Es war der schwärzeste Tag der Giengener Geschichte: Am 5. September 1634 führte eine verheerende Feuersbrunst dazu, dass fast die ganze Stadt in Schutt und Asche lag. Nachdem die Stadtkirche wieder aufgebaut und eingeweiht worden war, erinnerte Prediger Simon Böckh im Jahre 1655 mit einer über eine Stunde dauernden Gedenkpredigt an das schreckliche Ereignis.
Vor allem dank des Engagements von Heimatforscher Ulrich Stark ist die Stadt Giengen seit wenigen Jahren wieder im Besitz einer Druckfassung dieser historisch überaus wertvollen Handschrift. In seinem neuen Buch unter dem Titel „Schreibet diesen Tag an …“ hat Stark die originalen Druckseiten einer vollständigen Transkription gegenübergestellt.
Was nach dem Stadtbrand wichtig war
Dabei wird deutlich, was dem Prediger Simon Böckh, der Ältere (1627 – 1686), exakt 21 Jahre nach dem verheerenden Brand wichtig war. Er sah die Katastrophe als „Rache und Strafe Gottes“ für begangene Sünden und mahnte seine Zuhörerschaft, dies niemals zu vergessen.
Basierend auf einem Bibelvers des alttestamentlichen Propheten Ezechiel („Schreibet diesen Tag an …“) verglich er den Giengener Stadtbrand mit der Zerstörung Jerusalems. Am 5. September 1634 wurde „unser Giengisches Jerusalem zum Steinhauffen und zur Wohnung der wilden Thier gemacht, daß es wüst und öd gestanden mit niemand drinn gewohnet“.
Diesen Jammer, so der Prediger weiter, „sollten wir ja so lang wir das eitele Leben haben nicht vergessen“. Doch in Giengen gebe es bereits wieder trügerische Sicherheit, resultierend aus großer Ruhe- und Gottlosigkeit sowie „großem und schädlichem Undank“, klagte Böckh. Leid- und Schmerztränen (lachrymas doloris), Furcht- und Scheutränen (lachrymas timoris) bis hin zu Geschreitränen (lachrymas clamoris) sollten aus Sicht des Theologen vergossen werden.
Die Strafen und Plagen Gottes über Giengen hätten sich lange vorher schon angekündigt, zeigte sich Böckh überzeugt und erinnerte unter anderem an einen feurigen Kometen, der 1618 mit etlichen Feuerzeichen am Himmel über Giengen gestanden war, oder an einen Sturmwind, der wenige Jahre vor dem Stadtbrand den Hahn vom Kirchturm geworfen habe.
Der Prediger brandmarkte das sündige Verhalten seiner städtischen Mitbewohner, das von Abgötterei über Mord und Totschlag, Hurerei, Unzucht und Ehebruch bis zur zügellosen Völlerei gereicht habe. „Man schlemmet und demmet, frisset und saufet“, klagte Böckh in deftigen Worten und stellte damit klar: „Auch wir in Giengen waren vor unserem Brandschaden nicht die Frömmsten, sondern fast die größten Sünder gewesen.“
Wie ernst es Böckh dabei war, erklärte er zum Schluss. Als „euer Landsmann, als euer Prediger und Seelsorger“ sei er „bereit für euch zu sterben, wenn ihr nun nach meinem Abschied euch bekehret und Buße tut“, rief er der Giengener Bevölkerung zu.
Nach Handschrift der Predigt verlangt
Trotz der harten Worte traf der Prediger offenbar deren Herz. Mehrfach wurde nach einer Handschrift der Predigt verlangt, weshalb Böckh 14 Exemplare drucken ließ und den Ratsherren übergab. Der ursprüngliche Predigttext kam im Laufe der Zeit allerdings abhanden, erst 1955 tauchte wieder eine Abschrift auf.
1998 wurde Ulrich Stark bei der Suche nach einem gedruckten Exemplar in der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg fündig. Der damalige Stadtarchivar Dr. Alexander Usler ließ daraufhin fotografische Abzüge anfertigen, und im Jahre 2010 konnte die Stadt Giengen über eine Auktion eines Münchner Antiquariats ein Originalexemplar der Druckschrift erwerben. „Mit der Auffindung der Druckausgabe wurde Giengen ein Teil seiner Geschichte zurückgegeben“, freut sich Ulrich Stark. Detailgetreu hat er nun Simon Böckhs Brandgedenkrede in Buchform aufgearbeitet und um viele Zusatzinformationen ergänzt.
Neben Porträts von erwähnten Personen (unter anderem eine Biografie von Simon Böckh) beleuchtet Stark auch die Hintergründe der Brandgedenkfeiern und ihrer ursprünglichen Bedeutung, die bis heute einmal jährlich in der Stadtkirche stattfinden.
Enthalten sind auch bisher völlig unbekannte Gedichte über den Giengener Stadtbrand aus der Feder des Juristen Ernst Gockel und des Ulmer Münsterpredigers Jacob Honold.
Hier gibt es das Buch
Schwerpunkt des neuesten Buches von Ulrich Stark ist die Brandpredigt des Predigers Simon Böckh aus dem Jahre 1655 (nach Wiedereinweihung der Stadtkirche). Es trägt den Titel „Schreibet den Tag an …“, hat einen Umfang von 184 Seiten und ist im epubli-Shop sowie im Buchhandel erhältlich.