Landschaftspfleger auf vier Beinen

Schäfer im Landkreis Heidenheim: Zwischen Tradition und Unsicherheit

Die Schäferei im Landkreis Heidenheim trägt zum Erhalt der Kulturlandschaft bei. Trotz Fachkräftemangel leisten die Schäfer wichtige Arbeit für die Artenvielfalt. Die Giengener Schäferfamilie Stegmayer zeigt Leidenschaft für ihren Beruf, kämpft jedoch mit betrieblichen Unkosten und politischer Unsicherheit.

Für Außenstehende ist das Bild des Landkreises Heidenheim mit geprägt von weitläufigen Wacholderheiden und den gemächlich darüber hinweg ziehenden Schafherden. Für die Beteiligten vor Ort ist das romantische Bild der Schäferei eher nachrangig: Die Schäfer selber stehen vor einer ungewissen Zukunft, der Landschaftserhaltungsverband (LEV) ist dagegen froh über die Dienstleistungen der vierbeinigen Landschaftspfleger.

Die Schäferfamilie Stegmayer kommt gleich drei Generationen stark zum Pressetermin. Marlies Stegmayer trägt an diesem Tag den traditionellen Schäferkittel und hütet die rund 700 Tiere große Herde zwischen Giengen und Hohenmemmingen. Mit dabei ist auch Tochter Valerie Stegmayer, die den Familienbetrieb mittlerweile führt. Auf ihrem Arm blickt Generation drei neugierig in die Welt, die fünf Monate alte Fritzie. „Das soll sie selber entscheiden“, sagt Valerie Stegmayer lachend auf die Frage, ob ihre Tochter auch einmal Schäferin werden wird.

Im Landkreis läuft der Generationswechsel bei den Schäfern relativ gut

Ein Selbstläufer ist so eine Generationenfolge beileibe nicht, auch wenn bei den Berufsschäfern im Landkreis Heidenheim der Generationswechsel in den vergangenen Jahren vielleicht geschmeidiger gelaufen ist als anderorts: In gleich vier Betrieben sind junge Frauen in die Fußstapfen ihrer Eltern getreten, um den so traditionsreichen wie mühevollen Beruf weiterzutragen. Trotzdem drückt auch hier der Fachkräftemangel. Helfer seien fast nicht zu finden, obwohl man gerne jemanden einstellen würde, sagt Marlies Stegmayer.

Gruppenbild mit Hunden: (v.l.) Marlies Stegmayer, Valerie Stegmayer mit Tochter Fritzie sowie Corinna Semle und Sven Ehret vom Landschaftserhaltungsverband Heidenheim. Rudi Penk

Seit Mitte April sind die Stegmayers nach der winterlichen Stallzeit wieder unterwegs. Jetzt, wo frisches Grün auf den Wacholderheiden und Kalkmagerrasen sprießt, ziehen sie über die ihnen zugeteilten Flächen zwischen Giengen, Hohenmemmingen, Oggenhausen, Staufen und Syrgenstein. Dabei geht es nicht nur darum, dass die Tiere genügend fressen, damit sie Fleisch ansetzen und Wolle bilden. „Von Fleisch und Wolle könnten wir niemals leben“, winkte Valerie Stegmayer ab. Ihre Herde besteht vielmehr aus wolligen Landschaftspflegern, die fressend und trottend zum Erhalt der Kulturlandschaft beitragen – und dafür bekommt der Betrieb Geld.

Vielen Menschen fehlt das Verständnis für die Arbeit der Schäfer

Nicht zuletzt wegen dieser Dienstleistung wünschen sich vermutlich nicht nur die Stegmayers von manchen Menschen etwas mehr Verständnis für die Zwänge ihrer Arbeit. Sie berichten von Spaziergängern, die genervt reagieren, wenn auf ihrem gewohnten Weg ein, zwei Tage im Jahr die Herde unterwegs ist, von Hundehaltern, die nicht verstehen, dass ihre Hunde die Schafe nervös machen. Sie erzählen aber auch von rücksichtslosen Autofahrern, die auf schmalen Verbindungsstraßen an der Herde vorbeirasen. Es gibt aber auch die andere Seite, Wanderer auf dem Albschäferweg, die sich freuen, einmal echte Schäferinnen und Schäfer zu treffen.

Froh über die Schäfer ist man auch beim Landschaftserhaltungsverband: „Wir sind im Landkreis Heidenheim mit zwölf hauptberuflichen Schäfern gut aufgestellt“, sagt Sven Ehret, stellvertretender Geschäftsführer beim LEV. Mit dieser Dichte an Berufsschäfern ist der Landkreis bundesweit an der Spitze. Aus fachlicher Sicht tragen die Schafherden nicht nur dazu bei, das Bild der Heideflächen zu erhalten, sie leisten vor allem einen Beitrag zur Artenvielfalt. Die Tiere sind gewissermaßen innerhalb der Biotopverbünde auch wichtige Transporteure: „Es gibt Studien, nach denen ein Schaf in seinem Fell bis zu 8.500 Samen weiterträgt“, erklärt Corinna Semle vom LEV. Damit werden auch seltene Arten verbreitet.

Maschinen könnten die Arbeit nicht so gut machen wie die Schafe

Sollten Schäfereien in Zukunft nicht mehr auskömmlich existieren können, müssten Maschinen das Kurzhalten der Vegetation übernehmen. Aus Sicht des LEV wäre das freilich keine Alternative. Maschinen, so Sven Ehret, würden viel zu gleichmäßig arbeiten. Schafe fressen unregelmäßig, dadurch entstehe eine Art Mosaik auf den Flächen. Auf kleinster Flächen gebe es daher durch Schafbeweidung eine Vielzahl unterschiedlichster Lebensräume für Pflanzen oder Insekten.

Wenn die Stegmayers von ihrer Arbeit erzählen, spürt man die Leidenschaft für einen Beruf, der ihnen bei Wind und Wetter viel abverlangt. Die Mühen sind aber nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite steht, dass man „wahnsinnig abhängig“ sei, wie Valerie Stegmayer sagt. Die betrieblichen Unkosten seien so hoch wie nie, dagegen habe sie den Eindruck, dass die Politik nach Haushaltslage agiere, was die Unsicherheit noch erhöhe. Immerhin: Ihre Tiere finden noch genug zu fressen, die Wetterextreme wie in anderen Regionen sind an der Ostalb bislang noch vorbeigezogen.

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