel der Verhandlungsrunde ganz einfach: „Alle sollen gut von ihrer Arbeit leben können.“ Dies sei aber mit dem bisherigen Angebot der Arbeitgeberseite nicht gewährleistet. Angeboten wurde eine auf zwei Tranchen aufgeteilte Tarifsteigerung um insgesamt drei Prozent. Diese Erhöhung werde allein von der aktuellen Inflation aufgezehrt.

Politik soll Wirtschaft stärken

„Zurückhaltung ist nicht angebracht“, betonte Kalkreuter. Viele Kolleginnen und Kollegen in der Branche seien erschöpft, weil ihnen seitens der Betriebe immer mehr Druck auferlegt werde. Frei werdende Stellen würden oft nicht nachbesetzt, die Belegschaft in der Branche sei überdurchschnittlich alt. Auch die jüngeren Mitarbeitenden bräuchten Entlastung. „Wenn wir nicht laut sind, werden uns die Arbeitgeber überhaupt nichts anbieten“, so Kalkreuter. Die Streikenden quittierten den Aufruf mit lauten Pfiffen und Rufen nach mehr Geld.

Christian Schwaab von der baden-württembergischen IG-Metall-Bezirksleitung ist Teilnehmer der Tarifverhandlungen, die am Mittwoch in Nordrhein-Westfalen fortgesetzt werden. Am Dienstag betonte er in Giengen, die Branche stehe auch vor Herausforderungen, die sich nicht mit einem guten Tarifabschluss lösen ließen. Es gelte, sich auch bei den anstehenden Koalitionsverhandlungen in Berlin Gehör zu verschaffen, damit sich die Politik für den Wirtschaftsstandort Deutschland starkmache.

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