Verborgene Schätze der Giengener Stadtkirche in neuem Licht
Die Giengener Stadtkirche ist eine regelrechte Schatzkammer. Über ihre primäre Funktion als Gotteshaus hinaus beherbergt das markante Gebäude, dessen Ursprünge bis ins 13. Jahrhundert zurückgehen, ein Sammelsurium an Kunstwerken. Mit Fug und Recht kann man dem Giengener Wahrzeichen deshalb auch Museums-Charakter zusprechen.
Epitaphien, Grabdenkmale, Gemälde, Porträts, Wappen und Medaillons, aber auch Inschriften an vielen Kirchengeräten, zeugen von der Lebenswelt vergangener Jahrhunderte. Dem flüchtigen Besucher der Kirche bleibt allerdings vieles von dem verborgen, was Heimatforscher Ulrich Stark jetzt neu geordnet ins Licht rückte. Seine beiden frisch erschienenen Bände über das historische Stadtkircheninventar und dessen Hintergründe decken auf beeindruckende Weise neue heimatgeschichtliche Zusammenhänge auf.
Angesichts der Fülle an Darstellungen und Inschriften hatte Stark ursprünglich nur geplant, eine kleine Liste über die Epitaphe zu erstellen. „Das Thema gestaltete sich jedoch als so interessant, und weitete sich auch enorm aus, dass diese umfangreiche Aufstellung entstand“, schreibt der Autor in seinem Vorwort und vergleicht dabei das Innenleben der Stadtkirche mit einem Wimmelbild. Wenn man die kleinen Mosaiksteinchen nun zu einem geordneten Gesamtbild formiere, werde die Geschichte besser durchschaubar.
Zeitraubende Aufarbeitung
Gründliches Aufarbeiten und systematisches Sortieren waren allerdings auch zeitraubend. Die Erstellung des ersten Bandes erstreckte sich laut Stark von 1999 bis 2022, an Band zwei arbeitete er von 2002 bis 2022.
Vor allem die Biografien von Geistlichen, die in der Stadtkirche wirkten, aber auch von Bürgermeistern, Ratsherren oder Geschäftsleuten, geben tiefe Einblicke und sind ausgesprochen spannend zu lesen. In Band zwei porträtiert Stark jene 24 Geistlichen, die in der Sakristei auf Gemälden der Nachwelt erhalten blieben. Dabei wird auch klar, dass nicht alle Theologen in Giengen einen leichten Stand hatten.
Philipp Andreae (1530 – 1567) etwa wurde während des Studiums eine gewisse Neigung zum Trinken unterstellt und man kritisierte ihn in jungen Jahren, weil „er glaube, dass Recht zu leidenschaftlichen Äußerungen und persönlichen Beleidigungen von der Kanzel herab zu haben“. Der vermutlich an Pest verstorbene Pfarrer war dennoch „bei den Bürgern beliebt“, wie es unter seinem Porträtbild in lateinischer Sprache vermerkt ist.
Als die Stadt während des 30-jährigen Krieges am 5. September 1634 in Flammen stand, flüchtete Pfarrer Esaias Edelmann (1597 – 1643) der Legende nach als letzter Giengener Einwohner durch die Brenz nach Ulm, wo er sich aufopferungsvoll um seine Gemeindemitglieder kümmerte. Ihm folgte Simon Böckh der Ältere (1629 – 1686), der auf zwei Bettelreisen reichlich Geld für den Wiederaufbau der Stadtkirche einsammelte. Als Prediger stand Böckh allerdings im Dauerclinch mit Pfarrer Jakob Honold (1609 – 1690) über die architektonische Neugestaltung des Gotteshauses. Der Hochaltar firmierte deshalb im Volksmund lange als „Zankaltar“.
Viel historischer Hintergrund
Interessant zudem: Auch Böckhs gleichnamiger Sohn sowie sein Enkel wirkten als Geistliche an der Stadtkirche. So kam es, dass es in Giengen fast 100 Jahre lang einen Prediger namens Simon Böckh gab. Unterschieden werden sie durch ihre Namenszusätze: der Ältere, der Mittlere und der Jüngere.
Bis zum tragischen Lebensende des Weltkriegs-Pfarrers Theodor Ludwig (1909 – 1952), der 1940 zum Wehrdienst eingezogen wurde, in russische Kriegsgefangenschaft geriet und wenige Jahre nach seiner Rückkehr nach Giengen einem Nierenleiden erlag, erstreckt sich die Gemälde-Galerie. Zu weiteren zwölf Pfarrern, die in Porträtfotos zu sehen sind, liefert Stark Kurzbiografien ab. Der letzte von ihnen ist der 2018 verstorbene Ludwig Kreh.
Viel historischer Hintergrund lässt sich auch aus den zahlreichen Epitaphen, den Wanddenkmälern mit Schrifttafeln, die zum Andenken an Verstorbene gestiftet wurden, erkennen. Beschrieben werden zudem die mannigfaltigen Bildnisse in der Stadtkirche – von Darstellungen an den Altären oder an der Kanzel bis hin zum Luthermedaillon. Es gibt Berichte über Grabdenkmale und Grabtafeln (beispielsweise über die Giengener Zinngießer). Detaildarstellungen, etwa am Vorderen Altar, wo vier Cherubim zu sehen sind, die auf den Masken besiegter dämonischer Kräfte stehen, dürfen nicht fehlen.
Allein 50 Wappen befinden sich in der Stadtkirche, weitere sieben in der Spitalkirche. Auf sie geht Ulrich Stark ebenso ausführlich ein, wie etwa auf die historischen Zeitzeugen des alten Friedhofs im Hähnle-Kolumbarium. Beide Bände sind entsprechend reichlich bebildert.
Stadtkirche in zwei Bänden
Ulrich Starks Buch-Veröffentlichung „Stadtkirche Giengen an der Brenz“ umfasst zwei Bände. Band 1 ist den Epitaphien, Bildnissen und Grabdenkmalen gewidmet, Band 2 umfasst Porträts, Wappen und Medaillons. Die beiden Bände haben einen Umfang von 308 beziehungsweise 218 Seiten. Sie sind im epubli-Verlag erschienen und sind im dortigen Shop sowie im Buchhandel erhältlich. Die Bücher gehören zur Reihe „Berichte zur Stadtgeschichte von Giengen an der Brenz“.