Leserbrief

Stellflächen für Lkw: "Was für ein Wahnsinn"

Leserbrief zum neuen Lkw-Stellplatz an der A 7 bei Giengen:

Immer dann, wenn ich beim Lesen neuer Nachrichten schreien will „Was für ein Wahnsinn!“, versuche ich mich durch einen kurzen Faktencheck zu beruhigen. Das hat diesmal allerdings nicht geholfen. Ohne Anspruch auf wissenschaftliche Genauigkeit, aber mit vereinfachter Angabe der Quellen: In Deutschland sind täglich 13 Millionen Lkw unterwegs (VCD und BUND, „Wahnsinn Güterverkehr“). Das „Handbuch Lkw-Parken“ nennt als Flächenbedarf für einen Parkstand 80 Quadratmeter, mit Verkehrs- und Nebenflächen 150 bis 200 Quadratmeter.
Das Förderprogramm ist in einem ersten (!) Schritt mit 90 Millionen Euro für 4.000 Stellplätze ausgestattet (Bundesamt für Güterverkehr). Das bedeutet, dass jeder Stellplatz mit durchschnittlich 22.500 Euro bezuschusst wird. Das BMDV nennt für 2018 einen Bestand von 70.800 Lkw-Stellplätzen. Bei landwirtschaft.de findet man die Angabe, dass für ein Kilogramm Weizenbrot ca. 850 Gramm Weizen benötigt werden. Dafür sei durchschnittlich etwas mehr als ein Quadratmeter Ackerfläche notwendig.

Kommunalwahl-bw.de bezeichnet den Gemeinderat als das Hauptorgan der Gemeinde, ein Verwaltungsorgan, das die Gemeinde anleitet, oha, bitte sagt das auch den Kandidaten. Die werden nämlich künftig für solche Verkäufe die Hand heben oder auch nicht.

Jetzt schnaufen wir durch und halten fest, dass es ein harter Job ist, einen Lkw zu fahren und sichere Übernachtungsplätze mit sanitären Anlagen für die Trucker wichtig sind. Auch ist die Transportleistung enorm hoch, in vielen Bereichen unverzichtbar und nur begrenzt auf eine jahrzehntelang von Lkw-affinen Verkehrsministern heruntergewirtschaftete Bahn zu verlagern.

Ziehen wir trotzdem einmal ein paar Schlüsse: In einem kommunalen Industriegebiet werden ungefähr 39 x 175 Qudratmeter, das sind 6.825 Quadratmeter unvermehrbaren Bodens für monofunktionale, fast ausschließlich nachts genutzte Parkplätze verbraucht, es wird also der Stillstand gefördert. Die Flächen werden versiegelt, belasten die Kläranlagen, verschärfen die Probleme bei Starkregenereignissen und verstärken die Aufheizung des Makroklimas. Von PV-Modulen auf Überdachungen lese ich nichts, wäre ja bei 80 Prozent Zuschuss zu viel verlangt, die stellen wir dann auch noch auf Landwirtschaftsflächen.

Der Erfolg: Für einen stetig anwachsenden Lkw-Verkehr entschärfen die Städte Herbrechtingen und Giengen die Situation und schaffen 39/70.800= 0,055 Prozent neue Stellplätze. Im vorliegenden Fall fließen dafür geschätzt bis zu 875.000 Euro unserer Steuergelder. Bleiben Fragen, die wir unseren Abgeordneten im Bundestag, da kommt das Geld ja her, und den Mitgliedern in unseren Gemeinderäten und Ausschüssen stellen können: Soll der Landkreis Heidenheim wirklich mit seinem unfassbar hohen Flächenverbrauch in die Geschichtsbücher eingehen? Haben wir nicht mehr genug Grips und Kraft, um die Anzahl der notwendigen Übernachtungen durch Optimierung der Logistikkette um 0,055 Prozent zu vermindern? In einer Wirtschaft, die kaum noch wächst? Wie viele Arbeitsplätze hätte man auf dieser Fläche ansiedeln können? Müsst ihr unsere wertvollsten Güter derart verramschen? Ist das eure Vorstellung von Daseinsvorsorge? Wollt ihr so die Zukunft kommender Generationen belasten? Was für ein Wahnsinn.

Hartmut Gräter, Giengen