Auf dem Giengener Schießberg wird ein Kunstrasenplatz gebaut. Das dürfte für Giengener Sportvereine eine gute Nachricht sein. Die Baukosten sollen nach derzeitigem Stand rund 1,8 Millionen Euro betragen. Allerdings fiel die Entscheidung für das Sportfeld knapp aus: Die zehn Mitglieder der CDU-Wählerblockfraktion stimmten gegen den Bau, die übrigen Ratsmitglieder sprachen sich dafür aus. Das Ergebnis: 16:10.
Es war Oberbürgermeister Dieter Henle anzusehen, dass er mit dieser Zerrissenheit des Gemeinderats nicht glücklich war. In den annähernd zwei Stunden, in denen am Donnerstagabend im Rathaus über die Sportstättenkonzeption für den Schießberg und damit auch den Kunstrasenplatz diskutiert wurde, ging es um Details der (Kunst-)Rasenpflege ebenso wie grundsätzlich um den Sinn und Zweck eines solchen Ganzjahresplatzes. Der CDU-Wählerblock zeigte sich überaus kritisch, was die Folgekosten, aber auch den Bedarf angeht. Dr. Bernd Baumgartner mutmaßte, die Verwaltung habe das Nutzungspotenzial eines Kunstrasenplatzes schöngerechnet. Gleichwohl wurde die Konzeption als Ganzes einstimmig beschlossen.
Abkehr vom Stadion-Neubau auf dem Schießberg
Die Sportstättenkonzeption, wie sie der Öffentlichkeit am Donnerstag vorgelegt wurde, hatte sich noch einmal deutlich verändert. Der ursprüngliche Entwurf sah im Kern einen kompletten Neubau des Stadions östlich des Bergbads vor. Dafür habe es, so OB Henle, zunächst ein „positives Statement“ der Unteren Naturschutzbehörde gegeben. In der nachfolgenden artenschutzrechtlichen Untersuchung habe die Behörde dann jedoch unzulässige Eingriffe in die Natur festgestellt, allem voran in den Baumbestand.
Architekt Tobias Brauneisen vom Stuttgarter Büro Sportconcept stellte nun eine Variante vor, die vor allem den Bestand weiterentwickelt. Der Kunstrasenplatz soll demnach in einem ersten Schritt den alten Rasenplatz südlich der TC-Tennisplätze ersetzen. Die beiden Rasenplätze beiderseits des Asphaltsträßchens sollen saniert oder erneuert werden. Zwischen den drei Plätzen soll dem Konzept zufolge ein Funktionsbau entstehen, etwa für Umkleiden und Toiletten.
Beim Fußball würde ein Schiedsrichter da eine Karte ziehen.
Wilhelm Oszfolk, Stadtrat
In einem nächsten Schritt soll das Stadion saniert werden, gefolgt von Sanierung und Umbau des TSG-Gebäudes, das zudem einen multifunktionalen Anbau erhalten soll. Das Funktionsgebäude des TC Giengen ist nach Ansicht der Planer nicht sanierungsfähig und müsste ersetzt werden. Umbauten sind auch im SC-Gebäude angedacht.
Die Umsetzung des gesamten neuen Konzepts beziffern die Architekten auf rund 18 Millionen Euro, immerhin mehr als sechs Millionen weniger als in der Variante mit Stadion-Neubau. Dafür gab es schließlich das einstimmige Votum des Rats. Auch die schrittweise Umsetzung des Konzepts fand eine Mehrheit im Gemeinderat.
1000 Stunden Nutzung auf dem Kunstrasen?
Dass der Kunstrasenplatz umstritten sein würde, war der Stadtverwaltung offenbar bewusst. Andreas Salemi, im Rathaus zuständig für Sport und Kultur, legte in der Sitzung umfangreiche Zahlen und Argumente vor: Kunstrasen sei ganzjährig bespielbar, so könnten Rasenplätze über den Winter geschont und Sporthallen vom Trainingsbetrieb entlastet werden. Während der Naturrasen erfahrungsgemäß etwa 450 Stunden im Jahr genutzt werde, geht die Stadt für den Kunstrasenplatz übers Jahr von 1000 Stunden aus. Der Schulsport sei da noch nicht eingerechnet.
Betont wurde zudem, dass ein Kunstrasenplatz Giengen als Sportstadt aufwerten werde – bis hin zu der Annahme, dass der Platz künftig an auswärtige Vereine vermietet werden könnte. Derzeit fahren Giengener Vereine bisweilen in andere Kommunen, um dort auf Kunstrasen zu trainieren.
Salemi zufolge wäre ein Naturrasenplatz in der Herstellung 640.000 Euro billiger, kalkuliere man aber die Pflege über einen Zeitraum von 25 Jahren, eine Belagssanierung, aber auch Einnahmequellen wie Vermietungen mit ein, reduzierten sich die Mehrkosten für den Kunstrasen auf etwas mehr als 400.000 Euro.
Wir laufen in hohe Schulden, die werden uns die Kehle abschnüren.
Bernd Baumgärtner, Stadtrat (CDU)
Gabi Fetzer (CDU-Wählerblockfraktion) wollte wissen, ob sich die Vereine beim Bau mit Eigenleistungen beteiligen würden oder ob die Stadt „das Geld mit der Gießkanne ausschütten“ werde. OB Henle entgegnete, man werde mit den Vereinen reden, da es sich aber um eine städtische Immobilie handle, könne man nicht mit Erwartungen herangehen. Er sei aber zuversichtlich, dass die Vereine nach ihren Möglichkeiten Engagement zeigen würden.
Alexandra Carle (Grüne und Unabhängige) hielt es für nachvollziehbar, dass ein qualitativ guter Platz eine stärkere Nutzung nach sich ziehe: „Wenn ich nach dem ersten Schuss aussehe wie die Wildsau in der Suhle, dann nutze ich den Platz nicht.“
Streit über die Finanzierung
Gaby Streicher (SPD) störte sich am „missionarischen Eifer“ gegen den Kunstrasenplatz. Dieser sei „seit Jahrzehnten Wunsch der Vereine“ und könne angesichts zunehmender Starkregenereignisse auch im Sommer als Ersatzplatz fungieren.
Bernd Baumgartner zeigte sich wiederum verwundert über den Vorwurf des Eifers. Für ihn sei die zentrale Frage, ob sich Giengen den Platz leisten könne: „Wir laufen in hohe Schulden, die werden uns die Kehle abschnüren.“ Sportplätze seien keine Pflichtaufgabe der Stadt. Hier widersprach OB Henle: Spätestens mit Blick auf den Schulsport seien Sportplätze auch eine Pflichtaufgabe.
Die Sorge vor den Schulden bewegte auch Michael Zirn (CDU-Wählerblock), der beantragte, den bestehenden Sperrvermerk für den Bau des Kunstrasenplatzes bis zur Gemeinderatsklausur im September zu belassen. Dieser Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt.
Stadtrat Jens Pfrommer (Grüne und Unabhängige) sah im Kunstrasenplatz einen so großen Mehrwert, dass die höheren Kosten aufgewogen seien. Wilhelm Oszfolk zeigte sich konsterniert über den Verlauf der Diskussion: „Beim Fußball würde ein Schiedsrichter da eine Karte ziehen.“