Im Film „Ocean‘s 12“ hebt eine Diebesbande um die Darsteller Brad Pitt und George Clooney mit gewaltigem Aufwand ein ganzes Haus an, um ihren ausgeklügelten Plan zu verwirklichen. Die Spezialisten der Regensburger Firma Rauscher werden für derlei Ideen nur ein Augenrollen übrighaben. Ihr Vorhaben ist kaum minder spektakulär, findet aber unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt: Sie haben den Glockenstuhl der Giengener Stadtkirche angehoben – einschließlich Glocken.
Arbeitsplatz in mehr als 30 Metern Höhe
Die beiden Männer an ihrem Arbeitsplatz zu besuchen, ist nicht ganz einfach. Über das Gerüst außen am Turm geht es hoch auf über 30 Meter, durch eines der Schallfenster muss man in den Raum über der Glockenstube klettern. Zwischen Werkzeugen und Seilen liegt ein zentnerschwerer, nagelneuer Eichenbalken.
Über eine steile Leiter geht es noch einmal hinab in die verblüffend enge Kammer, wo die vier Glocken in zwei Lagen übereinander aufgehängt sind. Die Luft ist schwer von uraltem Staub, der bei der Arbeit aufgewirbelt wurde. Der Ort, an dem man noch am bequemsten aufrecht stehen kann, befindet sich mitten in der größten Glocke. Auf dem Boden stehen zwei große Wagenheber.
Glockenstuhl an Ketten und Schlingen angehoben
Es dauert einige Momente, bis sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben und man erkennt, was hier passiert. In den vergangenen Tagen haben die Regensburger Spezialisten zuerst die Punkte, an denen der stählerne Glockenstuhl auf den Außenwänden ruht, freigelegt. Dann haben sie das gesamte Gestell mittels Ketten an darüberliegenden Balken angeschlagen und Zentimeter für Zentimeter angehoben, unterstützt von Wagenhebern.
Auf sechs bis sieben Tonnen schätzt Rauscher-Mitarbeiter Kevin Petzold das gesamte Geläut. Alleine die größte der vier Glocken wiegt mehr als eine Tonne. Viel Gefühl hätten sie beim Anheben gebraucht, erzählt er. Das verwinkelte, stählerne Ungetüm so anzuhängen, dass es sich nicht im engen Turm verkantet. Augenmaß, Routine und das Glück des Tüchtigen sind unerlässlich bei solchen nur bis zu einem gewissen Punkt planbaren Aufgaben.
Im nächsten Schritt bauen die Männer dicke Eichenbalken unter dem Glockenstuhl ein, auf die er dann herabgelassen wird. Ziel ist, dass er künftig nicht mehr direkt auf den Außenwänden ruht, sondern seine Last über eine größere Fläche verteilt.
Der stählerne Glockenstuhl, der Anfang des 20. Jahrhunderts als Ersatz für einen hölzernen eingebaut wurde, hat nämlich dafür gesorgt, dass der Turm jetzt für viel Geld saniert werden muss. Der starre Stahlrahmen hat die Schwingungen der schweren Glocken unmittelbar auf das Mauerwerk übertragen und es rissig werden lassen. Die senkrechten, meterlangen Klüfte in den Außenwänden haben Fachleute in den vergangenen Wochen ausgefüllt. Eine Tonne Mörtel, erzählt Bauleiter Werner Stolz, wurde dabei benötigt.
Stahlstangen sollen die Außenwände sichern
Jetzt werden unterhalb des Glockenstuhls noch Löcher durch die gesamte Länge der vier Außenwände gebohrt. Durch sie schieben die Bauarbeiter dann dicke Stahlstangen, die auf beiden Seiten verschraubt werden und die Wände künftig zusammenhalten sollen. Auf dem Gerüst tummeln sich außerdem Dachdecker, die locker gewordene Gesimse am Turm ersetzen. Zudem erhält der Turm einen neuen Anstrich.
Laut Bauleiter Stolz gibt es aktuell eine leichte Verzögerung im Zeitplan. Wenn das Wetter aber mitspiele, könne das aufwendige Gerüst in Kürze schon wieder abgebaut werden.
Weitere Sanierungen geplant
Der zweite Turm der Stadtkirche, der sogenannte Bläserturm, soll ab dem kommenden Frühjahr saniert werden. Für die Turmsanierung sind Kosten von etwas mehr als 900.000 Euro veranschlagt. In weiteren Bauabschnitten sollen noch weitere Schäden am Giengener Wahrzeichen beseitigt werden.