Was bedeuten schon Auftritte in Japan, Spanien und sonst in der Welt, wenn man noch nicht in Giengen war – so scherzte der kanadische Gitarrist Don Ross, ein echter Star auf seinem Gebiet, am Freitagabend in der Schranne. Möglich gemacht hatte das Jule Malischke und das von ihr veranstaltete Gitarrenfestival, das heuer bereits zum sechsten Mal stattfand. Und der Name Don Ross zog: Am ersten Abend war die Schranne „brechend voll“, wie Kulturamtsleiter Andreas Salemi in seiner Begrüßung feststellte. Und das Publikum kam voll und ganz auf seine Kosten bei dem, was Don Ross und Jule Malischke da gemeinsam auf der Bühne boten. Das Publikum erlebte die beiden im Zusammenspiel, aber auch allein. Und Jule Malischke hatte natürlich Songs von ihrem neuen Album dabei: „He waited“, eine sanfte Ballade, das energiegeladene „Goodbye Illusion“ und „Free your mind“, bestens zum Ausflippen geeignet, zeigten die Vielseitigkeit der Heidenheimerin, die als „aufregendste Entdeckung unter den Singer-Songwritern“ nicht nur in Deutschland Erfolge feierte. Gleich drei Neuigkeiten hatte sie parat: Sie hat ein eigenes Label gegründet. Sie wird in Kanada auftreten. Und sie wird ein Album mit Don Ross aufnehmen.
Verblüffende Spieltechnik
Darauf wird das Giengener Publikum nach diesem Auftritt sehr gespannt sein. Don Ross überzeugte nicht nur mit seinem Fingerstyle in Höchstgeschwindigkeit, sondern er verblüffte geradezu. Auch seine langsameren Stücke mit viel Gefühl und enormer Virtuosität kamen beim Publikum bestens an – Don Ross dürfte Giengen also in guter Erinnerung behalten. Jule Malischke bescherte den Zuhörern aber nicht nur ihre immer so eingängigen Lieder, sondern auch Begegnungen mit Künstlern, die sonst vermutlich nicht nach Giengen gekommen wären, weil sie von der Existenz Giengens keine Ahnung haben. Don Ross, wie schon erwähnt, gehört sicherlich dazu, aber auch Martin Moro aus Österreich und „Friends & Fellow“ aus Dresden, denen die Bühne am Samstag gehörte. Und Stefan Brixel und Doris Witkowski, die am Freitag in der aparten Mischung Gitarre und Geige für eine glänzende Eröffnung des Festivals in der „Wellness-Oase Giengen“ sorgten und die Giengener dazu brachten, ein amtliches Meeresrauschen zu intonieren.
Ziemlich heiße Finger
Den Auftakt am Samstag machte der Aalener Axel Nagel. Der ist ja nun bestens bekannt, und er könnte ruhig häufiger hier auftreten. Das mag sich auch das Publikum gedacht haben, das er wieder einmal mit seinen einfallsreichen Liedern, seiner einschmeichelnden Stimme und natürlich seinen Gitarrenkünsten überzeugt hat. Allein schon wenn er seine Loops kreiert, ist das schon Ereignis genug, und zum musikalischen Genuss kommt noch die Freude an den Texten, die so feinsinnig und voller Humor sind.
Martin Moro, ein guter Freund und Seelenverwandter Jule Malischkes, war eigens aus Graz angereist. Und er dürfte nach einigen Stücken ziemlich heiße Finger gehabt haben, so schnell waren diese auf der Gitarre im Einsatz. Beispielsweise bei „108“, seinem wohl größten Hit, „falls man bei meiner Nischenmusik überhaupt von Hit sprechen kann“. Ein ungemein mitreißendes Stück auf alle Fälle, das einen gar nicht mehr loslässt. Er kann aber auch ganz weich und zart: Sein Soundtrack für eine Schneeflocke beispielsweise hatte in seiner Verträumtheit eine geradezu magische Wirkung.
Abschluss mit furiosem Duo
Allein die Konzerte der verschiedenen und so vielseitigen Künstler des Festivals sind schon Gewinn. Das Festival bietet ja aber immer noch mehr: Die Ausstellung verschiedener Gitarrenhersteller gehört dazu, aber auch die Workshops, die die meisten der Künstler in den verschiedenen Sparten anboten und die gut genutzt wurden. So gab es auch Workshops mit Constanze Freund und Thomas Fellow, die als Duo „Friends & Fellow“ den Abschluss des Konzerts am Samstag bestritten. Und was für ein Abschluss war das – furios ist gar kein Ausdruck dafür. Thomas Fellow, Professor für Akustische Gitarre an der Hochschule Dresden und in dieser Eigenschaft der Grund, warum sich Jule Malischke dorthin begab, groovt an der Gitarre, was das Zeug hält und ließ damit die Club-Atmosphäre in der Schranne noch intensiver werden. Daran nicht ganz unschuldig war freilich Constanze Freund mit ihrem Gesang: Eine unglaublich wandelbare Stimme hat sie, und sie weiß damit mit allen Finessen umzugehen.
Tief und warm klingt diese Stimme, und dann auch wieder ganz hell und die Melodien scheinen aus ihr nur so herauszufließen. An den Versionen des Duos von „Personal Jesus“ und „I still haven’t found what I’m looking for“ konnte man sich gar nicht satthören, und auch ihre eigenen Kompositionen wurden mächtig gefeiert. Das Giengener Publikum war ganz aus dem Häuschen vor Begeisterung, gab stehend Applaus und bekam als Dank ein frisch improvisiertes „Giengen“-Lied zu hören. Und es kann angenommen werden, dass für Giengen noch nie ein solch sexy Song kreiert wurde. Und wenn Giengen jetzt noch dafür sorgt, dass bei solchen Großereignissen, bei denen wie jüngst auch bei Elmar Theveßen auch auswärtige Gäste erwünscht sind, die Parkplatzsuche rund um die Schranne leichter wird, dann wäre auch das ziemlich sexy.
Förderverein gegründet
Das Gitarrenfestival wurde bislang allein von Jule Malischke finanziell gestemmt. Trotz Unterstützung durch Sponsoren und die Stadt Giengen ging das meist mit einer „schwarzen Null“ aus. Um die Finanzierung auf eine breitere Ebene zu bringen, wurde jetzt ein Förderverein „Schranne“ gegründet. Die Gründungsversammlung fand am Samstag statt. Jetzt folgen noch die Formalitäten wie Eintrag ins Vereinsregister und dann kann dem Verein beigetreten werden. Er wird also vermutlich beim nächsten Gitarrenfestival mithelfen können. Das findet statt vom 7. bis 9. März 2025 in der Schranne.