Menschen, die Graffiti grundsätzlich für Schmiererei halten, werden es vielleicht nicht glauben, aber in der Sprayer-Szene gibt es einen Ehrenkodex: Autos, Privathäuser, historische Gebäude und religiöse Bauten sind tabu, Bilder von Künstlern, die besser sind als man selbst, werden nicht übermalt – und leere Spraydosen hat man gefälligst mitzunehmen.
„Seko“ ist Graffitikünstler, schon seit vielen Jahren. Eigentlich heißt der Giengener Sebastian Hienz, bekannt ist er viel eher unter seinem Spitznamen Basti oder eben als „Seko“. Am Dienstag leitete er im Giengener Haus der Jugend einen Workshop zur Theorie der Graffiti-Kunst, am kommenden Samstag sollen Jugendliche unter seiner Anleitung dann an einem Teilstück der Außenwand der Schwagehalle mit den Sprühfarben aktiv werden und ihre eigenen Entwürfe umsetzen.
Graffiti-Werke sind selten von langer Dauer
Schnell war klar, dass „Seko“ einen sehr ernsthaften, regelrecht philosophischen Zugang zu Graffiti hat. Er sieht in der Sprühkunst eine Möglichkeit, als Mensch zu wachsen, sich intensiv mit Formen und Farben auseinanderzusetzen, sich einerseits stundenlang mit Entwürfen zu befassen, dann aber auch in gebotener Schnelligkeit das Werk umzusetzen. Auch dass ein Spray-Bild nicht ewig besteht, ist eingepreist: „Seko“ rät, nach dem Malen immer gleich ein Foto zu machen, schließlich könne es sein, dass es ein wenig wohlmeinender Konkurrent gleich wieder übermalt.
Bei aller Begeisterung für seine Kunst schnitt „Seko“ auch nüchterne Themen an. Er riet dazu, beim Sprayen Atemschutzmasken, Handschuhe und lange Kleidung zu tragen, damit der Körper nicht in Kontakt mit Farben und Lösemitteln kommt. Nicht minder eindringlich riet er, gerade als junger Mensch nur dort zu malen, wo es auch ausdrücklich erlaubt sei. Zudem gebe es eine Grauzone, wo man keinen Schaden anrichte, vor allem bei Gebäuden, die in Kürze ohnehin abgerissen werden sollen.
Workshop soll Jugendliche aus Giengen mit ihrer Stadt verbinden
Wert legte der Künstler auch auf die Unterscheidung zwischen Graffiti und Street-Art, also Straßenkunst. Street-Artisten wie der so berühmte wie geheimnisvolle Banksy verbinden ihre Kunst oftmals mit politischen Botschaften, während es Sprayern vor allem darum geht, ihren Künstlernamen öffentlichkeitswirksam zu verbreiten. Am wirkungsvollsten gelingt dies jenen Aktiven, die ihre Bilder auf Züge malen – wovon „Seko“ freilich abriet.
Mit dem Graffiti-Projekt will die Stadt Giengen laut Oberbürgermeister Dieter Henle nicht nur eine Gelegenheit für künstlerischen Ausdruck bieten, sondern auch die Identifikation Jugendlicher mit ihrer Stadt stärken. Die unmittelbare Nähe der legalen Sprühfläche zur neuen Skate- und Basketballanlage dürfte dafür sorgen, dass gleich viele anderen Jugendliche das am Samstag entstehende Werk bewundern können.