Mann zeigt keine Reue

Verbittert und vereinsamt: 69-Jähriger aus Giengen nach Pfefferspray-Attacke zu Haft verurteilt

Am Amtsgericht Heidenheim wurde ein 69-Jähriger aus Giengen zu neun Monaten Haft wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung verurteilt. Der Mann zeigte keine Reue und akzeptiert die Strafe regelrecht erleichtert.

Es waren keine aufmunternden Worte, die Richter Dr. Christoph Edler dem Angeklagten am Donnerstag in seinem Urteil am Heidenheimer Amtsgericht mitgab: „Sie sind vom Leben enttäuscht, verbittert und vereinsamt.“ Mit diesen Worten verurteilte Edler den Mann zu neun Monaten Haft, in ihnen lag die Missbilligung für dessen Verhalten, mit dem er zwei Menschen im Dezember vergangenen Jahres in einer städtischen Unterkunft in Giengen verletzt hatte.

Sie sind vom Leben enttäuscht, verbittert und vereinsamt

Dr. Christoph Edler, Richter

Dass er eine weitere, zusätzliche Haftstrafe wird absitzen müssen, nahm der 69-Jährige geradezu erleichtert zur Kenntnis. Da bekomme er zu essen und habe seine Ruhe, hatte er zuvor gesagt. Es ist die Abkehr von einem Leben, von dem der Mann nichts mehr erwartet. Seinen Pflichtverteidiger Alexander Schneider wollte er noch vor Beginn der Verhandlung wieder wegschicken. Er könne selber sprechen, polterte er. Dabei fällt ihm das offenbar zunehmend schwerer. Ein Grund dafür dürfte sein starker Alkoholkonsum sein. Zu Tatzeit hatte er rund 1,6 Promille Alkohol im Blut.

Der Giengener stand schon oft vor Gericht

Der Platz auf der Anklagebank ist dem Giengener durchaus vertraut. 18 Einträge weist das Bundeszentralregister für die letzten gut 30 Jahre auf, seit der in Kasachstan geborene Spätaussiedler nach Deutschland kam. Waren es anfangs vor allem Verkehrsdelikte, für die er sich verantworten musste, sind seit 2015 zunehmend Körperverletzungen und wüste Beleidigungen dazugekommen. Deshalb sitzt er aktuell in Ulm eine Haftstrafe ab.

Sein ungehobeltes, ungepflegtes Auftreten vor Gericht hätte es leichtgemacht, ihn als Verlierer und Unbelehrbaren abzustempeln. Dass sein Verteidiger sich dennoch bemühte, ihm Glauben zu schenken, ist noch leicht nachvollziehbar. Indirekt half ihm vor Gericht aber auch jene junge Frau, seine Nachbarin, die unter der Attacke im Dezember am meisten zu leiden hatte.

Unbeteiligte junge Frau durch Pfefferspray verletzt

Die 25-Jährige sagte aus, sie sei an diesem Tag aus der Waschküche im Keller gekommen, und habe den heute 69-Jährigen gesehen, wie er an der Wohnungstür seiner direkten Nachbarn stand und Pfefferspray in die handbreit geöffnete Tür sprühte. Augenblicke später bekam sie, obwohl völlig unbeteiligt, selber einen Sprühstoß ins Gesicht. Ihre Augen brannten, sie litt unter Atemnot und musste sich übergeben. Die Besatzung eines Rettungswagens versorgte die junge Frau damals.

Was der Auslöser des Angriffs war, blieb vor Gericht umstritten. Der Angeklagte machte anhaltende Belästigung durch seine Nachbarn geltend. Die zwei jungen Männer aus der Nachbarwohnung hätten ihm ein Fenster eingeworfen, ihn bedroht. Am Tattag hätten sie einen großen, schweren Stein gegen seine Wohnungstür geworfen und ihn mit „Stecken“ angegriffen. Dagegen habe er sich zur Wehr gesetzt, und zwar in seiner eigenen Wohnung.

Gutachten spricht von krankhafter seelischer Störung

Dass es zwischen den beiden Parteien immer wieder zu Reibereien kam, bestätigte die Mutter der verletzten 25-Jährigen, die mit ihrer Tochter in der Wohnung über dem nun Verurteilten lebte. Immer wieder hätten die Kontrahenten, auch nachts, gegen die Wände geklopft. Oft habe der Angeklagte betrunken randaliert und sei vor ihrer Tür gestanden. Sie hätten sich belästigt gefühlt. Die einzige jedoch, die unmittelbar nach der Tat einen großen Stein vor der Tür des 69-Jährigen liegen sah, war die Tochter, die damit nahelegte, dass es vorher zu einer Provokation der beiden jungen Männer gekommen sein könnte. Die beiden Zeugen, von denen einer ebenfalls durch das Reizgas verletzt wurde, stritten das ab, was Verteidiger Schneider für „glatte Lüge“ hielt. Unbestritten war, dass der Mann seien beiden Nachbarinnen wenige Wochen nach der Körperverletzung beleidigt hatte.

Sein aufbrausendes Verhalten ist offenbar nicht nur ein Ausfluss seiner Verbitterung. Wie Richter Edler aus einem für einen früheren Prozess erstellten Gutachten zitierte, leidet der Mann neben chronischen Schmerzen an einer krankhaften seelischen Störung. Sein Gedächtnis sei lückenhaft, teils habe er wahnhafte Wahrnehmungen. Die Schuldfähigkeit des Mannes ist offenbar eingeschränkt.

Während der Staatsanwalt 14 Monate Haft wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung forderte, hielt die Verteidigung sechs Monate für angemessen. Richter Edler verurteilte ihn zu neun Monaten. Die Möglichkeit, die Strafe zur Bewährung auszusetzen, hatten die Juristen einhellig ausgeschlossen. Er habe immer wieder Grenzen überschritten und sei vielfach und einschlägig vorbestraft, gab Edler dem Täter mit. Einsicht ließ der Mann freilich nicht erkennen.

Was ist gefährliche Körperverletzung?

Als gefährliche Körperverletzung wird ein Angriff gegen einen Menschen unter anderem dann gewertet, wenn dabei ein Gegenstand verwendet wird. Das kann ein Messer ebenso sein wie ein Schlagwerkzeug oder eben ein Pfefferspray. Auch wer beispielsweise einen Hund auf einen anderen Menschen hetzt, kann sich der gefährlichen Körperverletzung schuldig machen.

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